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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Edmond Rostand

an die tollkühne Flucht Flambeaus aus dem Schlosse zu Schönbrunn. Und
nun die Sprache Rostands!

Das, was jedem Leser seiner Dramen zunächst auffällt, ist sein verblüffend
reicher Wortschatz. Auch seine Rede legt von seinem umfangreichen Vokabular
Zeugnis ab, das die Aufnahme von Dialektworten und Neubildungen nicht
scheut, gelegentlich familiäre Ausdrücke heranzieht, ja selbst beim ^rZst dann
und wann eine Anleihe macht. Manches Wort mag am 4. Juni 1903 bei
den die Reinheit und Feinheit der französischen Sprache pflegenden Mitgliedern
der Akademie ein leichtes Befremden hervorgerufen haben. Mag es noch hin¬
gehen, daß der Dichter des weinreichen Südens ig, voutonrs, ig. orvssstts,
is vnevsln einführt, unbekümmert, ob ihm die andern Unsterblichen zu folgen
verstehen, wollen wir anch dankbar darüber quittieren, daß auch er dem lsit-
ro.ot.lo Heimatrecht verleiht, aber Neologismen wie Mujgtsris oder vsulsris
in-illgnts, Anglicismen wie rnklign, das familiäre an ronron ä'uns sgnssris
instruetivs, besonders aber die kühne Verbindung iss grgsss stsroorgires mögen
nicht oft unter der Kuppel des Institut as Kranes vernommen worden sein.

Die Biegsamkeit seiner Sprache, seine Lust zum Fabulieren offenbart auch
seine Rede. Was er anfaßt, wandelt er zum dramatisch belebten Bilde. Ein
paar sicher geführte Striche genügen, die äußere Gestalt seines Vorgängers
greifbar deutlich vor unsern Augen erstehen zu lassen: um visux xetit Asntil-
noinnis as rorngn, original, vit se von, goss uns llgnrs ross doues ingngss
6s diu-os ä'gi'FSnt, ass vsux ä'sgu olgirs, als ininnsenlss rngins toujours
ggit.s's se irs<iueininsnt ssogrnotsss xgr ass rogvolisttss vgstss, se ,js us sgis
c^uslls grgss as ggnonsris un xsu kgntgsti^us ani ruf 1s kg.isg.it snoors s.x-
xgrgltrs somnus 1s Kovolä as ig rrgZMs.

Wie pathetisch und fein ironisch erzählt er dann, wie dieser "kleine Däum¬
ling" im Zauberwalde der Niesen vursnägl und ^ovsuss, die mächtigen Schwerter
Rolands und Karls des Großen, zu schwingen sucht. Wie ergreifend schildert er
sein eignes letztes Zusammentreffen mit Gaston Paris in der Nähe der Stelle, wo
Roland einst verblutete. "Ich wollte hinabsteigen, um nicht selbst als dritter
zwischen ihm und Karl dem Großen zu stehen. Unter einer Eiche, dem Abbild
seines Geistes, nahe einer Quelle, dem Abbild seines lautern Gewissens, winkte
er mir einen letzten Scheidegruß zu. Dann, bei einer Wendung der Straße,
verschwand er... wie er soeben unsern Blicken entschwunden ist,*) um weiter
zu steigen!" Hier, wie so oft, sucht Rostand zu wirken durch wirksam zuge¬
spitzte Antithesen, scharfe Pointen und plastische Vergleiche.

Ein reiches Sprühfeuer witziger Bemerkungen durchblitzt die ganze Rede,
in der unser Dichter debütiert, sous ig eouxols se ägns ig xross. Man hat
ihn auf den verwaisten Platz des Verfassers der Mls as KolgM berufen, wohl
nur deshalb, weil er sich auf zufälliger Wandrung "Roncevaux am nächsten"



G. Paris war am S. März desselben Jahres gestorben.
Edmond Rostand

an die tollkühne Flucht Flambeaus aus dem Schlosse zu Schönbrunn. Und
nun die Sprache Rostands!

Das, was jedem Leser seiner Dramen zunächst auffällt, ist sein verblüffend
reicher Wortschatz. Auch seine Rede legt von seinem umfangreichen Vokabular
Zeugnis ab, das die Aufnahme von Dialektworten und Neubildungen nicht
scheut, gelegentlich familiäre Ausdrücke heranzieht, ja selbst beim ^rZst dann
und wann eine Anleihe macht. Manches Wort mag am 4. Juni 1903 bei
den die Reinheit und Feinheit der französischen Sprache pflegenden Mitgliedern
der Akademie ein leichtes Befremden hervorgerufen haben. Mag es noch hin¬
gehen, daß der Dichter des weinreichen Südens ig, voutonrs, ig. orvssstts,
is vnevsln einführt, unbekümmert, ob ihm die andern Unsterblichen zu folgen
verstehen, wollen wir anch dankbar darüber quittieren, daß auch er dem lsit-
ro.ot.lo Heimatrecht verleiht, aber Neologismen wie Mujgtsris oder vsulsris
in-illgnts, Anglicismen wie rnklign, das familiäre an ronron ä'uns sgnssris
instruetivs, besonders aber die kühne Verbindung iss grgsss stsroorgires mögen
nicht oft unter der Kuppel des Institut as Kranes vernommen worden sein.

Die Biegsamkeit seiner Sprache, seine Lust zum Fabulieren offenbart auch
seine Rede. Was er anfaßt, wandelt er zum dramatisch belebten Bilde. Ein
paar sicher geführte Striche genügen, die äußere Gestalt seines Vorgängers
greifbar deutlich vor unsern Augen erstehen zu lassen: um visux xetit Asntil-
noinnis as rorngn, original, vit se von, goss uns llgnrs ross doues ingngss
6s diu-os ä'gi'FSnt, ass vsux ä'sgu olgirs, als ininnsenlss rngins toujours
ggit.s's se irs<iueininsnt ssogrnotsss xgr ass rogvolisttss vgstss, se ,js us sgis
c^uslls grgss as ggnonsris un xsu kgntgsti^us ani ruf 1s kg.isg.it snoors s.x-
xgrgltrs somnus 1s Kovolä as ig rrgZMs.

Wie pathetisch und fein ironisch erzählt er dann, wie dieser „kleine Däum¬
ling" im Zauberwalde der Niesen vursnägl und ^ovsuss, die mächtigen Schwerter
Rolands und Karls des Großen, zu schwingen sucht. Wie ergreifend schildert er
sein eignes letztes Zusammentreffen mit Gaston Paris in der Nähe der Stelle, wo
Roland einst verblutete. „Ich wollte hinabsteigen, um nicht selbst als dritter
zwischen ihm und Karl dem Großen zu stehen. Unter einer Eiche, dem Abbild
seines Geistes, nahe einer Quelle, dem Abbild seines lautern Gewissens, winkte
er mir einen letzten Scheidegruß zu. Dann, bei einer Wendung der Straße,
verschwand er... wie er soeben unsern Blicken entschwunden ist,*) um weiter
zu steigen!" Hier, wie so oft, sucht Rostand zu wirken durch wirksam zuge¬
spitzte Antithesen, scharfe Pointen und plastische Vergleiche.

Ein reiches Sprühfeuer witziger Bemerkungen durchblitzt die ganze Rede,
in der unser Dichter debütiert, sous ig eouxols se ägns ig xross. Man hat
ihn auf den verwaisten Platz des Verfassers der Mls as KolgM berufen, wohl
nur deshalb, weil er sich auf zufälliger Wandrung „Roncevaux am nächsten"



G. Paris war am S. März desselben Jahres gestorben.
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[0095] Edmond Rostand an die tollkühne Flucht Flambeaus aus dem Schlosse zu Schönbrunn. Und nun die Sprache Rostands! Das, was jedem Leser seiner Dramen zunächst auffällt, ist sein verblüffend reicher Wortschatz. Auch seine Rede legt von seinem umfangreichen Vokabular Zeugnis ab, das die Aufnahme von Dialektworten und Neubildungen nicht scheut, gelegentlich familiäre Ausdrücke heranzieht, ja selbst beim ^rZst dann und wann eine Anleihe macht. Manches Wort mag am 4. Juni 1903 bei den die Reinheit und Feinheit der französischen Sprache pflegenden Mitgliedern der Akademie ein leichtes Befremden hervorgerufen haben. Mag es noch hin¬ gehen, daß der Dichter des weinreichen Südens ig, voutonrs, ig. orvssstts, is vnevsln einführt, unbekümmert, ob ihm die andern Unsterblichen zu folgen verstehen, wollen wir anch dankbar darüber quittieren, daß auch er dem lsit- ro.ot.lo Heimatrecht verleiht, aber Neologismen wie Mujgtsris oder vsulsris in-illgnts, Anglicismen wie rnklign, das familiäre an ronron ä'uns sgnssris instruetivs, besonders aber die kühne Verbindung iss grgsss stsroorgires mögen nicht oft unter der Kuppel des Institut as Kranes vernommen worden sein. Die Biegsamkeit seiner Sprache, seine Lust zum Fabulieren offenbart auch seine Rede. Was er anfaßt, wandelt er zum dramatisch belebten Bilde. Ein paar sicher geführte Striche genügen, die äußere Gestalt seines Vorgängers greifbar deutlich vor unsern Augen erstehen zu lassen: um visux xetit Asntil- noinnis as rorngn, original, vit se von, goss uns llgnrs ross doues ingngss 6s diu-os ä'gi'FSnt, ass vsux ä'sgu olgirs, als ininnsenlss rngins toujours ggit.s's se irs<iueininsnt ssogrnotsss xgr ass rogvolisttss vgstss, se ,js us sgis c^uslls grgss as ggnonsris un xsu kgntgsti^us ani ruf 1s kg.isg.it snoors s.x- xgrgltrs somnus 1s Kovolä as ig rrgZMs. Wie pathetisch und fein ironisch erzählt er dann, wie dieser „kleine Däum¬ ling" im Zauberwalde der Niesen vursnägl und ^ovsuss, die mächtigen Schwerter Rolands und Karls des Großen, zu schwingen sucht. Wie ergreifend schildert er sein eignes letztes Zusammentreffen mit Gaston Paris in der Nähe der Stelle, wo Roland einst verblutete. „Ich wollte hinabsteigen, um nicht selbst als dritter zwischen ihm und Karl dem Großen zu stehen. Unter einer Eiche, dem Abbild seines Geistes, nahe einer Quelle, dem Abbild seines lautern Gewissens, winkte er mir einen letzten Scheidegruß zu. Dann, bei einer Wendung der Straße, verschwand er... wie er soeben unsern Blicken entschwunden ist,*) um weiter zu steigen!" Hier, wie so oft, sucht Rostand zu wirken durch wirksam zuge¬ spitzte Antithesen, scharfe Pointen und plastische Vergleiche. Ein reiches Sprühfeuer witziger Bemerkungen durchblitzt die ganze Rede, in der unser Dichter debütiert, sous ig eouxols se ägns ig xross. Man hat ihn auf den verwaisten Platz des Verfassers der Mls as KolgM berufen, wohl nur deshalb, weil er sich auf zufälliger Wandrung „Roncevaux am nächsten" G. Paris war am S. März desselben Jahres gestorben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/95>, abgerufen am 03.07.2024.