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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Lehrerbesoldungsgesetz in Preußen

sehen kann, Forderungen, die in den weitesten Kreisen der Lehrerwelt als un¬
erläßlich angesehen werden:

1. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen in Preußen sollen in den
Städten und auf dem Lande alle das gleiche pcusionsfähige Diensteinkommen
beziehen, das sich aus einem überall gleichen Grundgehalt und aus einer
Anzahl überall gleicher Alterszulagen zusammensetzt. Zu diesem pensions-
fühigen Diensteinkommen soll überall eine Dienstwohnung oder eine den ört¬
lichen Verhältnissen entsprechende nicht pensionsfähige Mietentschädigung treten,
die natürlich nicht überall die gleiche sein kann. Eng verbunden mit dieser
Forderung steht die, daß alle Volksschullehrer und -lehrerinnen in den
Städten und auf dem Lande die gleiche ihrem Dienstalter entsprechende Pension
erhalten.

2. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen sollen nach Vollendung des
fünfundzwanzigsten, spätestens des dreißigsten Dienstjahres in das Maximum
ihres Diensteinkommens gelangen.

3. Das Diensteinkommen der Volksschullehrer und -lehrerinnen soll zu
jeder Zeit ihres amtlichen Lebens derart bemessen sein, daß es ihnen und ihren
Familien eine bescheidne Lebensführung sichert.

1. Die erste Forderung: gleiches Diensteinkommen für alle, macht zunächst
eine Prüfung der Frage notwendig, ob das Leben der Lehrer in den Städten,
insbesondre in den größern Städten, nicht teurer ist als das der Lehrer auf
dem Lande, und ob die ersten deshalb nicht ein höheres Diensteinkommen
beziehen müßten als die letzten. Der Lehrer auf dem Lande lebt billiger oder
kann doch in den meisten Fällen billiger leben als der Lehrer in der Stadt.
Zwar muß zugegeben werden, daß der Landlehrer die notwendigen Lebens¬
mittel, wie Brot, Milch. Butter, Eier usw. -- wenn er sie überhaupt er¬
hält --, mit geringen Ausnahmen ebenso teuer bezahlen muß wie der Stadt¬
lehrer; auch das muß zugegeben werden, daß gewisse Ausgaben für ihn größer
sind als für den städtischen Lehrer -- man denke nur an die hohen ärztlichen
Liquidationen in Krankheitsfällen und vor allem an die kostspielige Erziehung
der Kinder, die in den Städten erfolgen muß --, gleichwohl: im Gesamt¬
ergebnis stellt sich das Leben des Landschullehrcrs doch billiger als das des
Stadtschullehrers, da alle Lebensbeziehungen auf dem Lande einfacher und
billiger sind als in der Stadt. Auch das ist zu berücksichtigen, daß der Lehrer
auf dem Lande einen Teil seiner Lebensmittel mit verhältnismäßig geringen
Unkosten selbst produzieren kann und in sehr vielen Fällen anch tatsächlich
selbst produziert.

Ist dies richtig, kostet also den Lehrer in der Stadt seine Lebensführung
mehr als den Lehrer auf dem Lande, dann erscheint es billig, ihm auch ein
höheres Diensteinkommen zu gewähren als seinem ländlichen Kollegen. Dies
kann, ohne das Prinzip der Gleichstellung aller Lehrer in ihren pensions¬
fähigen Dienstbezügen zu verletzen, am einfachsten durch Gewährung nicht


Das Lehrerbesoldungsgesetz in Preußen

sehen kann, Forderungen, die in den weitesten Kreisen der Lehrerwelt als un¬
erläßlich angesehen werden:

1. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen in Preußen sollen in den
Städten und auf dem Lande alle das gleiche pcusionsfähige Diensteinkommen
beziehen, das sich aus einem überall gleichen Grundgehalt und aus einer
Anzahl überall gleicher Alterszulagen zusammensetzt. Zu diesem pensions-
fühigen Diensteinkommen soll überall eine Dienstwohnung oder eine den ört¬
lichen Verhältnissen entsprechende nicht pensionsfähige Mietentschädigung treten,
die natürlich nicht überall die gleiche sein kann. Eng verbunden mit dieser
Forderung steht die, daß alle Volksschullehrer und -lehrerinnen in den
Städten und auf dem Lande die gleiche ihrem Dienstalter entsprechende Pension
erhalten.

2. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen sollen nach Vollendung des
fünfundzwanzigsten, spätestens des dreißigsten Dienstjahres in das Maximum
ihres Diensteinkommens gelangen.

3. Das Diensteinkommen der Volksschullehrer und -lehrerinnen soll zu
jeder Zeit ihres amtlichen Lebens derart bemessen sein, daß es ihnen und ihren
Familien eine bescheidne Lebensführung sichert.

1. Die erste Forderung: gleiches Diensteinkommen für alle, macht zunächst
eine Prüfung der Frage notwendig, ob das Leben der Lehrer in den Städten,
insbesondre in den größern Städten, nicht teurer ist als das der Lehrer auf
dem Lande, und ob die ersten deshalb nicht ein höheres Diensteinkommen
beziehen müßten als die letzten. Der Lehrer auf dem Lande lebt billiger oder
kann doch in den meisten Fällen billiger leben als der Lehrer in der Stadt.
Zwar muß zugegeben werden, daß der Landlehrer die notwendigen Lebens¬
mittel, wie Brot, Milch. Butter, Eier usw. — wenn er sie überhaupt er¬
hält —, mit geringen Ausnahmen ebenso teuer bezahlen muß wie der Stadt¬
lehrer; auch das muß zugegeben werden, daß gewisse Ausgaben für ihn größer
sind als für den städtischen Lehrer — man denke nur an die hohen ärztlichen
Liquidationen in Krankheitsfällen und vor allem an die kostspielige Erziehung
der Kinder, die in den Städten erfolgen muß —, gleichwohl: im Gesamt¬
ergebnis stellt sich das Leben des Landschullehrcrs doch billiger als das des
Stadtschullehrers, da alle Lebensbeziehungen auf dem Lande einfacher und
billiger sind als in der Stadt. Auch das ist zu berücksichtigen, daß der Lehrer
auf dem Lande einen Teil seiner Lebensmittel mit verhältnismäßig geringen
Unkosten selbst produzieren kann und in sehr vielen Fällen anch tatsächlich
selbst produziert.

Ist dies richtig, kostet also den Lehrer in der Stadt seine Lebensführung
mehr als den Lehrer auf dem Lande, dann erscheint es billig, ihm auch ein
höheres Diensteinkommen zu gewähren als seinem ländlichen Kollegen. Dies
kann, ohne das Prinzip der Gleichstellung aller Lehrer in ihren pensions¬
fähigen Dienstbezügen zu verletzen, am einfachsten durch Gewährung nicht


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[0023] Das Lehrerbesoldungsgesetz in Preußen sehen kann, Forderungen, die in den weitesten Kreisen der Lehrerwelt als un¬ erläßlich angesehen werden: 1. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen in Preußen sollen in den Städten und auf dem Lande alle das gleiche pcusionsfähige Diensteinkommen beziehen, das sich aus einem überall gleichen Grundgehalt und aus einer Anzahl überall gleicher Alterszulagen zusammensetzt. Zu diesem pensions- fühigen Diensteinkommen soll überall eine Dienstwohnung oder eine den ört¬ lichen Verhältnissen entsprechende nicht pensionsfähige Mietentschädigung treten, die natürlich nicht überall die gleiche sein kann. Eng verbunden mit dieser Forderung steht die, daß alle Volksschullehrer und -lehrerinnen in den Städten und auf dem Lande die gleiche ihrem Dienstalter entsprechende Pension erhalten. 2. Die Volksschullehrer und -lehrerinnen sollen nach Vollendung des fünfundzwanzigsten, spätestens des dreißigsten Dienstjahres in das Maximum ihres Diensteinkommens gelangen. 3. Das Diensteinkommen der Volksschullehrer und -lehrerinnen soll zu jeder Zeit ihres amtlichen Lebens derart bemessen sein, daß es ihnen und ihren Familien eine bescheidne Lebensführung sichert. 1. Die erste Forderung: gleiches Diensteinkommen für alle, macht zunächst eine Prüfung der Frage notwendig, ob das Leben der Lehrer in den Städten, insbesondre in den größern Städten, nicht teurer ist als das der Lehrer auf dem Lande, und ob die ersten deshalb nicht ein höheres Diensteinkommen beziehen müßten als die letzten. Der Lehrer auf dem Lande lebt billiger oder kann doch in den meisten Fällen billiger leben als der Lehrer in der Stadt. Zwar muß zugegeben werden, daß der Landlehrer die notwendigen Lebens¬ mittel, wie Brot, Milch. Butter, Eier usw. — wenn er sie überhaupt er¬ hält —, mit geringen Ausnahmen ebenso teuer bezahlen muß wie der Stadt¬ lehrer; auch das muß zugegeben werden, daß gewisse Ausgaben für ihn größer sind als für den städtischen Lehrer — man denke nur an die hohen ärztlichen Liquidationen in Krankheitsfällen und vor allem an die kostspielige Erziehung der Kinder, die in den Städten erfolgen muß —, gleichwohl: im Gesamt¬ ergebnis stellt sich das Leben des Landschullehrcrs doch billiger als das des Stadtschullehrers, da alle Lebensbeziehungen auf dem Lande einfacher und billiger sind als in der Stadt. Auch das ist zu berücksichtigen, daß der Lehrer auf dem Lande einen Teil seiner Lebensmittel mit verhältnismäßig geringen Unkosten selbst produzieren kann und in sehr vielen Fällen anch tatsächlich selbst produziert. Ist dies richtig, kostet also den Lehrer in der Stadt seine Lebensführung mehr als den Lehrer auf dem Lande, dann erscheint es billig, ihm auch ein höheres Diensteinkommen zu gewähren als seinem ländlichen Kollegen. Dies kann, ohne das Prinzip der Gleichstellung aller Lehrer in ihren pensions¬ fähigen Dienstbezügen zu verletzen, am einfachsten durch Gewährung nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/23>, abgerufen am 22.07.2024.