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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Sieben unveröffentlichte Briefe des Staatsministers Freiherrn von Manteuffel

die mir durch Eure Hochwohlgeboren gewordenen Mittheilungen gewähren; in dem
über das Schicksal der Zollvereins-Verhandlungen entscheidenden Augenblick bringen
diese Mittheilungen Licht in das Dunkel des gegen Preußen gerichteten Treibens.

Das mir höchst schmeichelhafte Schreiben Seiner Majestät des Königs von
Württemberg vom 12. beantworte ich in der versiegelten Anlage, von welcher ich
für Eurer Hochwohlgeboren gefällige Kenntnißnahme eine Abschrift von ganz ver¬
traulicher Hand beifüge. Ich darf hoffen, daß Sie mit Inhalt und Fassung meiner
Antwort einverstanden sein werden. Zur näheren Erläuterung derselben füge ich
noch hinzu, daß Preußen, nach fruchtlosem Verlaufe der ersten Hälfte Septembers,
die Verhandlungen ohne Zuziehung der Bevollmächtigten der Darmstädter Coalition,
allein mit denen des Steuer-Vereins, von Thüringen und Braunschweig fortsetzt,
daß aber damit noch nicht der Ausschluß irgend eines bisherigen Zollvereinsstaates
ausgesprochen ist. Namentlich hoffen wir, daß Württemberg und Baden durch Ein¬
gehen auf die diesseitigen letzten Erklärungen uns bald in den Stand setzen werden,
eine umfassendere Verhandlung zu eröffnen. Für diesen Fall haben wir die beste
Hoffnung, daß beide Hessen, denen natürlich Nassau folgen müßte, sich nicht länger
ausschließen würden.

Dem Resultate der Münchener Konferenz sehen wir mit Spannung entgegen,
sind indeß auf jede Eventualität vorbereitet. Jede Nachricht über den Verlauf und
das Resultat der dortigen Besprechungen wird uns willkommen sein.

Obwohl ich die Gründe achte, welche Eure Hochwohlgeboren zur Zeit von
Stuttgart entfernt halten, so muß ich doch bedauern, daß der König, Ihr Herr
gerade jetzt Ihres Rathes entbehrt, und dem Einflüsse der von Ihnen näher be¬
zeichneten, den österreichischen Interessen unbedingt ergebenen Personen überlassen
ist. Hoffen wir, daß Ihre Rückkehr nach Stuttgart durch einen entschiedenen Um¬
schwung ohne Verzug herbeigeführt werden möge.

Nur wenige Tage nach Abfassung des zuletzt erwähnten Manteuffel-Briefes
erklärte die preußische Regierung in einer Zirkulardepesche vom 27. September,
daß sie die Berliner Zollkonferenz als abgebrochen betrachte und künftig nur
noch mit den einzelnen Regierungen verhandeln wolle. Damit war die Höhe
der Krisis erreicht. Bald nachher, wie so häufig in ähnlichen Füllen, machte
sich das Bedürfnis des Einlenkens auf allen Seiten fühlbar, und es kam im
Februar 1853 ein Vertrag zwischen Österreich und Preußen zustande, der als
eine Art Kompromiß der bisher entgegenstehenden Standpunkte bezeichnet werden
kann, indem er dem Wiener Hofe zwar nicht den Abschluß der großen Zoll¬
union, aber doch die Eröffnung von Verhandlungen darüber im Jahre 1859
zusagte und die Richtung darauf durch mehrere, sogleich in Wirksamkeit tretende
Bestimmungen betätigte. Wenige Wochen darauf war auch die Rekonstruktion
des Zollvereins auf der Basis des Septembervertrages eine vollendete Tatsache.




Sieben unveröffentlichte Briefe des Staatsministers Freiherrn von Manteuffel

die mir durch Eure Hochwohlgeboren gewordenen Mittheilungen gewähren; in dem
über das Schicksal der Zollvereins-Verhandlungen entscheidenden Augenblick bringen
diese Mittheilungen Licht in das Dunkel des gegen Preußen gerichteten Treibens.

Das mir höchst schmeichelhafte Schreiben Seiner Majestät des Königs von
Württemberg vom 12. beantworte ich in der versiegelten Anlage, von welcher ich
für Eurer Hochwohlgeboren gefällige Kenntnißnahme eine Abschrift von ganz ver¬
traulicher Hand beifüge. Ich darf hoffen, daß Sie mit Inhalt und Fassung meiner
Antwort einverstanden sein werden. Zur näheren Erläuterung derselben füge ich
noch hinzu, daß Preußen, nach fruchtlosem Verlaufe der ersten Hälfte Septembers,
die Verhandlungen ohne Zuziehung der Bevollmächtigten der Darmstädter Coalition,
allein mit denen des Steuer-Vereins, von Thüringen und Braunschweig fortsetzt,
daß aber damit noch nicht der Ausschluß irgend eines bisherigen Zollvereinsstaates
ausgesprochen ist. Namentlich hoffen wir, daß Württemberg und Baden durch Ein¬
gehen auf die diesseitigen letzten Erklärungen uns bald in den Stand setzen werden,
eine umfassendere Verhandlung zu eröffnen. Für diesen Fall haben wir die beste
Hoffnung, daß beide Hessen, denen natürlich Nassau folgen müßte, sich nicht länger
ausschließen würden.

Dem Resultate der Münchener Konferenz sehen wir mit Spannung entgegen,
sind indeß auf jede Eventualität vorbereitet. Jede Nachricht über den Verlauf und
das Resultat der dortigen Besprechungen wird uns willkommen sein.

Obwohl ich die Gründe achte, welche Eure Hochwohlgeboren zur Zeit von
Stuttgart entfernt halten, so muß ich doch bedauern, daß der König, Ihr Herr
gerade jetzt Ihres Rathes entbehrt, und dem Einflüsse der von Ihnen näher be¬
zeichneten, den österreichischen Interessen unbedingt ergebenen Personen überlassen
ist. Hoffen wir, daß Ihre Rückkehr nach Stuttgart durch einen entschiedenen Um¬
schwung ohne Verzug herbeigeführt werden möge.

Nur wenige Tage nach Abfassung des zuletzt erwähnten Manteuffel-Briefes
erklärte die preußische Regierung in einer Zirkulardepesche vom 27. September,
daß sie die Berliner Zollkonferenz als abgebrochen betrachte und künftig nur
noch mit den einzelnen Regierungen verhandeln wolle. Damit war die Höhe
der Krisis erreicht. Bald nachher, wie so häufig in ähnlichen Füllen, machte
sich das Bedürfnis des Einlenkens auf allen Seiten fühlbar, und es kam im
Februar 1853 ein Vertrag zwischen Österreich und Preußen zustande, der als
eine Art Kompromiß der bisher entgegenstehenden Standpunkte bezeichnet werden
kann, indem er dem Wiener Hofe zwar nicht den Abschluß der großen Zoll¬
union, aber doch die Eröffnung von Verhandlungen darüber im Jahre 1859
zusagte und die Richtung darauf durch mehrere, sogleich in Wirksamkeit tretende
Bestimmungen betätigte. Wenige Wochen darauf war auch die Rekonstruktion
des Zollvereins auf der Basis des Septembervertrages eine vollendete Tatsache.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/682>, abgerufen am 22.07.2024.