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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Persien

dieser inoitiö ^8L0Q, inoitiö ?room^1 in seinen heroischen Stücken an den
Provenzalen Joffroy Rudel der krinvesss lointaine und den Gascogner Cyrano
de Bergerac erinnert.

So haben wir denn gesehen, wie sich in dem offiziellen Nachruf zu Ehren
eines geistesverwandten Vorgängers Rostands Eigenart offenbart, wie sein
dichterisches Wesen und seine individuelle Sprache überall zum Durchbruch
kommen, ja wie wir gewisse wertvolle Aufschlüsse zur Beurteilung seiner dich¬
terischen Entwicklung herausheben konnten.

Das Publikum, das weit über Frankreichs Grenzen hinaus sich von diesem
Neuromantiker hat begeistern lassen, sehnt sich nach neuen Gaben seiner Muse.
Möchte der Dichter bald die Hoffnungen erfüllen, die man nach seinen großen
Erfolgen hegen dürfte; denn ein für das Edle und Schöne begeisterter Dichter
hat Pflichten gegen die, die sich in unsrer an Idealen so armen Zeit willig in
seinen Bann ziehen lassen.




Persien
Land und Leute in j)erhielt

is vor einem Jahre die seltsame Kunde zu uns kam, daß sich der
am schlechtesten regierte aller mohammedanischer Staaten, Persien,
eine Verfassung gegeben und, dem russischen Vorbilde folgend, eine
Art Parlament zusammenberufen habe, konnte man die dazu ge¬
gebne Begründung mit der bestehenden Unzufriedenheit des persischen
- Volkes über die Mißwirtschaft sehr wohl verstehen. Eigentümlich
berührte es nur, daß sich bei den damit einhergehenden Unruhen immer Tausende
von Persern in die Gärten der englischen Gesandtschaft flüchteten und hier
wochenlang Aufnahme fanden, während die Hauptstütze der Regierung aus der
unter russischem Einfluß stehenden sogenannten Kosakenbrigade bestand. Bald
nach diesen Vorgängen kam die Nachricht, daß über eine russisch-englische An¬
leihe für Persien verhandelt würde, sowie daß zwischen den beiden rivalisierenden
Staaten Verhandlungen über eine Verständigung im Werke seien. Nachdem
sich diese Verhandlungen Monate hingezogen hatten, sodciß schon an dem Zu¬
standekommen einer Einigung gezweifelt wurde, sind sie nun durch den am
31. August ratifizierten Vertrag zum Abschluß gekommen. In dem Vertrage
verpflichten sich beide Teile, die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu
achten, bezeichnen aber zugleich die an ihren Grenzen liegenden Gebiete, die als
die gegenseitigen Interessensphären anzusehen sind.

Für England bedeutet der Vertrag die Vollendung eines Schutzwalles vor
seinen indischen Grenzen, für Rußland das Aufgeben einer seit einem Jahr¬
hundert mit unermüdlicher Ausdauer betriebnen und bisher erfolgreich gewesnen
Politik, die langsam und sicher dem Ziele zustrebte, den Indischen Ozean zu
erreichen. Die Verwirklichung dieses alten russischen Traumes ist nunmehr, so¬
lange der Vertrag besteht, ausgeschlossen, ebenso die Möglichkeit, England in
Asien ernstlich entgegentreten zu können. Wir werden später sehen, wie nahe


Persien

dieser inoitiö ^8L0Q, inoitiö ?room^1 in seinen heroischen Stücken an den
Provenzalen Joffroy Rudel der krinvesss lointaine und den Gascogner Cyrano
de Bergerac erinnert.

So haben wir denn gesehen, wie sich in dem offiziellen Nachruf zu Ehren
eines geistesverwandten Vorgängers Rostands Eigenart offenbart, wie sein
dichterisches Wesen und seine individuelle Sprache überall zum Durchbruch
kommen, ja wie wir gewisse wertvolle Aufschlüsse zur Beurteilung seiner dich¬
terischen Entwicklung herausheben konnten.

Das Publikum, das weit über Frankreichs Grenzen hinaus sich von diesem
Neuromantiker hat begeistern lassen, sehnt sich nach neuen Gaben seiner Muse.
Möchte der Dichter bald die Hoffnungen erfüllen, die man nach seinen großen
Erfolgen hegen dürfte; denn ein für das Edle und Schöne begeisterter Dichter
hat Pflichten gegen die, die sich in unsrer an Idealen so armen Zeit willig in
seinen Bann ziehen lassen.




Persien
Land und Leute in j)erhielt

is vor einem Jahre die seltsame Kunde zu uns kam, daß sich der
am schlechtesten regierte aller mohammedanischer Staaten, Persien,
eine Verfassung gegeben und, dem russischen Vorbilde folgend, eine
Art Parlament zusammenberufen habe, konnte man die dazu ge¬
gebne Begründung mit der bestehenden Unzufriedenheit des persischen
- Volkes über die Mißwirtschaft sehr wohl verstehen. Eigentümlich
berührte es nur, daß sich bei den damit einhergehenden Unruhen immer Tausende
von Persern in die Gärten der englischen Gesandtschaft flüchteten und hier
wochenlang Aufnahme fanden, während die Hauptstütze der Regierung aus der
unter russischem Einfluß stehenden sogenannten Kosakenbrigade bestand. Bald
nach diesen Vorgängen kam die Nachricht, daß über eine russisch-englische An¬
leihe für Persien verhandelt würde, sowie daß zwischen den beiden rivalisierenden
Staaten Verhandlungen über eine Verständigung im Werke seien. Nachdem
sich diese Verhandlungen Monate hingezogen hatten, sodciß schon an dem Zu¬
standekommen einer Einigung gezweifelt wurde, sind sie nun durch den am
31. August ratifizierten Vertrag zum Abschluß gekommen. In dem Vertrage
verpflichten sich beide Teile, die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu
achten, bezeichnen aber zugleich die an ihren Grenzen liegenden Gebiete, die als
die gegenseitigen Interessensphären anzusehen sind.

Für England bedeutet der Vertrag die Vollendung eines Schutzwalles vor
seinen indischen Grenzen, für Rußland das Aufgeben einer seit einem Jahr¬
hundert mit unermüdlicher Ausdauer betriebnen und bisher erfolgreich gewesnen
Politik, die langsam und sicher dem Ziele zustrebte, den Indischen Ozean zu
erreichen. Die Verwirklichung dieses alten russischen Traumes ist nunmehr, so¬
lange der Vertrag besteht, ausgeschlossen, ebenso die Möglichkeit, England in
Asien ernstlich entgegentreten zu können. Wir werden später sehen, wie nahe


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[0098] Persien dieser inoitiö ^8L0Q, inoitiö ?room^1 in seinen heroischen Stücken an den Provenzalen Joffroy Rudel der krinvesss lointaine und den Gascogner Cyrano de Bergerac erinnert. So haben wir denn gesehen, wie sich in dem offiziellen Nachruf zu Ehren eines geistesverwandten Vorgängers Rostands Eigenart offenbart, wie sein dichterisches Wesen und seine individuelle Sprache überall zum Durchbruch kommen, ja wie wir gewisse wertvolle Aufschlüsse zur Beurteilung seiner dich¬ terischen Entwicklung herausheben konnten. Das Publikum, das weit über Frankreichs Grenzen hinaus sich von diesem Neuromantiker hat begeistern lassen, sehnt sich nach neuen Gaben seiner Muse. Möchte der Dichter bald die Hoffnungen erfüllen, die man nach seinen großen Erfolgen hegen dürfte; denn ein für das Edle und Schöne begeisterter Dichter hat Pflichten gegen die, die sich in unsrer an Idealen so armen Zeit willig in seinen Bann ziehen lassen. Persien Land und Leute in j)erhielt is vor einem Jahre die seltsame Kunde zu uns kam, daß sich der am schlechtesten regierte aller mohammedanischer Staaten, Persien, eine Verfassung gegeben und, dem russischen Vorbilde folgend, eine Art Parlament zusammenberufen habe, konnte man die dazu ge¬ gebne Begründung mit der bestehenden Unzufriedenheit des persischen - Volkes über die Mißwirtschaft sehr wohl verstehen. Eigentümlich berührte es nur, daß sich bei den damit einhergehenden Unruhen immer Tausende von Persern in die Gärten der englischen Gesandtschaft flüchteten und hier wochenlang Aufnahme fanden, während die Hauptstütze der Regierung aus der unter russischem Einfluß stehenden sogenannten Kosakenbrigade bestand. Bald nach diesen Vorgängen kam die Nachricht, daß über eine russisch-englische An¬ leihe für Persien verhandelt würde, sowie daß zwischen den beiden rivalisierenden Staaten Verhandlungen über eine Verständigung im Werke seien. Nachdem sich diese Verhandlungen Monate hingezogen hatten, sodciß schon an dem Zu¬ standekommen einer Einigung gezweifelt wurde, sind sie nun durch den am 31. August ratifizierten Vertrag zum Abschluß gekommen. In dem Vertrage verpflichten sich beide Teile, die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu achten, bezeichnen aber zugleich die an ihren Grenzen liegenden Gebiete, die als die gegenseitigen Interessensphären anzusehen sind. Für England bedeutet der Vertrag die Vollendung eines Schutzwalles vor seinen indischen Grenzen, für Rußland das Aufgeben einer seit einem Jahr¬ hundert mit unermüdlicher Ausdauer betriebnen und bisher erfolgreich gewesnen Politik, die langsam und sicher dem Ziele zustrebte, den Indischen Ozean zu erreichen. Die Verwirklichung dieses alten russischen Traumes ist nunmehr, so¬ lange der Vertrag besteht, ausgeschlossen, ebenso die Möglichkeit, England in Asien ernstlich entgegentreten zu können. Wir werden später sehen, wie nahe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/98>, abgerufen am 01.07.2024.