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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

in die Armee ein, folglich gibt es, da durchschnittlich etwa einer von Vieren
im Laufe des Jahres aus der Schule austritt, jährlich rund 150 offne
Stellen. Diese offnen Stellen werden nicht etwa durch Konkurrenzprüfungen
besetzt, sondern durch Ernennungen. Senatoren der Vereinigten Staaten und
Kongreßmitglieder haben das Recht, eine gewisse Anzahl von Kadetten aus
ihren eignen Staaten zu ernennen, und der Präsident der Republik hat das
Vorrecht, jährlich zehn Ernennungen zu bestimmen. Aber obgleich Konkurrenz¬
prüfungen durch diese Ernennungen nicht vorgeschrieben sind, so nehmen doch,
auf allgemeinen Wunsch der Nation, die, die das Vorrecht auf Ernennungen
haben, solche nur bei den Kandidaten in ihrem Staate vor, die sich um die
betreffende offne Stelle durch eine Prüfung an Ort und Stelle bewerben.
Mit dem Präsidenten ist es natürlich nicht ganz so, er pflegt gewöhnlich
nur Söhne verdienter Offiziere zu ernennen, die im Dienste gestanden haben
oder noch in der Armee dienen. Zöglinge werden im Alter von siebzehn
bis zweiundzwanzig Jahren zugelassen, und wenn sie einmal in die Akademie
aufgenommen worden sind, haben sie noch einen vierjährigen Kursus der
strengsten Ausbildung und Disziplin im eignen Lande oder im Auslande
vor sich.

Die Schule zerfällt in vier Klaffen, und zwar in die erste Klasse (der
vierte Jahrgang), die zweite Klasse (dritter Jahrgang), die dritte Klasse
(zweiter Jahrgang) und die vierte Klasse (erster Jahrgang). Die Wahl der
Unteroffiziere ist etwas auffallend. Die Kadettenoffiziere, Adjutanten, Quartier¬
meister und der Profoß werden aus der ersten Klasse gewühlt, die Kadetten¬
sergeanten und Kompagniesergeanten aus der zweiten Klasse, die Kadetten¬
unteroffiziere aus der dritten Klasse. Infolgedessen kommt man zu nachstehender
Rangstufenordnung: Leute des zweiten Jahrgangs mit dem Range von Unter¬
offizieren führen das militärische Kommando über Leute des dritten und vierten
Jahrgangs, die zufällig noch Gemeine sein können. Jeder Kadettenrang ist
provisorisch, und wenigstens zweimal im Jahre wird jeder Kadettenoffizier
zum Gemeinen degradiert, und Vorschläge zur Beförderung werden, wenn es
sich um Kadettenoffiziere handelt, durch Kompagnielehrer und im Falle andrer
Chargen durch Kadettenoffiziere nachgeprüft. Auf diese Weise treten Un¬
tüchtige in die Front zurück, während tüchtige Kadettenoffiziere und Unter¬
offiziere wieder ernannt werden. Der Zweck, Leuten des zweiten und sogar
des dritten Jahrgangs das Kommando über ihre im Range ältern Kameraden
in der Akademie zu geben, ist der, stillschweigend einen Geist militärischer
Unterordnung in Sachen der Seniorität zu schaffen, die in der Armee der
Vereinigten Staaten ganz besonders streng beobachtet wird.

Aus dem Gesagten darf aber nicht etwa geschlossen werden, daß die Aus¬
bildung in Westpoint eine rein militärische ist. Durchaus nicht, der größere
Teil des Jahres ist akademischen Studium gewidmet, sodaß der Westpoint¬
kadett nicht nur bei seinem Regiment oder Bataillon mit den genügenden


Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

in die Armee ein, folglich gibt es, da durchschnittlich etwa einer von Vieren
im Laufe des Jahres aus der Schule austritt, jährlich rund 150 offne
Stellen. Diese offnen Stellen werden nicht etwa durch Konkurrenzprüfungen
besetzt, sondern durch Ernennungen. Senatoren der Vereinigten Staaten und
Kongreßmitglieder haben das Recht, eine gewisse Anzahl von Kadetten aus
ihren eignen Staaten zu ernennen, und der Präsident der Republik hat das
Vorrecht, jährlich zehn Ernennungen zu bestimmen. Aber obgleich Konkurrenz¬
prüfungen durch diese Ernennungen nicht vorgeschrieben sind, so nehmen doch,
auf allgemeinen Wunsch der Nation, die, die das Vorrecht auf Ernennungen
haben, solche nur bei den Kandidaten in ihrem Staate vor, die sich um die
betreffende offne Stelle durch eine Prüfung an Ort und Stelle bewerben.
Mit dem Präsidenten ist es natürlich nicht ganz so, er pflegt gewöhnlich
nur Söhne verdienter Offiziere zu ernennen, die im Dienste gestanden haben
oder noch in der Armee dienen. Zöglinge werden im Alter von siebzehn
bis zweiundzwanzig Jahren zugelassen, und wenn sie einmal in die Akademie
aufgenommen worden sind, haben sie noch einen vierjährigen Kursus der
strengsten Ausbildung und Disziplin im eignen Lande oder im Auslande
vor sich.

Die Schule zerfällt in vier Klaffen, und zwar in die erste Klasse (der
vierte Jahrgang), die zweite Klasse (dritter Jahrgang), die dritte Klasse
(zweiter Jahrgang) und die vierte Klasse (erster Jahrgang). Die Wahl der
Unteroffiziere ist etwas auffallend. Die Kadettenoffiziere, Adjutanten, Quartier¬
meister und der Profoß werden aus der ersten Klasse gewühlt, die Kadetten¬
sergeanten und Kompagniesergeanten aus der zweiten Klasse, die Kadetten¬
unteroffiziere aus der dritten Klasse. Infolgedessen kommt man zu nachstehender
Rangstufenordnung: Leute des zweiten Jahrgangs mit dem Range von Unter¬
offizieren führen das militärische Kommando über Leute des dritten und vierten
Jahrgangs, die zufällig noch Gemeine sein können. Jeder Kadettenrang ist
provisorisch, und wenigstens zweimal im Jahre wird jeder Kadettenoffizier
zum Gemeinen degradiert, und Vorschläge zur Beförderung werden, wenn es
sich um Kadettenoffiziere handelt, durch Kompagnielehrer und im Falle andrer
Chargen durch Kadettenoffiziere nachgeprüft. Auf diese Weise treten Un¬
tüchtige in die Front zurück, während tüchtige Kadettenoffiziere und Unter¬
offiziere wieder ernannt werden. Der Zweck, Leuten des zweiten und sogar
des dritten Jahrgangs das Kommando über ihre im Range ältern Kameraden
in der Akademie zu geben, ist der, stillschweigend einen Geist militärischer
Unterordnung in Sachen der Seniorität zu schaffen, die in der Armee der
Vereinigten Staaten ganz besonders streng beobachtet wird.

Aus dem Gesagten darf aber nicht etwa geschlossen werden, daß die Aus¬
bildung in Westpoint eine rein militärische ist. Durchaus nicht, der größere
Teil des Jahres ist akademischen Studium gewidmet, sodaß der Westpoint¬
kadett nicht nur bei seinem Regiment oder Bataillon mit den genügenden


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[0076] Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika in die Armee ein, folglich gibt es, da durchschnittlich etwa einer von Vieren im Laufe des Jahres aus der Schule austritt, jährlich rund 150 offne Stellen. Diese offnen Stellen werden nicht etwa durch Konkurrenzprüfungen besetzt, sondern durch Ernennungen. Senatoren der Vereinigten Staaten und Kongreßmitglieder haben das Recht, eine gewisse Anzahl von Kadetten aus ihren eignen Staaten zu ernennen, und der Präsident der Republik hat das Vorrecht, jährlich zehn Ernennungen zu bestimmen. Aber obgleich Konkurrenz¬ prüfungen durch diese Ernennungen nicht vorgeschrieben sind, so nehmen doch, auf allgemeinen Wunsch der Nation, die, die das Vorrecht auf Ernennungen haben, solche nur bei den Kandidaten in ihrem Staate vor, die sich um die betreffende offne Stelle durch eine Prüfung an Ort und Stelle bewerben. Mit dem Präsidenten ist es natürlich nicht ganz so, er pflegt gewöhnlich nur Söhne verdienter Offiziere zu ernennen, die im Dienste gestanden haben oder noch in der Armee dienen. Zöglinge werden im Alter von siebzehn bis zweiundzwanzig Jahren zugelassen, und wenn sie einmal in die Akademie aufgenommen worden sind, haben sie noch einen vierjährigen Kursus der strengsten Ausbildung und Disziplin im eignen Lande oder im Auslande vor sich. Die Schule zerfällt in vier Klaffen, und zwar in die erste Klasse (der vierte Jahrgang), die zweite Klasse (dritter Jahrgang), die dritte Klasse (zweiter Jahrgang) und die vierte Klasse (erster Jahrgang). Die Wahl der Unteroffiziere ist etwas auffallend. Die Kadettenoffiziere, Adjutanten, Quartier¬ meister und der Profoß werden aus der ersten Klasse gewühlt, die Kadetten¬ sergeanten und Kompagniesergeanten aus der zweiten Klasse, die Kadetten¬ unteroffiziere aus der dritten Klasse. Infolgedessen kommt man zu nachstehender Rangstufenordnung: Leute des zweiten Jahrgangs mit dem Range von Unter¬ offizieren führen das militärische Kommando über Leute des dritten und vierten Jahrgangs, die zufällig noch Gemeine sein können. Jeder Kadettenrang ist provisorisch, und wenigstens zweimal im Jahre wird jeder Kadettenoffizier zum Gemeinen degradiert, und Vorschläge zur Beförderung werden, wenn es sich um Kadettenoffiziere handelt, durch Kompagnielehrer und im Falle andrer Chargen durch Kadettenoffiziere nachgeprüft. Auf diese Weise treten Un¬ tüchtige in die Front zurück, während tüchtige Kadettenoffiziere und Unter¬ offiziere wieder ernannt werden. Der Zweck, Leuten des zweiten und sogar des dritten Jahrgangs das Kommando über ihre im Range ältern Kameraden in der Akademie zu geben, ist der, stillschweigend einen Geist militärischer Unterordnung in Sachen der Seniorität zu schaffen, die in der Armee der Vereinigten Staaten ganz besonders streng beobachtet wird. Aus dem Gesagten darf aber nicht etwa geschlossen werden, daß die Aus¬ bildung in Westpoint eine rein militärische ist. Durchaus nicht, der größere Teil des Jahres ist akademischen Studium gewidmet, sodaß der Westpoint¬ kadett nicht nur bei seinem Regiment oder Bataillon mit den genügenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/76>, abgerufen am 22.07.2024.