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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

Jahre an Lebens- und Dienstjahren jüngern Verwaltungsbeamten die wichtigsten
technischen Dezernate und die bevorzugtesten Stellungen innehaben. Führte man
eine solche Hebung und Aufbesserung der Techniker in liberaler Weise und energisch
durch, so würde eine dem Ganzen zugute kommende Berufs- und Schaffens¬
freudigkeit an Stelle von Verdrossenheit, Unzufriedenheit, Gleichgiltigkeit und
verbissenem Ärger treten, von denen, wie ich hundertfach habe wahrnehmen
können, so ziemlich alle Baubeamten erfüllt sind. In dem eingangs er¬
wähnten Grenzbotenartikel in Nummer 1 und 2 von 1897 wird am Schlich
darauf hingewiesen, wie das Ressort des Justizministeriums den großen Vorteil
verspüren würde, wenn mit dem Juristenprivilegium in der Verwaltung end¬
gültig gebrochen würde. Der ungesunde Zudrang zum Eintritt in die juristische
Laufbahn würde eingeschränkt, und es wäre nicht mehr zu besorgen, daß der
juristischen Tätigkeit'im engsten Sinne die besten Kräfte durch den Übertritt
in die Verwaltung entzogen würden. Bei den Technikern würde eine gerade
entgegengesetzte Wirkung erreicht werden. Daß die unbefriedigender Ver¬
hältnisse'und Zustände in der Dienstlaufbahu des Technikers zurückwirken bis
auf den jüngsten Nachwuchs und diesen in vielen Fällen veranlassen, dem
Staatsdienste so bald wie irgend angängig den Rücken zu kehren, ist eine be¬
kannte Tatsache. Sicherlich sind es häufig die besten Kräfte, die so auf eine
Anstellung im Staatsdienste verzichten. Nach Einführung der vorgeschlagnen
Reformen würde das Abströmen tüchtiger jüngerer Kräfte sehr bald aufhören,
und statt des oft bedauerlichen Mangels an Negiernngsbaumeistern und -bau-
führern ein starker Zudrang zum Staatsdienst seinen Anfang nehmen. Daß
im übrigen auch andre Kreise die Bevorzugung einer Beamtenklasse vor den
übrigen verwerfen und gleiche Stellung, gleiche Gehalts-, Verwendungs- und
Beförderungsgrundsütze auf der ganzen Linie verlangen, dürften die Verhand¬
lungen beweisen, die der "gesamtliberale Kongreß" Anfang Juli dieses Jahres
W München gepflogen hat.'und auf dem der Rechtsanwalt Marwitz aus Berlin
unter anderm auch die verfassungsmäßige Festlegung der unbedingten Parität
im Verwaltungsdienste verlangte. Freilich, ob der Redner hierbei auch an die
Techniker gedacht hat. geht aus der kurzen Zeitungsnotiz nicht hervor; ich
nehme es aber als geschehen an. andernfalls hätte seine Forderung keinen Sinn,
da die Techniker im modernen Staat unter den Verwaltungsbeamten eine
durchaus gewichtige Stellung einnehmen.

Ganz von selbst nun wandern die Gedanken weiter und suchen die
Konsequenzen zu ziehen, die sich infolge der Umgestaltung und Neuorganisation
der Verwaltung, soweit die Emanzipation der Techniker dabei in Frage kommt,
ergeben dürften. Schon seit geraumer Zeit, zumeist wohl von dem Zeitpunkt
der Verstaatlichung der Eisenbahnen an. wurden Stimmen laut, die eine Ab¬
trennung der obersten Eisenbahnverwaltung vom Ministerium der öffentlichen
Arbeiten verlangten. Die Tätigkeit der Abteilung für das Eisenbahnwesen
mit ihren fünf Unterabteilungen hat einen solchen Umfang angenommen, daß


Die Reform der innern Verwaltung in Preußen

Jahre an Lebens- und Dienstjahren jüngern Verwaltungsbeamten die wichtigsten
technischen Dezernate und die bevorzugtesten Stellungen innehaben. Führte man
eine solche Hebung und Aufbesserung der Techniker in liberaler Weise und energisch
durch, so würde eine dem Ganzen zugute kommende Berufs- und Schaffens¬
freudigkeit an Stelle von Verdrossenheit, Unzufriedenheit, Gleichgiltigkeit und
verbissenem Ärger treten, von denen, wie ich hundertfach habe wahrnehmen
können, so ziemlich alle Baubeamten erfüllt sind. In dem eingangs er¬
wähnten Grenzbotenartikel in Nummer 1 und 2 von 1897 wird am Schlich
darauf hingewiesen, wie das Ressort des Justizministeriums den großen Vorteil
verspüren würde, wenn mit dem Juristenprivilegium in der Verwaltung end¬
gültig gebrochen würde. Der ungesunde Zudrang zum Eintritt in die juristische
Laufbahn würde eingeschränkt, und es wäre nicht mehr zu besorgen, daß der
juristischen Tätigkeit'im engsten Sinne die besten Kräfte durch den Übertritt
in die Verwaltung entzogen würden. Bei den Technikern würde eine gerade
entgegengesetzte Wirkung erreicht werden. Daß die unbefriedigender Ver¬
hältnisse'und Zustände in der Dienstlaufbahu des Technikers zurückwirken bis
auf den jüngsten Nachwuchs und diesen in vielen Fällen veranlassen, dem
Staatsdienste so bald wie irgend angängig den Rücken zu kehren, ist eine be¬
kannte Tatsache. Sicherlich sind es häufig die besten Kräfte, die so auf eine
Anstellung im Staatsdienste verzichten. Nach Einführung der vorgeschlagnen
Reformen würde das Abströmen tüchtiger jüngerer Kräfte sehr bald aufhören,
und statt des oft bedauerlichen Mangels an Negiernngsbaumeistern und -bau-
führern ein starker Zudrang zum Staatsdienst seinen Anfang nehmen. Daß
im übrigen auch andre Kreise die Bevorzugung einer Beamtenklasse vor den
übrigen verwerfen und gleiche Stellung, gleiche Gehalts-, Verwendungs- und
Beförderungsgrundsütze auf der ganzen Linie verlangen, dürften die Verhand¬
lungen beweisen, die der „gesamtliberale Kongreß" Anfang Juli dieses Jahres
W München gepflogen hat.'und auf dem der Rechtsanwalt Marwitz aus Berlin
unter anderm auch die verfassungsmäßige Festlegung der unbedingten Parität
im Verwaltungsdienste verlangte. Freilich, ob der Redner hierbei auch an die
Techniker gedacht hat. geht aus der kurzen Zeitungsnotiz nicht hervor; ich
nehme es aber als geschehen an. andernfalls hätte seine Forderung keinen Sinn,
da die Techniker im modernen Staat unter den Verwaltungsbeamten eine
durchaus gewichtige Stellung einnehmen.

Ganz von selbst nun wandern die Gedanken weiter und suchen die
Konsequenzen zu ziehen, die sich infolge der Umgestaltung und Neuorganisation
der Verwaltung, soweit die Emanzipation der Techniker dabei in Frage kommt,
ergeben dürften. Schon seit geraumer Zeit, zumeist wohl von dem Zeitpunkt
der Verstaatlichung der Eisenbahnen an. wurden Stimmen laut, die eine Ab¬
trennung der obersten Eisenbahnverwaltung vom Ministerium der öffentlichen
Arbeiten verlangten. Die Tätigkeit der Abteilung für das Eisenbahnwesen
mit ihren fünf Unterabteilungen hat einen solchen Umfang angenommen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/381>, abgerufen am 22.07.2024.