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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Tehrerbesoldungsgesetz in Preußen

ihres Diensteinkommens gelangen. Gegenwärtig bezieht der Lehrer neben
einem nach den örtlichen Verhältnissen verschieden Grundgehalt Alterszulagen,
die ebenfalls verschieden sind. Diese letzten werden derart gewährt, daß der
Bezug nach siebenjähriger Dienstzeit beginnt, und daß neun gleich hohe Zu¬
lagen in Zwischenräumen von je drei Jahren gewährt werden. Der Lehrer
gelangt also in der Regel erst mit dem vierundfünfzigsten oder dem fünf¬
undfünfzigsten Lebensjahre in den Genuß seines höchsten Gehalts. Er kann
sich nun zwar des Maximums seines Einkommens freuen, wird es wohl aber
meist zur Abzahlung der schulde" benutzen müssen, die er in den voran¬
gegangnen für ihn wirtschaftlich schweren Jahren hat machen müssen; denn
der Volksschullehrer kommt im Durchschnitt viel früher als andre Beamte
in die Lebensperiode hinein, die die meisten Ausgaben im Hausstande durch
die Erziehung der Kinder, durch die Ausstattung der Töchter usw. fordert,
deswegen, weil er früh, oft sehr früh heiratet. Ob das frühe Heiraten der
Volksschullehrer ein Übel ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben, eine Tat¬
sache ist es jedenfalls, und sie hat zur Folge, daß der Volksschullehrer in
der Regel mit dem vierzigsten Lebensjahre in die teure Lebensperiode, in der
die Kinder am meisten kosten, eintritt und in ihr etwa bis zum fünfund-
fünfzigsten Lebensjahre verbleibt. Darum ist es billig, ihn in das Maximum
seines Diensteinkommens zu bringen, wenn diese Periode beginnt oder doch
bald nachdem sie begonnen hat. Das ist zu erreichen, wenn die Zahlung
der Alterszulagen früher als bisher beginnt, und wenn sie schneller als
bisher aufeinanderfolgen.

3. Das Diensteinkommen der Volksschullehrer und -lehrerinnen soll zu
jeder Zeit ihres amtlichen Lebens derart bemessen sein, daß es ihnen und
ihren Familien eine bescheidne Lebensführung sichert. Zu dieser Forderung
ließen sich Vorschläge ohne Ende machen. Nach der übereinstimmenden An¬
sicht älterer und erfahrner Lehrer, die das Erreichbare nicht mit dem Un¬
erreichbarem vertauschen, würde genügen ein Grundgehalt von 1200 Mark.
Hierzu müßten gewährt werden zehn Alterszulagen in zwei Gruppen (Ord¬
nungen) von je fünf Jahren. Die Alterszulagen der ersten Ordnung müßten
mit je 150 Mark in je drei Jahren, die der zweiten Ordnung mit je
200 Mark in je zwei Jahren erfolgen. Außerdem wäre, wie dies auch bisher
geschehe" ist, eine Dienstwohnung in v-iwra zu gewähren oder eine Mietent¬
schädigung, die nach festen Prozentsätzen des aus dem Grundgehalte und den
Alterszulagen bestehenden Einkommens festzusetzen wäre. Dazu würden
Teuerungszulagen treten, die die Städte und die Landgemeinden ihren Lehrern
gewähren können.

Die in vorstehenden Ausführungen aufgestellten Forderungen gelten auch
für die Volksschullehrerinnen mit der Einschränkung, daß alle ihre Dienst¬
bezüge geringer sein müssen als die der Volksschullehrer. Es ist bekannt,
daß die Lehrerinnen in Preußen, wenn sie heiraten, ihr Amt aufgeben müssen;Grenb


zoten IV 1908 3
Das Tehrerbesoldungsgesetz in Preußen

ihres Diensteinkommens gelangen. Gegenwärtig bezieht der Lehrer neben
einem nach den örtlichen Verhältnissen verschieden Grundgehalt Alterszulagen,
die ebenfalls verschieden sind. Diese letzten werden derart gewährt, daß der
Bezug nach siebenjähriger Dienstzeit beginnt, und daß neun gleich hohe Zu¬
lagen in Zwischenräumen von je drei Jahren gewährt werden. Der Lehrer
gelangt also in der Regel erst mit dem vierundfünfzigsten oder dem fünf¬
undfünfzigsten Lebensjahre in den Genuß seines höchsten Gehalts. Er kann
sich nun zwar des Maximums seines Einkommens freuen, wird es wohl aber
meist zur Abzahlung der schulde» benutzen müssen, die er in den voran¬
gegangnen für ihn wirtschaftlich schweren Jahren hat machen müssen; denn
der Volksschullehrer kommt im Durchschnitt viel früher als andre Beamte
in die Lebensperiode hinein, die die meisten Ausgaben im Hausstande durch
die Erziehung der Kinder, durch die Ausstattung der Töchter usw. fordert,
deswegen, weil er früh, oft sehr früh heiratet. Ob das frühe Heiraten der
Volksschullehrer ein Übel ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben, eine Tat¬
sache ist es jedenfalls, und sie hat zur Folge, daß der Volksschullehrer in
der Regel mit dem vierzigsten Lebensjahre in die teure Lebensperiode, in der
die Kinder am meisten kosten, eintritt und in ihr etwa bis zum fünfund-
fünfzigsten Lebensjahre verbleibt. Darum ist es billig, ihn in das Maximum
seines Diensteinkommens zu bringen, wenn diese Periode beginnt oder doch
bald nachdem sie begonnen hat. Das ist zu erreichen, wenn die Zahlung
der Alterszulagen früher als bisher beginnt, und wenn sie schneller als
bisher aufeinanderfolgen.

3. Das Diensteinkommen der Volksschullehrer und -lehrerinnen soll zu
jeder Zeit ihres amtlichen Lebens derart bemessen sein, daß es ihnen und
ihren Familien eine bescheidne Lebensführung sichert. Zu dieser Forderung
ließen sich Vorschläge ohne Ende machen. Nach der übereinstimmenden An¬
sicht älterer und erfahrner Lehrer, die das Erreichbare nicht mit dem Un¬
erreichbarem vertauschen, würde genügen ein Grundgehalt von 1200 Mark.
Hierzu müßten gewährt werden zehn Alterszulagen in zwei Gruppen (Ord¬
nungen) von je fünf Jahren. Die Alterszulagen der ersten Ordnung müßten
mit je 150 Mark in je drei Jahren, die der zweiten Ordnung mit je
200 Mark in je zwei Jahren erfolgen. Außerdem wäre, wie dies auch bisher
geschehe» ist, eine Dienstwohnung in v-iwra zu gewähren oder eine Mietent¬
schädigung, die nach festen Prozentsätzen des aus dem Grundgehalte und den
Alterszulagen bestehenden Einkommens festzusetzen wäre. Dazu würden
Teuerungszulagen treten, die die Städte und die Landgemeinden ihren Lehrern
gewähren können.

Die in vorstehenden Ausführungen aufgestellten Forderungen gelten auch
für die Volksschullehrerinnen mit der Einschränkung, daß alle ihre Dienst¬
bezüge geringer sein müssen als die der Volksschullehrer. Es ist bekannt,
daß die Lehrerinnen in Preußen, wenn sie heiraten, ihr Amt aufgeben müssen;Grenb


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/25>, abgerufen am 23.06.2024.