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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Englische Gedanken über kriegerische Macht

schritten auf allen Gebieten der Wissenschaft, der Technik, der Industrie teil¬
genommen. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs ist von 15 auf 43,
die des gesamten Reiches von 25 auf 400 Millionen gewachsen. Der Flächen¬
inhalt des Reiches betrug im Jahre 1800 noch nicht vier Millionen Quadrat¬
kilometer und umfaßt heute über 31 Millionen Quadratkilometer. Export
und Import erreichen heute die Summe von rund 30 Milliarden Mark, gegen
1,6 Milliarden zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, und der Tonnen¬
gehalt der Handelsflotte hat sich in demselben Zeitraume versechsfacht.

Neben diesem ungeheuern Wachstum des britischen Reiches aber sieht
man auf der andern Seite ein Zurückbleiben auf dem Gebiete der Verteidigungs¬
mittel, das in gar keinem Verhältnis steht. Man begnügte sich die ganze
Zeit über beinahe mit derselben Streitmacht, die man von Großväter Zeiten
her übernommen hatte, und heute denkt man anstatt an eine Vermehrung des
Heeres an seine Verminderung.

Im Jahre 1805 betrug die Stärke der britischen Armee (ausschließlich
Indien) 184728 Mann regulärer Truppen, 101451 Mann Miliz und
429165 Freiwillige, zusammen also 715344. Der Heereshaushalt sah die
Summe von rund 450 Millionen Mark vor.

Die nachstehende Tabelle gibt einen Vergleich dieser Heeresstärke mit den
Zahlen andrer Mächte in demselben Zeitraum.

Gesamtstärke des Gesamtzahl Zahl der Verhältnis der Soldaten
Heeres ausschließt, der waffenfähigen zu der Gesamtzahl der
Freiwilliger Bevölkerung Leute Waffenfähigen
England (einhebt. Indien) 390000 16 Millionen 3,8 Millionen 1:10
Frankreich..... 362000 32 " 8,0 " l.-14
Nußland...... 690000 34 " 8,6 " 1:14
Österreich..... 370000 20 " 6.0 " 1 :13 oder 14
Preußen...... 260000 9 " 2,6 " 1:10

Aus dieser Tabelle ersieht man, daß zu Anfang des neunzehnten Jahr¬
hunderts in England die militärische Stärke zur gesamten Bevölkerungszahl
in ähnlichem Verhältnis stand wie in andern Staaten.

Am 1. Februar 1906 dagegen betrug die Stärke der gesamten eng¬
lischen Heeresmacht (einschließlich Miliz, Reserven und Freiwilligenaufgeboten)
666511 Mann, also rund 50000 Mann weniger als hundert Jahre früher,
während sich inzwischen das Gebiet des britischen Reiches um mehr als das
Zehnfache, seine Bevölkerung sich um das Sechzehnfache vergrößert hatte.
Rechnet man noch das britische Heer in Indien dazu, so erhält man als
Gesamtheeresstärke rund 730000 Mann, also ungefähr dieselbe Zahl wie im
Jahre 1805.

Dem gegenüber haben sich die Armeen andrer Mächte in ganz anderm
Maßstabe vergrößert. Das zeigt die nachstehende Tabelle, die wir, ohne für


Englische Gedanken über kriegerische Macht

schritten auf allen Gebieten der Wissenschaft, der Technik, der Industrie teil¬
genommen. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs ist von 15 auf 43,
die des gesamten Reiches von 25 auf 400 Millionen gewachsen. Der Flächen¬
inhalt des Reiches betrug im Jahre 1800 noch nicht vier Millionen Quadrat¬
kilometer und umfaßt heute über 31 Millionen Quadratkilometer. Export
und Import erreichen heute die Summe von rund 30 Milliarden Mark, gegen
1,6 Milliarden zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, und der Tonnen¬
gehalt der Handelsflotte hat sich in demselben Zeitraume versechsfacht.

Neben diesem ungeheuern Wachstum des britischen Reiches aber sieht
man auf der andern Seite ein Zurückbleiben auf dem Gebiete der Verteidigungs¬
mittel, das in gar keinem Verhältnis steht. Man begnügte sich die ganze
Zeit über beinahe mit derselben Streitmacht, die man von Großväter Zeiten
her übernommen hatte, und heute denkt man anstatt an eine Vermehrung des
Heeres an seine Verminderung.

Im Jahre 1805 betrug die Stärke der britischen Armee (ausschließlich
Indien) 184728 Mann regulärer Truppen, 101451 Mann Miliz und
429165 Freiwillige, zusammen also 715344. Der Heereshaushalt sah die
Summe von rund 450 Millionen Mark vor.

Die nachstehende Tabelle gibt einen Vergleich dieser Heeresstärke mit den
Zahlen andrer Mächte in demselben Zeitraum.

Gesamtstärke des Gesamtzahl Zahl der Verhältnis der Soldaten
Heeres ausschließt, der waffenfähigen zu der Gesamtzahl der
Freiwilliger Bevölkerung Leute Waffenfähigen
England (einhebt. Indien) 390000 16 Millionen 3,8 Millionen 1:10
Frankreich..... 362000 32 „ 8,0 „ l.-14
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Österreich..... 370000 20 „ 6.0 „ 1 :13 oder 14
Preußen...... 260000 9 „ 2,6 „ 1:10

Aus dieser Tabelle ersieht man, daß zu Anfang des neunzehnten Jahr¬
hunderts in England die militärische Stärke zur gesamten Bevölkerungszahl
in ähnlichem Verhältnis stand wie in andern Staaten.

Am 1. Februar 1906 dagegen betrug die Stärke der gesamten eng¬
lischen Heeresmacht (einschließlich Miliz, Reserven und Freiwilligenaufgeboten)
666511 Mann, also rund 50000 Mann weniger als hundert Jahre früher,
während sich inzwischen das Gebiet des britischen Reiches um mehr als das
Zehnfache, seine Bevölkerung sich um das Sechzehnfache vergrößert hatte.
Rechnet man noch das britische Heer in Indien dazu, so erhält man als
Gesamtheeresstärke rund 730000 Mann, also ungefähr dieselbe Zahl wie im
Jahre 1805.

Dem gegenüber haben sich die Armeen andrer Mächte in ganz anderm
Maßstabe vergrößert. Das zeigt die nachstehende Tabelle, die wir, ohne für


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[0667] Englische Gedanken über kriegerische Macht schritten auf allen Gebieten der Wissenschaft, der Technik, der Industrie teil¬ genommen. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs ist von 15 auf 43, die des gesamten Reiches von 25 auf 400 Millionen gewachsen. Der Flächen¬ inhalt des Reiches betrug im Jahre 1800 noch nicht vier Millionen Quadrat¬ kilometer und umfaßt heute über 31 Millionen Quadratkilometer. Export und Import erreichen heute die Summe von rund 30 Milliarden Mark, gegen 1,6 Milliarden zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, und der Tonnen¬ gehalt der Handelsflotte hat sich in demselben Zeitraume versechsfacht. Neben diesem ungeheuern Wachstum des britischen Reiches aber sieht man auf der andern Seite ein Zurückbleiben auf dem Gebiete der Verteidigungs¬ mittel, das in gar keinem Verhältnis steht. Man begnügte sich die ganze Zeit über beinahe mit derselben Streitmacht, die man von Großväter Zeiten her übernommen hatte, und heute denkt man anstatt an eine Vermehrung des Heeres an seine Verminderung. Im Jahre 1805 betrug die Stärke der britischen Armee (ausschließlich Indien) 184728 Mann regulärer Truppen, 101451 Mann Miliz und 429165 Freiwillige, zusammen also 715344. Der Heereshaushalt sah die Summe von rund 450 Millionen Mark vor. Die nachstehende Tabelle gibt einen Vergleich dieser Heeresstärke mit den Zahlen andrer Mächte in demselben Zeitraum. Gesamtstärke des Gesamtzahl Zahl der Verhältnis der Soldaten Heeres ausschließt, der waffenfähigen zu der Gesamtzahl der Freiwilliger Bevölkerung Leute Waffenfähigen England (einhebt. Indien) 390000 16 Millionen 3,8 Millionen 1:10 Frankreich..... 362000 32 „ 8,0 „ l.-14 Nußland...... 690000 34 „ 8,6 „ 1:14 Österreich..... 370000 20 „ 6.0 „ 1 :13 oder 14 Preußen...... 260000 9 „ 2,6 „ 1:10 Aus dieser Tabelle ersieht man, daß zu Anfang des neunzehnten Jahr¬ hunderts in England die militärische Stärke zur gesamten Bevölkerungszahl in ähnlichem Verhältnis stand wie in andern Staaten. Am 1. Februar 1906 dagegen betrug die Stärke der gesamten eng¬ lischen Heeresmacht (einschließlich Miliz, Reserven und Freiwilligenaufgeboten) 666511 Mann, also rund 50000 Mann weniger als hundert Jahre früher, während sich inzwischen das Gebiet des britischen Reiches um mehr als das Zehnfache, seine Bevölkerung sich um das Sechzehnfache vergrößert hatte. Rechnet man noch das britische Heer in Indien dazu, so erhält man als Gesamtheeresstärke rund 730000 Mann, also ungefähr dieselbe Zahl wie im Jahre 1805. Dem gegenüber haben sich die Armeen andrer Mächte in ganz anderm Maßstabe vergrößert. Das zeigt die nachstehende Tabelle, die wir, ohne für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/667>, abgerufen am 26.06.2024.