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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Gberlehrer Haut

Der hätte doch ruhig essen können, nicht wahr!

Die Mittagsmahlzeit ist der Mittelpunkt des häuslichen Zusammenlebens, Haut.
Das habe ich nie außer acht gelassen, namentlich der Kinder wegen. Hier ver¬
sammeln sie sich mit uns, und von hier aus nehmen sie ihre schönsten Eindrücke
mit ins Leben hinaus, wenn sie einstmals, wie es Gottes Wille mit uns Menschen
ist, ihr Heim verlassen sollen. Ach ja, der Tag kommt früh genug, wo wir hier
allein sitzen, ach ja!

Ein vorzüglicher Dorsch, du, Juliane, ganz vorzüglich!

Du weißt, Fisch kann es gar nicht vertragen, wenn er stehn muß --

Weißt du, es war sehr wichtig, die Sache heute zu erledigen. Es war ja
eine schlimme Geschichte sür den Direktor, dieses plötzliche --

Du hast doch wohl nicht zu viele Stunden übernommen, Haut! Bedenke, wir
müssen haushalten mit unsern Kräften, der Kinder wegen!

Ich habe gar keine Stunden übernommen, du!

Ach, hat es sich so geregelt! sagte Berry ermunternd.

Ja, die Sache hat einen ganz unerwarteten Ausgang genommen. Unser Freund
Svend Bugge hat die Stelle des Hilfslehrers Veto vertretungsweise übernommen.
Das heißt, er wird sie erhalten --

Herr Bugge? Aber -- er wollte ja heute abend abreisen . . .

Ja, Juliane, aber nun wird er heute abend nicht reisen.

Ich wundre mich sehr über den Direktor!

Aber warum denn nur?

Diesen ganz jungen und doch sehr unfertigen Menschen anzustellen!

Er ist ja, wie du weißt, ein ungewöhnlich tüchtiger Mensch.

Du bist so kurzsichtig, Haut! Für mich ist die Hauptsache der rein persönliche
Einfluß eines Lehrers auf die Jugend. Und da will es mir scheinen, als ob der
Direktor eine große Unvorsichtigkeit beginge, indem er diesen ihm völlig unbekannten
Menschen in einem so wichtigen Fach anstellt.

Svend Bugge ist uns doch kein völlig unbekannter Mensch, Juliane --

Ach nein, ich kann mir denken, daß du ihn empfohlen hast.

Ich hatte doch keinen Grund, ihm entgegenzuarbeiten --

Es will mir scheinen, als wenn du hier eine recht große Verantwortung auf
dich geladen hättest, Haut. Der junge Herr Bugge flößt mir nicht das Vertrauen
und deu Respekt ein, die ich als Mutter für den Erzieher meines Kindes bean¬
spruchen muß.

Aber liebe Juliane, denke doch nur an den guten Veto!

Es ist unrecht von dir, herabsetzend von Herrn Veto zu sprechen, der eine
ganze Reihe von Jahren seine Pflicht getan und an deiner Seite gearbeitet hat.

Der Rest der Mahlzeit wurde schweigend eingenommen. -- --

Als Svend Bugge am Abend kam, war Frau Haut zu Bett gegangen. Ihr
war nicht wohl.

(Fortsetzung folgt)




Gberlehrer Haut

Der hätte doch ruhig essen können, nicht wahr!

Die Mittagsmahlzeit ist der Mittelpunkt des häuslichen Zusammenlebens, Haut.
Das habe ich nie außer acht gelassen, namentlich der Kinder wegen. Hier ver¬
sammeln sie sich mit uns, und von hier aus nehmen sie ihre schönsten Eindrücke
mit ins Leben hinaus, wenn sie einstmals, wie es Gottes Wille mit uns Menschen
ist, ihr Heim verlassen sollen. Ach ja, der Tag kommt früh genug, wo wir hier
allein sitzen, ach ja!

Ein vorzüglicher Dorsch, du, Juliane, ganz vorzüglich!

Du weißt, Fisch kann es gar nicht vertragen, wenn er stehn muß —

Weißt du, es war sehr wichtig, die Sache heute zu erledigen. Es war ja
eine schlimme Geschichte sür den Direktor, dieses plötzliche —

Du hast doch wohl nicht zu viele Stunden übernommen, Haut! Bedenke, wir
müssen haushalten mit unsern Kräften, der Kinder wegen!

Ich habe gar keine Stunden übernommen, du!

Ach, hat es sich so geregelt! sagte Berry ermunternd.

Ja, die Sache hat einen ganz unerwarteten Ausgang genommen. Unser Freund
Svend Bugge hat die Stelle des Hilfslehrers Veto vertretungsweise übernommen.
Das heißt, er wird sie erhalten —

Herr Bugge? Aber — er wollte ja heute abend abreisen . . .

Ja, Juliane, aber nun wird er heute abend nicht reisen.

Ich wundre mich sehr über den Direktor!

Aber warum denn nur?

Diesen ganz jungen und doch sehr unfertigen Menschen anzustellen!

Er ist ja, wie du weißt, ein ungewöhnlich tüchtiger Mensch.

Du bist so kurzsichtig, Haut! Für mich ist die Hauptsache der rein persönliche
Einfluß eines Lehrers auf die Jugend. Und da will es mir scheinen, als ob der
Direktor eine große Unvorsichtigkeit beginge, indem er diesen ihm völlig unbekannten
Menschen in einem so wichtigen Fach anstellt.

Svend Bugge ist uns doch kein völlig unbekannter Mensch, Juliane —

Ach nein, ich kann mir denken, daß du ihn empfohlen hast.

Ich hatte doch keinen Grund, ihm entgegenzuarbeiten —

Es will mir scheinen, als wenn du hier eine recht große Verantwortung auf
dich geladen hättest, Haut. Der junge Herr Bugge flößt mir nicht das Vertrauen
und deu Respekt ein, die ich als Mutter für den Erzieher meines Kindes bean¬
spruchen muß.

Aber liebe Juliane, denke doch nur an den guten Veto!

Es ist unrecht von dir, herabsetzend von Herrn Veto zu sprechen, der eine
ganze Reihe von Jahren seine Pflicht getan und an deiner Seite gearbeitet hat.

Der Rest der Mahlzeit wurde schweigend eingenommen. — —

Als Svend Bugge am Abend kam, war Frau Haut zu Bett gegangen. Ihr
war nicht wohl.

(Fortsetzung folgt)




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[0156] Gberlehrer Haut Der hätte doch ruhig essen können, nicht wahr! Die Mittagsmahlzeit ist der Mittelpunkt des häuslichen Zusammenlebens, Haut. Das habe ich nie außer acht gelassen, namentlich der Kinder wegen. Hier ver¬ sammeln sie sich mit uns, und von hier aus nehmen sie ihre schönsten Eindrücke mit ins Leben hinaus, wenn sie einstmals, wie es Gottes Wille mit uns Menschen ist, ihr Heim verlassen sollen. Ach ja, der Tag kommt früh genug, wo wir hier allein sitzen, ach ja! Ein vorzüglicher Dorsch, du, Juliane, ganz vorzüglich! Du weißt, Fisch kann es gar nicht vertragen, wenn er stehn muß — Weißt du, es war sehr wichtig, die Sache heute zu erledigen. Es war ja eine schlimme Geschichte sür den Direktor, dieses plötzliche — Du hast doch wohl nicht zu viele Stunden übernommen, Haut! Bedenke, wir müssen haushalten mit unsern Kräften, der Kinder wegen! Ich habe gar keine Stunden übernommen, du! Ach, hat es sich so geregelt! sagte Berry ermunternd. Ja, die Sache hat einen ganz unerwarteten Ausgang genommen. Unser Freund Svend Bugge hat die Stelle des Hilfslehrers Veto vertretungsweise übernommen. Das heißt, er wird sie erhalten — Herr Bugge? Aber — er wollte ja heute abend abreisen . . . Ja, Juliane, aber nun wird er heute abend nicht reisen. Ich wundre mich sehr über den Direktor! Aber warum denn nur? Diesen ganz jungen und doch sehr unfertigen Menschen anzustellen! Er ist ja, wie du weißt, ein ungewöhnlich tüchtiger Mensch. Du bist so kurzsichtig, Haut! Für mich ist die Hauptsache der rein persönliche Einfluß eines Lehrers auf die Jugend. Und da will es mir scheinen, als ob der Direktor eine große Unvorsichtigkeit beginge, indem er diesen ihm völlig unbekannten Menschen in einem so wichtigen Fach anstellt. Svend Bugge ist uns doch kein völlig unbekannter Mensch, Juliane — Ach nein, ich kann mir denken, daß du ihn empfohlen hast. Ich hatte doch keinen Grund, ihm entgegenzuarbeiten — Es will mir scheinen, als wenn du hier eine recht große Verantwortung auf dich geladen hättest, Haut. Der junge Herr Bugge flößt mir nicht das Vertrauen und deu Respekt ein, die ich als Mutter für den Erzieher meines Kindes bean¬ spruchen muß. Aber liebe Juliane, denke doch nur an den guten Veto! Es ist unrecht von dir, herabsetzend von Herrn Veto zu sprechen, der eine ganze Reihe von Jahren seine Pflicht getan und an deiner Seite gearbeitet hat. Der Rest der Mahlzeit wurde schweigend eingenommen. — — Als Svend Bugge am Abend kam, war Frau Haut zu Bett gegangen. Ihr war nicht wohl. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/156>, abgerufen am 24.08.2024.