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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Ziele und Aussichten der Gartenstadtbewegung

Gesundheitspflege und des Vereins für Volkshygiene) besondre Vortrüge über
die Ziele der Bewegung enthielten. Auch eine Reihe von Stadtverwaltungen
sind in neuerer Zeit der D. G. G. beigetreten.

Nach längern Vorbereitungen konnte im verfloßnen Jahre auch in Deutsch¬
land der Verwirklichung dieser Ziele nähergetreten werden. Im Mürz 1907
wurde die Genossenschaft "Gartenstadt Karlsruhe" gegründet, die sich die Auf¬
gabe stellt, zunächst auf einem 72 Hektar großen Gelände eine Gartenvorstadt
zu errichten. Das betreffende Grundstück gehört dem badischen Fiskus und soll
zu günstigen Bedingungen an die Genossenschaft abgegeben werden. Es sollen
ueben den Kleinwohnungsvicrteln auch Landhausviertel angelegt werden. Wir
finden unter den Genossen Mitglieder aller Bevölkerungsschichten vom Ge¬
heimrat bis zum ungelernten Arbeiter. Die künstlerischen Vorarbeiten hat
Professor Langer übernommen, sodaß man von der Siedlung auch neue bau¬
künstlerische Anregungen erwarten darf. Leider ist der Beginn der Bautätigkeit
durch das Fehlen einer Kanalisation hinausgezögert worden. Doch wird diese
Schwierigkeit bald überwunden sein, da die Stadt Karlsruhe, auf deren Ge¬
markung das Gelände liegt, die Anlage eines Entwässeruugskauals plant.

Umfangreicher als die Karlsruher Gründung ist die der "Gartenstadt
Helleren" bei Dresden. Hier handelt es sich um eine Flüche von 200 Hektar
auf der Gemarkung des Dörfchens Klotzsche. Eine gemeinnützige Gesellschaft
mit beschränkter Haftpflicht und auf 4 Prozent beschränkter Dividende soll das
Unternehmen finanzieren. Hinter dieser Gesellschaft stehn die Deutschen Werk¬
stätten für Handwerkskunst, die ihren Betrieb aufs Land hinaus verlegen und
in Zusammenhang damit eine Gartenstadt gründen wollen. Auch hier sollen
besondre Viertel für Kleinwohnungsbauten und für Landhäuser angelegt werden.
Der Bebauungsplan und die Entwürfe für die Werkstätten und Arbeiterhäuser
stammen von dem bekannten Architekten N. Riemerschmidt. Wie in Karlsruhe
soll auch hier die Spekulation durch genossenschaftliche Bautätigkeit und durch
Anwendung des Erbbaurechts und Wiederkcmfrechts ausgeschlossen werden.
Dabei sei erwähnt, daß auch in den deutschen Gründungen der Ausschaut
alkoholhaltiger Getränke nicht freigegeben wird. Vielmehr sollen hier die Vor¬
schläge des Deutschen Vereins für Gasthausreform verwirklicht werden, wonach
der Wirt als Beamter einer gemeinnützigen Korporation nur am Umsatz von
alkoholfreien Getränken und Speisen finanziell interessiert ist, und der Rein¬
gewinn, der durch die Abgabe von Wein und Bier erreicht wird, zu gemeinnützigen
Zwecken verwandt werden soll.

Von vornherein wird die Förderung mannigfacher Kulturbestrebungen ins
Auge gefaßt. Die schon jetzt von der rühmlich bekannten Firma eingerichteten
Lehrwerkstätten werden sich die Ausbildung einer hochqualifizierten Arbeiter¬
schaft zur Aufgabe machen. Eine großartige musikalische Organisation soll sich
unter der Führung des bekannten Musiklehrers Batka die musikalische Er¬
ziehung der Bevölkerung zur Aufgabe machen. Die Anlage eines Volkshauses


Die Ziele und Aussichten der Gartenstadtbewegung

Gesundheitspflege und des Vereins für Volkshygiene) besondre Vortrüge über
die Ziele der Bewegung enthielten. Auch eine Reihe von Stadtverwaltungen
sind in neuerer Zeit der D. G. G. beigetreten.

Nach längern Vorbereitungen konnte im verfloßnen Jahre auch in Deutsch¬
land der Verwirklichung dieser Ziele nähergetreten werden. Im Mürz 1907
wurde die Genossenschaft „Gartenstadt Karlsruhe" gegründet, die sich die Auf¬
gabe stellt, zunächst auf einem 72 Hektar großen Gelände eine Gartenvorstadt
zu errichten. Das betreffende Grundstück gehört dem badischen Fiskus und soll
zu günstigen Bedingungen an die Genossenschaft abgegeben werden. Es sollen
ueben den Kleinwohnungsvicrteln auch Landhausviertel angelegt werden. Wir
finden unter den Genossen Mitglieder aller Bevölkerungsschichten vom Ge¬
heimrat bis zum ungelernten Arbeiter. Die künstlerischen Vorarbeiten hat
Professor Langer übernommen, sodaß man von der Siedlung auch neue bau¬
künstlerische Anregungen erwarten darf. Leider ist der Beginn der Bautätigkeit
durch das Fehlen einer Kanalisation hinausgezögert worden. Doch wird diese
Schwierigkeit bald überwunden sein, da die Stadt Karlsruhe, auf deren Ge¬
markung das Gelände liegt, die Anlage eines Entwässeruugskauals plant.

Umfangreicher als die Karlsruher Gründung ist die der „Gartenstadt
Helleren" bei Dresden. Hier handelt es sich um eine Flüche von 200 Hektar
auf der Gemarkung des Dörfchens Klotzsche. Eine gemeinnützige Gesellschaft
mit beschränkter Haftpflicht und auf 4 Prozent beschränkter Dividende soll das
Unternehmen finanzieren. Hinter dieser Gesellschaft stehn die Deutschen Werk¬
stätten für Handwerkskunst, die ihren Betrieb aufs Land hinaus verlegen und
in Zusammenhang damit eine Gartenstadt gründen wollen. Auch hier sollen
besondre Viertel für Kleinwohnungsbauten und für Landhäuser angelegt werden.
Der Bebauungsplan und die Entwürfe für die Werkstätten und Arbeiterhäuser
stammen von dem bekannten Architekten N. Riemerschmidt. Wie in Karlsruhe
soll auch hier die Spekulation durch genossenschaftliche Bautätigkeit und durch
Anwendung des Erbbaurechts und Wiederkcmfrechts ausgeschlossen werden.
Dabei sei erwähnt, daß auch in den deutschen Gründungen der Ausschaut
alkoholhaltiger Getränke nicht freigegeben wird. Vielmehr sollen hier die Vor¬
schläge des Deutschen Vereins für Gasthausreform verwirklicht werden, wonach
der Wirt als Beamter einer gemeinnützigen Korporation nur am Umsatz von
alkoholfreien Getränken und Speisen finanziell interessiert ist, und der Rein¬
gewinn, der durch die Abgabe von Wein und Bier erreicht wird, zu gemeinnützigen
Zwecken verwandt werden soll.

Von vornherein wird die Förderung mannigfacher Kulturbestrebungen ins
Auge gefaßt. Die schon jetzt von der rühmlich bekannten Firma eingerichteten
Lehrwerkstätten werden sich die Ausbildung einer hochqualifizierten Arbeiter¬
schaft zur Aufgabe machen. Eine großartige musikalische Organisation soll sich
unter der Führung des bekannten Musiklehrers Batka die musikalische Er¬
ziehung der Bevölkerung zur Aufgabe machen. Die Anlage eines Volkshauses


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[0246] Die Ziele und Aussichten der Gartenstadtbewegung Gesundheitspflege und des Vereins für Volkshygiene) besondre Vortrüge über die Ziele der Bewegung enthielten. Auch eine Reihe von Stadtverwaltungen sind in neuerer Zeit der D. G. G. beigetreten. Nach längern Vorbereitungen konnte im verfloßnen Jahre auch in Deutsch¬ land der Verwirklichung dieser Ziele nähergetreten werden. Im Mürz 1907 wurde die Genossenschaft „Gartenstadt Karlsruhe" gegründet, die sich die Auf¬ gabe stellt, zunächst auf einem 72 Hektar großen Gelände eine Gartenvorstadt zu errichten. Das betreffende Grundstück gehört dem badischen Fiskus und soll zu günstigen Bedingungen an die Genossenschaft abgegeben werden. Es sollen ueben den Kleinwohnungsvicrteln auch Landhausviertel angelegt werden. Wir finden unter den Genossen Mitglieder aller Bevölkerungsschichten vom Ge¬ heimrat bis zum ungelernten Arbeiter. Die künstlerischen Vorarbeiten hat Professor Langer übernommen, sodaß man von der Siedlung auch neue bau¬ künstlerische Anregungen erwarten darf. Leider ist der Beginn der Bautätigkeit durch das Fehlen einer Kanalisation hinausgezögert worden. Doch wird diese Schwierigkeit bald überwunden sein, da die Stadt Karlsruhe, auf deren Ge¬ markung das Gelände liegt, die Anlage eines Entwässeruugskauals plant. Umfangreicher als die Karlsruher Gründung ist die der „Gartenstadt Helleren" bei Dresden. Hier handelt es sich um eine Flüche von 200 Hektar auf der Gemarkung des Dörfchens Klotzsche. Eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftpflicht und auf 4 Prozent beschränkter Dividende soll das Unternehmen finanzieren. Hinter dieser Gesellschaft stehn die Deutschen Werk¬ stätten für Handwerkskunst, die ihren Betrieb aufs Land hinaus verlegen und in Zusammenhang damit eine Gartenstadt gründen wollen. Auch hier sollen besondre Viertel für Kleinwohnungsbauten und für Landhäuser angelegt werden. Der Bebauungsplan und die Entwürfe für die Werkstätten und Arbeiterhäuser stammen von dem bekannten Architekten N. Riemerschmidt. Wie in Karlsruhe soll auch hier die Spekulation durch genossenschaftliche Bautätigkeit und durch Anwendung des Erbbaurechts und Wiederkcmfrechts ausgeschlossen werden. Dabei sei erwähnt, daß auch in den deutschen Gründungen der Ausschaut alkoholhaltiger Getränke nicht freigegeben wird. Vielmehr sollen hier die Vor¬ schläge des Deutschen Vereins für Gasthausreform verwirklicht werden, wonach der Wirt als Beamter einer gemeinnützigen Korporation nur am Umsatz von alkoholfreien Getränken und Speisen finanziell interessiert ist, und der Rein¬ gewinn, der durch die Abgabe von Wein und Bier erreicht wird, zu gemeinnützigen Zwecken verwandt werden soll. Von vornherein wird die Förderung mannigfacher Kulturbestrebungen ins Auge gefaßt. Die schon jetzt von der rühmlich bekannten Firma eingerichteten Lehrwerkstätten werden sich die Ausbildung einer hochqualifizierten Arbeiter¬ schaft zur Aufgabe machen. Eine großartige musikalische Organisation soll sich unter der Führung des bekannten Musiklehrers Batka die musikalische Er¬ ziehung der Bevölkerung zur Aufgabe machen. Die Anlage eines Volkshauses

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/246>, abgerufen am 22.07.2024.