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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die römische "Lampagna, ihre sanitäre und wirtschaftliche Gesundung

Werden sollten. Der Staat sollte sofort ein Areal expropriieren, das für eine
Niederlassung- von 1000 und weiterer 4000 bis 5000 Personen' genügte.
Um das nötige Ackerland um die Dörfer zu bekommen, konnte man die
Grundeigentümer zu inmer. freiwilligen Abtretung veranlassen/ Sobald die
den Eigentümern gegebne Bedenkzeit abgelaufen war, sollte zur Expropriation
geschritten werden. Vor der Ansiedlung sollte der Staat unter anderen für
Kanalisation, Anlegung von Straßen, Herbeischaffung des nötigen Trinkwassers
sorgen. Ferner sollte der Staat den Kolonisten das nötige Kapital vor¬
schießen. Diese Vorschläge zeigten den Weg, den die Negierung hätte be-
schreiten müssen. Vom Ministerium wurden jedoch die vorgeschtngnen vier
Dörfer bis auf eins gestrichen, und dieses Überbleibsel wurde dann noch von
der Parlaments kommission beseitigt. Der arg verstümmelte Entwurf wurde
wiederum in neugestalteter Form von der Regierung dem Parlament vor¬
gelegt, nochmals einer Kommission zur Prüfung übergeben und dann schließlich
in "völlig umgeänderter Form angenommen. Das Gesetz schreibt den Grund¬
besitzern in einem Umkreise von zehn Kilometern eine bestimmte Wirtschafts¬
weise! vor. Die Vorschrift erstreckt sich auf Errichtung größerer landwirtschaft¬
licher Gebäude. Wege- Und Grabenanlagsn, Arbeiterwohnungen, detaillierte
Entwässerung des Bodens, Wiesenknltur. Schlageinteilung, Fruchtwechsel,
Anbau von Futterpflanzen und Einführung einer intensiven Betriebsweise. ZUt
Buchführung des Gesetzes wird ein Fonds von 1200 000 Lire zur Ver¬
fügung gestellt. Daran glaubt wohl niemand, daß mit dieser Summe eine
öde-StePPe zu kultivieren ist. Nach dem Gesetz soll jeder Eigentümer dem
Ackerbauminister'l M Verzeichnis über seine Besitzungen, eine genaue Orts-
beschreibung seiner Güter -sowie genaue Vorschläge für die beabsichtigte Reform
einreichen. Die Prüfung und Begutachtung soll von einer zu diesem Zwecke
ernannten Kommission vorgenommen werden. Sobald diese die Vorschläge
genehmigt, kann mit den Arbeiten begonnen Werden. Erklären sich die Eigen¬
tümer nicht, oder verhalten sie sich ablehnend, so werden sie expropriiert.
Das in. den Besitz v des Staates' gelangende Eigentum soll möglichst bald
wieder in Emphyteuse veräußert werden. Das obige Gesetz sieht also eine
gesünderen Besitzverteilung und eine Ansiedlung der weiten Öde um Rom nicht
vor. /Es bleibt also bei der Latifundienwirtschaft. Durch das Gesetz wird
den Gmndeigcntümern vorgeschrieben, wie sie ihren Betrieb einzurichten, die
Gebäude aufzuführen, wieviel Vieh sie zu halten haben usw. Durch das
Gesetz werden also die Privatinteressen der Eigentümer und Pächter wesentlich
berührt; > als wenn' die nicht ihren Privatvorriw selbst wahrnehmen könnten!
Nun haben die Grundbesitzer und Pächter durchaus kein Interesse daran, ihre
Wirtschaft zu ändern, da ihnen die Weidewirtschaft ohne-große Kapitalanlage
eine hohe Rente liefert. Daher 'erklärt 'sich auch die ablehnende Haltung
tho Grundbesitzer hinsichtlich der Einführung der Neformmaßregel. Auch die'
Regierung hat dem gegenüber nicht viel ausrichten können. Denn wenn sie


Die römische «Lampagna, ihre sanitäre und wirtschaftliche Gesundung

Werden sollten. Der Staat sollte sofort ein Areal expropriieren, das für eine
Niederlassung- von 1000 und weiterer 4000 bis 5000 Personen' genügte.
Um das nötige Ackerland um die Dörfer zu bekommen, konnte man die
Grundeigentümer zu inmer. freiwilligen Abtretung veranlassen/ Sobald die
den Eigentümern gegebne Bedenkzeit abgelaufen war, sollte zur Expropriation
geschritten werden. Vor der Ansiedlung sollte der Staat unter anderen für
Kanalisation, Anlegung von Straßen, Herbeischaffung des nötigen Trinkwassers
sorgen. Ferner sollte der Staat den Kolonisten das nötige Kapital vor¬
schießen. Diese Vorschläge zeigten den Weg, den die Negierung hätte be-
schreiten müssen. Vom Ministerium wurden jedoch die vorgeschtngnen vier
Dörfer bis auf eins gestrichen, und dieses Überbleibsel wurde dann noch von
der Parlaments kommission beseitigt. Der arg verstümmelte Entwurf wurde
wiederum in neugestalteter Form von der Regierung dem Parlament vor¬
gelegt, nochmals einer Kommission zur Prüfung übergeben und dann schließlich
in «völlig umgeänderter Form angenommen. Das Gesetz schreibt den Grund¬
besitzern in einem Umkreise von zehn Kilometern eine bestimmte Wirtschafts¬
weise! vor. Die Vorschrift erstreckt sich auf Errichtung größerer landwirtschaft¬
licher Gebäude. Wege- Und Grabenanlagsn, Arbeiterwohnungen, detaillierte
Entwässerung des Bodens, Wiesenknltur. Schlageinteilung, Fruchtwechsel,
Anbau von Futterpflanzen und Einführung einer intensiven Betriebsweise. ZUt
Buchführung des Gesetzes wird ein Fonds von 1200 000 Lire zur Ver¬
fügung gestellt. Daran glaubt wohl niemand, daß mit dieser Summe eine
öde-StePPe zu kultivieren ist. Nach dem Gesetz soll jeder Eigentümer dem
Ackerbauminister'l M Verzeichnis über seine Besitzungen, eine genaue Orts-
beschreibung seiner Güter -sowie genaue Vorschläge für die beabsichtigte Reform
einreichen. Die Prüfung und Begutachtung soll von einer zu diesem Zwecke
ernannten Kommission vorgenommen werden. Sobald diese die Vorschläge
genehmigt, kann mit den Arbeiten begonnen Werden. Erklären sich die Eigen¬
tümer nicht, oder verhalten sie sich ablehnend, so werden sie expropriiert.
Das in. den Besitz v des Staates' gelangende Eigentum soll möglichst bald
wieder in Emphyteuse veräußert werden. Das obige Gesetz sieht also eine
gesünderen Besitzverteilung und eine Ansiedlung der weiten Öde um Rom nicht
vor. /Es bleibt also bei der Latifundienwirtschaft. Durch das Gesetz wird
den Gmndeigcntümern vorgeschrieben, wie sie ihren Betrieb einzurichten, die
Gebäude aufzuführen, wieviel Vieh sie zu halten haben usw. Durch das
Gesetz werden also die Privatinteressen der Eigentümer und Pächter wesentlich
berührt; > als wenn' die nicht ihren Privatvorriw selbst wahrnehmen könnten!
Nun haben die Grundbesitzer und Pächter durchaus kein Interesse daran, ihre
Wirtschaft zu ändern, da ihnen die Weidewirtschaft ohne-große Kapitalanlage
eine hohe Rente liefert. Daher 'erklärt 'sich auch die ablehnende Haltung
tho Grundbesitzer hinsichtlich der Einführung der Neformmaßregel. Auch die'
Regierung hat dem gegenüber nicht viel ausrichten können. Denn wenn sie


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[0396] Die römische «Lampagna, ihre sanitäre und wirtschaftliche Gesundung Werden sollten. Der Staat sollte sofort ein Areal expropriieren, das für eine Niederlassung- von 1000 und weiterer 4000 bis 5000 Personen' genügte. Um das nötige Ackerland um die Dörfer zu bekommen, konnte man die Grundeigentümer zu inmer. freiwilligen Abtretung veranlassen/ Sobald die den Eigentümern gegebne Bedenkzeit abgelaufen war, sollte zur Expropriation geschritten werden. Vor der Ansiedlung sollte der Staat unter anderen für Kanalisation, Anlegung von Straßen, Herbeischaffung des nötigen Trinkwassers sorgen. Ferner sollte der Staat den Kolonisten das nötige Kapital vor¬ schießen. Diese Vorschläge zeigten den Weg, den die Negierung hätte be- schreiten müssen. Vom Ministerium wurden jedoch die vorgeschtngnen vier Dörfer bis auf eins gestrichen, und dieses Überbleibsel wurde dann noch von der Parlaments kommission beseitigt. Der arg verstümmelte Entwurf wurde wiederum in neugestalteter Form von der Regierung dem Parlament vor¬ gelegt, nochmals einer Kommission zur Prüfung übergeben und dann schließlich in «völlig umgeänderter Form angenommen. Das Gesetz schreibt den Grund¬ besitzern in einem Umkreise von zehn Kilometern eine bestimmte Wirtschafts¬ weise! vor. Die Vorschrift erstreckt sich auf Errichtung größerer landwirtschaft¬ licher Gebäude. Wege- Und Grabenanlagsn, Arbeiterwohnungen, detaillierte Entwässerung des Bodens, Wiesenknltur. Schlageinteilung, Fruchtwechsel, Anbau von Futterpflanzen und Einführung einer intensiven Betriebsweise. ZUt Buchführung des Gesetzes wird ein Fonds von 1200 000 Lire zur Ver¬ fügung gestellt. Daran glaubt wohl niemand, daß mit dieser Summe eine öde-StePPe zu kultivieren ist. Nach dem Gesetz soll jeder Eigentümer dem Ackerbauminister'l M Verzeichnis über seine Besitzungen, eine genaue Orts- beschreibung seiner Güter -sowie genaue Vorschläge für die beabsichtigte Reform einreichen. Die Prüfung und Begutachtung soll von einer zu diesem Zwecke ernannten Kommission vorgenommen werden. Sobald diese die Vorschläge genehmigt, kann mit den Arbeiten begonnen Werden. Erklären sich die Eigen¬ tümer nicht, oder verhalten sie sich ablehnend, so werden sie expropriiert. Das in. den Besitz v des Staates' gelangende Eigentum soll möglichst bald wieder in Emphyteuse veräußert werden. Das obige Gesetz sieht also eine gesünderen Besitzverteilung und eine Ansiedlung der weiten Öde um Rom nicht vor. /Es bleibt also bei der Latifundienwirtschaft. Durch das Gesetz wird den Gmndeigcntümern vorgeschrieben, wie sie ihren Betrieb einzurichten, die Gebäude aufzuführen, wieviel Vieh sie zu halten haben usw. Durch das Gesetz werden also die Privatinteressen der Eigentümer und Pächter wesentlich berührt; > als wenn' die nicht ihren Privatvorriw selbst wahrnehmen könnten! Nun haben die Grundbesitzer und Pächter durchaus kein Interesse daran, ihre Wirtschaft zu ändern, da ihnen die Weidewirtschaft ohne-große Kapitalanlage eine hohe Rente liefert. Daher 'erklärt 'sich auch die ablehnende Haltung tho Grundbesitzer hinsichtlich der Einführung der Neformmaßregel. Auch die' Regierung hat dem gegenüber nicht viel ausrichten können. Denn wenn sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/396>, abgerufen am 22.07.2024.