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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Oberlehrer Haut

Nein nein nein, das ist ja ganz unmöglich!

Svend Bugge sah fragend auf.

Ja, denn Berry -- wir -- das heißt, meine Frau -- nein nein nein, das
müssen Sie sich aus dem Sinne schlagen, mein lieber junger Freund! Reisen Sie
nur! Lassen Sie sich hier nicht festhalten, es wird für Sie ja nur ein Unglück!

Aber warum denn?

Es ist mit Berry anders bestimmt.

Ist sie, ist sie -- mit einem andern verlobt?

Nein nein, nicht so. Aber sehn Sie, meine Frau -- da ist ein Freund unsers
Hauses -- der...

Ach, Herr Oberlehrer, Sie müssen offen mit mir reden!

Da Sie mir so offen und schön Ihr Vertrauen geschenkt haben, mein junger
Freund, so will ich Ihnen die Wahrheit nicht vorenthalten. Unser lieber Pastor
Kalkart hat seine Gefühle für Berry -- ihrer Mutter, meiner Frau anvertraut -- ja,
wir glauben uns dem nicht entgegenstellen zu dürfen --

Hat Pastor Kalkart um Berry angehalten?

Nein nein nein, er hat sich nur meiner Frau anvertraut. Berry ist ja noch
so jung, man muß noch warten --

Svend Bugge stand einen Augenblick regungslos da, dann warf er den Kopf
in den Nacken: Verhelfen Sie mir zu der Anstellung an der Schule, Herr Ober¬
lehrer! Der Wissenschaft wegen bin ich unbesorgt. Und vor Pastor Kalkart bin ich
auch nicht bange!

Der Oberlehrer fing an, sinnend auf und nieder zu gehn.

Halten Sie es für unmöglich, daß ich die Stellung bekommen würde?

Nein, mein lieber Freund, da dies nun einmal Ihr Wille ist, und ich Sie
keineswegs daran hindern kann -- ja, da kann ich Ihnen ja sagen, daß sich der
Direktor gestern bei mir nach Ihnen erkundigt hat. Aber ich sagte, Sie wollten
abreisen --

Und der Herr Direktor hat telegraphiert -- ach, Herr Oberlehrer, haben Sie
die große Güte, und gehn Sie gleich mit mir nach der Schule zurück, zum Direktor!

Der Oberlehrer sah nach der Uhr.

Bei meiner Frau ist es gewiß schon Mittagszeit --

Aber dann telephonieren Sie dem Herrn Direktor gleich von Ihrem Hause
aus --

Nein nein nein, was denken Sie nur! Das Telephon ist in unsrer Eß-
stube -- und ja, dies sind ja vertrauliche Sachen, meine ich ...

In Svend Bugges Augen blitzte es schelmisch auf. Er blieb stehn und legte
die Hand flehend auf den Arm des Oberlehrers: Dann kommen Sie und tele¬
phonieren Sie von des Direktors Zimmer aus, daß Sie heute ein wenig später
zum Essen kommen würden!

Der Oberlehrer stand da und sah unruhig vor sich hin.

Wenn ich nun doch so hübsch bitte, Herr Oberlehrer!

Jetzt lächelte der Oberlehrer.

Sie sind ein gefährlicher Bursche, sagte er. Und damit wandten sie sich beide
der Stadt zu



Aber, liebe Juliane, warum habt ihr denn nicht gegessen? Es war doch ganz
überflüssig, auf mich zu warten!

Lieber Haut. du weißt doch, daß ich die Mahlzeiten heilig halte. Für mich
hat es ja nichts zu sagen, aber der arme Julius --


Oberlehrer Haut

Nein nein nein, das ist ja ganz unmöglich!

Svend Bugge sah fragend auf.

Ja, denn Berry — wir — das heißt, meine Frau — nein nein nein, das
müssen Sie sich aus dem Sinne schlagen, mein lieber junger Freund! Reisen Sie
nur! Lassen Sie sich hier nicht festhalten, es wird für Sie ja nur ein Unglück!

Aber warum denn?

Es ist mit Berry anders bestimmt.

Ist sie, ist sie — mit einem andern verlobt?

Nein nein, nicht so. Aber sehn Sie, meine Frau — da ist ein Freund unsers
Hauses — der...

Ach, Herr Oberlehrer, Sie müssen offen mit mir reden!

Da Sie mir so offen und schön Ihr Vertrauen geschenkt haben, mein junger
Freund, so will ich Ihnen die Wahrheit nicht vorenthalten. Unser lieber Pastor
Kalkart hat seine Gefühle für Berry — ihrer Mutter, meiner Frau anvertraut — ja,
wir glauben uns dem nicht entgegenstellen zu dürfen —

Hat Pastor Kalkart um Berry angehalten?

Nein nein nein, er hat sich nur meiner Frau anvertraut. Berry ist ja noch
so jung, man muß noch warten —

Svend Bugge stand einen Augenblick regungslos da, dann warf er den Kopf
in den Nacken: Verhelfen Sie mir zu der Anstellung an der Schule, Herr Ober¬
lehrer! Der Wissenschaft wegen bin ich unbesorgt. Und vor Pastor Kalkart bin ich
auch nicht bange!

Der Oberlehrer fing an, sinnend auf und nieder zu gehn.

Halten Sie es für unmöglich, daß ich die Stellung bekommen würde?

Nein, mein lieber Freund, da dies nun einmal Ihr Wille ist, und ich Sie
keineswegs daran hindern kann — ja, da kann ich Ihnen ja sagen, daß sich der
Direktor gestern bei mir nach Ihnen erkundigt hat. Aber ich sagte, Sie wollten
abreisen —

Und der Herr Direktor hat telegraphiert — ach, Herr Oberlehrer, haben Sie
die große Güte, und gehn Sie gleich mit mir nach der Schule zurück, zum Direktor!

Der Oberlehrer sah nach der Uhr.

Bei meiner Frau ist es gewiß schon Mittagszeit —

Aber dann telephonieren Sie dem Herrn Direktor gleich von Ihrem Hause
aus —

Nein nein nein, was denken Sie nur! Das Telephon ist in unsrer Eß-
stube — und ja, dies sind ja vertrauliche Sachen, meine ich ...

In Svend Bugges Augen blitzte es schelmisch auf. Er blieb stehn und legte
die Hand flehend auf den Arm des Oberlehrers: Dann kommen Sie und tele¬
phonieren Sie von des Direktors Zimmer aus, daß Sie heute ein wenig später
zum Essen kommen würden!

Der Oberlehrer stand da und sah unruhig vor sich hin.

Wenn ich nun doch so hübsch bitte, Herr Oberlehrer!

Jetzt lächelte der Oberlehrer.

Sie sind ein gefährlicher Bursche, sagte er. Und damit wandten sie sich beide
der Stadt zu



Aber, liebe Juliane, warum habt ihr denn nicht gegessen? Es war doch ganz
überflüssig, auf mich zu warten!

Lieber Haut. du weißt doch, daß ich die Mahlzeiten heilig halte. Für mich
hat es ja nichts zu sagen, aber der arme Julius —


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[0155] Oberlehrer Haut Nein nein nein, das ist ja ganz unmöglich! Svend Bugge sah fragend auf. Ja, denn Berry — wir — das heißt, meine Frau — nein nein nein, das müssen Sie sich aus dem Sinne schlagen, mein lieber junger Freund! Reisen Sie nur! Lassen Sie sich hier nicht festhalten, es wird für Sie ja nur ein Unglück! Aber warum denn? Es ist mit Berry anders bestimmt. Ist sie, ist sie — mit einem andern verlobt? Nein nein, nicht so. Aber sehn Sie, meine Frau — da ist ein Freund unsers Hauses — der... Ach, Herr Oberlehrer, Sie müssen offen mit mir reden! Da Sie mir so offen und schön Ihr Vertrauen geschenkt haben, mein junger Freund, so will ich Ihnen die Wahrheit nicht vorenthalten. Unser lieber Pastor Kalkart hat seine Gefühle für Berry — ihrer Mutter, meiner Frau anvertraut — ja, wir glauben uns dem nicht entgegenstellen zu dürfen — Hat Pastor Kalkart um Berry angehalten? Nein nein nein, er hat sich nur meiner Frau anvertraut. Berry ist ja noch so jung, man muß noch warten — Svend Bugge stand einen Augenblick regungslos da, dann warf er den Kopf in den Nacken: Verhelfen Sie mir zu der Anstellung an der Schule, Herr Ober¬ lehrer! Der Wissenschaft wegen bin ich unbesorgt. Und vor Pastor Kalkart bin ich auch nicht bange! Der Oberlehrer fing an, sinnend auf und nieder zu gehn. Halten Sie es für unmöglich, daß ich die Stellung bekommen würde? Nein, mein lieber Freund, da dies nun einmal Ihr Wille ist, und ich Sie keineswegs daran hindern kann — ja, da kann ich Ihnen ja sagen, daß sich der Direktor gestern bei mir nach Ihnen erkundigt hat. Aber ich sagte, Sie wollten abreisen — Und der Herr Direktor hat telegraphiert — ach, Herr Oberlehrer, haben Sie die große Güte, und gehn Sie gleich mit mir nach der Schule zurück, zum Direktor! Der Oberlehrer sah nach der Uhr. Bei meiner Frau ist es gewiß schon Mittagszeit — Aber dann telephonieren Sie dem Herrn Direktor gleich von Ihrem Hause aus — Nein nein nein, was denken Sie nur! Das Telephon ist in unsrer Eß- stube — und ja, dies sind ja vertrauliche Sachen, meine ich ... In Svend Bugges Augen blitzte es schelmisch auf. Er blieb stehn und legte die Hand flehend auf den Arm des Oberlehrers: Dann kommen Sie und tele¬ phonieren Sie von des Direktors Zimmer aus, daß Sie heute ein wenig später zum Essen kommen würden! Der Oberlehrer stand da und sah unruhig vor sich hin. Wenn ich nun doch so hübsch bitte, Herr Oberlehrer! Jetzt lächelte der Oberlehrer. Sie sind ein gefährlicher Bursche, sagte er. Und damit wandten sie sich beide der Stadt zu Aber, liebe Juliane, warum habt ihr denn nicht gegessen? Es war doch ganz überflüssig, auf mich zu warten! Lieber Haut. du weißt doch, daß ich die Mahlzeiten heilig halte. Für mich hat es ja nichts zu sagen, aber der arme Julius —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/155>, abgerufen am 22.07.2024.