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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Betrachtungen zu den deutschen Aaisermanövern

ihre Beobachtungen dem Führer nach unten zurufen. Am letzten Manövertage,
wo sich der Fesselballon von Not bei heftigem Winde stundenlang in feuchten
Luftschichten befand, war der Offizier durch die Kälte und Feuchtigkeit, als der
Ballon eingezogen wurde, halb erstarrt. Interessant ist es, daß die neue Feld¬
dienstordnung auch schon das "lenkbare" Luftschiff im Rahmen der Aufklärungs¬
tätigkeit behandelt, sie weist den Fesselballons die taktische Aufklärung, den
lenkbarem Militärballons vor allem die strategische Aufklärung zu. Leider ließen
sich die Erwartungen, schon diesesmal einen Luftkreuzer in Verwendung treten
zu sehn, nicht erfüllen, nachdem widrige Umstände die abschließenden Versuche
dieser letzten großen Erfolge der Technik verhindert und die Ballonhalle auf
dem Exerzierplatz vou Frescaty bei Metz zerstört hatten. Hoffentlich sind bis
zum nächsten Jahre alle diese Hindernisse überwunden, und wir sehn bei den
Kaisermanövern zwischen dem 13. und 14. Armeekorps unsre Luftschiffe ver-
schiedner Systeme zum erstenmal im Dienst der obersten Heeresleitung.

Von wesentlicher Bedeutung für die Übermittlung von Nachrichten und
Befehlen waren weiter die Drahttelegraphen und der Fernsprecher in ihren
vielfachen verschiednen Verwendungsarten. Der Kabeltelegraph mit galvanischem
Strom hat den Vorzug der größten Zuverlässigkeit, da die Morsestreifen
schriftliche Dokumente liefern. Schneller zu legen sind die dünnen und leichten
Drähte für den Jnduktionsstrom, bei dem als Stationsmaterial auch der Fern¬
sprecher verwandt wird. Der Fernsprecher ist weniger zuverlässig als die
Drahttelegraphie, fordert aber eine kürzere Bauzeit. Von Telegraphen¬
formationen waren im Manöver die bei jedem Armeekorps von den Tele¬
graphentruppen gebildeten Korpstelegraphcnabteilwagen in Tätigkeit,
deren wesentlichste Aufgabe mit ihren schnell zu verlegenden Leitungen darin
bestand, die Korpshauptquartiere mit den Stabshauptquartieren ihrer Divi¬
sionen in Verbindung zu setzen. Alsdann trat wiederum die Verwendung der
Fernsprecher in die Erscheinung, aber diesesmal in weit größerer Ausdehnung,
als es in den Jahren 1905 und 1906 der Fall gewesen war, wo sich nur
einige höhere Stäbe im Besitz dieses technischen Hilfsmittels befunden hatten,
das erst durch den russisch-japanischen Krieg zu seiner hohen Bedeutung ge¬
langt ist. Um nun die guten Eigenschaften des Fernsprechers für militärische
Zwecke voll ausnutze" zu können, sind in die Organisation unsers Heeres
zunächst eine Anzahl fahrbarer Fernsprechabteilungen aufgenommen
worden. Je eine solche Abteilung, unter der Leitung eines im Fernsprech¬
wesen ausgebildeten Offiziers, war bei der Manöverleitung, den beiden General¬
kommandos und den Divisionsstüben eingestellt. Sie dienten dazu, sowohl
während der Ruhe, im Vorpostendienst, als auch besonders im Gefecht, wenn
die Verhältnisse es irgend gestatteten, den mündlichen Sprechverkehr zwischen
den höhern Kommandobehörden herzustellen, ein Vorteil, der erklärlicherweise
von weittragender Bedeutung ist. Neben diesen Fernsprechabteilungen sind
neuerdings auch noch Infanterie-Fernsprechtrupps geschaffen worden,
die in der Stärke von einem Offizier und sechzehn Mann nach und nach bei


Betrachtungen zu den deutschen Aaisermanövern

ihre Beobachtungen dem Führer nach unten zurufen. Am letzten Manövertage,
wo sich der Fesselballon von Not bei heftigem Winde stundenlang in feuchten
Luftschichten befand, war der Offizier durch die Kälte und Feuchtigkeit, als der
Ballon eingezogen wurde, halb erstarrt. Interessant ist es, daß die neue Feld¬
dienstordnung auch schon das „lenkbare" Luftschiff im Rahmen der Aufklärungs¬
tätigkeit behandelt, sie weist den Fesselballons die taktische Aufklärung, den
lenkbarem Militärballons vor allem die strategische Aufklärung zu. Leider ließen
sich die Erwartungen, schon diesesmal einen Luftkreuzer in Verwendung treten
zu sehn, nicht erfüllen, nachdem widrige Umstände die abschließenden Versuche
dieser letzten großen Erfolge der Technik verhindert und die Ballonhalle auf
dem Exerzierplatz vou Frescaty bei Metz zerstört hatten. Hoffentlich sind bis
zum nächsten Jahre alle diese Hindernisse überwunden, und wir sehn bei den
Kaisermanövern zwischen dem 13. und 14. Armeekorps unsre Luftschiffe ver-
schiedner Systeme zum erstenmal im Dienst der obersten Heeresleitung.

Von wesentlicher Bedeutung für die Übermittlung von Nachrichten und
Befehlen waren weiter die Drahttelegraphen und der Fernsprecher in ihren
vielfachen verschiednen Verwendungsarten. Der Kabeltelegraph mit galvanischem
Strom hat den Vorzug der größten Zuverlässigkeit, da die Morsestreifen
schriftliche Dokumente liefern. Schneller zu legen sind die dünnen und leichten
Drähte für den Jnduktionsstrom, bei dem als Stationsmaterial auch der Fern¬
sprecher verwandt wird. Der Fernsprecher ist weniger zuverlässig als die
Drahttelegraphie, fordert aber eine kürzere Bauzeit. Von Telegraphen¬
formationen waren im Manöver die bei jedem Armeekorps von den Tele¬
graphentruppen gebildeten Korpstelegraphcnabteilwagen in Tätigkeit,
deren wesentlichste Aufgabe mit ihren schnell zu verlegenden Leitungen darin
bestand, die Korpshauptquartiere mit den Stabshauptquartieren ihrer Divi¬
sionen in Verbindung zu setzen. Alsdann trat wiederum die Verwendung der
Fernsprecher in die Erscheinung, aber diesesmal in weit größerer Ausdehnung,
als es in den Jahren 1905 und 1906 der Fall gewesen war, wo sich nur
einige höhere Stäbe im Besitz dieses technischen Hilfsmittels befunden hatten,
das erst durch den russisch-japanischen Krieg zu seiner hohen Bedeutung ge¬
langt ist. Um nun die guten Eigenschaften des Fernsprechers für militärische
Zwecke voll ausnutze» zu können, sind in die Organisation unsers Heeres
zunächst eine Anzahl fahrbarer Fernsprechabteilungen aufgenommen
worden. Je eine solche Abteilung, unter der Leitung eines im Fernsprech¬
wesen ausgebildeten Offiziers, war bei der Manöverleitung, den beiden General¬
kommandos und den Divisionsstüben eingestellt. Sie dienten dazu, sowohl
während der Ruhe, im Vorpostendienst, als auch besonders im Gefecht, wenn
die Verhältnisse es irgend gestatteten, den mündlichen Sprechverkehr zwischen
den höhern Kommandobehörden herzustellen, ein Vorteil, der erklärlicherweise
von weittragender Bedeutung ist. Neben diesen Fernsprechabteilungen sind
neuerdings auch noch Infanterie-Fernsprechtrupps geschaffen worden,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/322>, abgerufen am 22.07.2024.