Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Deutsch - amerikanische Angelegenheiten Indem wir von Deutschland übernehmen, was wir können, möchte ich, daß Wenn nun auch der weltgeschichtliche Prozeß der Heranbildung eines *) Grenzboten 1907, Heft 24 und 2S.
Deutsch - amerikanische Angelegenheiten Indem wir von Deutschland übernehmen, was wir können, möchte ich, daß Wenn nun auch der weltgeschichtliche Prozeß der Heranbildung eines *) Grenzboten 1907, Heft 24 und 2S.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/304035"/> <fw type="header" place="top"> Deutsch - amerikanische Angelegenheiten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2700" prev="#ID_2699"> Indem wir von Deutschland übernehmen, was wir können, möchte ich, daß<lb/> wir uns insbesondre den Idealismus zu eigen machten . . . ferner den durch¬<lb/> dringenden gesunden Verstand, der sie befähigt, ihren idealen Geist in ein<lb/> Werkzeug umzuwandeln, mit dem sie die vollendetste militärische und industrielle<lb/> Organisation geschaffen haben, die die Welt je gesehen hat." Es fällt dabei<lb/> noch besonders ins Gewicht, daß diese Rede vor Stockamerikanern und nicht<lb/> etwa vor Deutschen gehalten wurde. Wenn auch in den nächsten Jahren<lb/> schon wieder befangnere Anschauungen bei den kommenden Männern im Weißen<lb/> Hause zutage treten sollten, so wird es doch keinesfalls ohne Wirkung bleiben,<lb/> daß in unsrer Zeit diese Worte von einem Präsidenten der Union in feier¬<lb/> licher Weise ausgesprochen worden sind. Solche Vorgänge, wie auch der<lb/> Zusammenschluß der Deutschamerikaner, der ja möglicherweise auch wieder<lb/> zeitweise unter der deutschen Neigung zum Auseinanderstreben leiden mag,<lb/> sind ohne Zweifel von nicht geringem Wert in der Periode absichtlicher und<lb/> unabsichtlicher Herauskristallisierung eines besondern nordamerikanischen Volks-<lb/> tums. Die hierfür notwendige und zweckmäßige Verwendung eines stärkern<lb/> deutschen Einschlags wird um so mehr erkannt und gefördert werden, je mehr<lb/> die Zunahme der romanischen, slawischen und jüdischen Einwanderung als<lb/> nachteilig empfunden wird. Von Interesse ist übrigens auch, daß sich Roose-<lb/> velt bemüht zeigt, seinem Volke deutschen Idealismus als Muster hinzustellen,<lb/> während Kaiser Wilhelm den Deutschen mehr „Amerikanisches" wünscht; beide<lb/> erkennen die Vorzüge des andern Volkes an und möchten sie in das eigne<lb/> verpflanzen. Es braucht hier wohl bloß angedeutet zu werden, daß Noosevelt<lb/> unter deutschem Idealismus nicht den Doktrinarismus versteht, der hierzulande<lb/> häufig für jenen ausgegeben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2701" next="#ID_2702"> Wenn nun auch der weltgeschichtliche Prozeß der Heranbildung eines<lb/> neuen amerikanischen Volkstums für uns und andre auf Jahrzehnte hinaus<lb/> der wichtigste Anhaltspunkt sein wird, der das politische und kulturhistorische<lb/> Interesse auf die neue Großmacht jenseit des Atlantischen Ozeans lenkt, so<lb/> gibt es doch auch noch andre, wenn auch weniger weitgreifende Fragen zwischen<lb/> Deutschland und den Vereinigten Staaten, deren Verständnis und Lösung<lb/> eine tiefere Auffassung der dortigen Verhältnisse erheischt, als sie bisher üblich<lb/> gewesen ist. Mit dem Formalismus des vorigen Jahrhunderts, alles mit der<lb/> Schablone des Monarchismus und Republikanismus messen zu wollen, kommen<lb/> Kür nicht mehr aus. Der Kaiser hat durch die Art und Weise, wie er den<lb/> Männern der nordamerikanischen Republik gegenübertritt, das neue Muster<lb/> gegeben. Eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ist die Gestaltung der<lb/> wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Union. Hierüber<lb/> ist in diesen Blättern*) schon erschöpfend gesprochen worden, und es braucht<lb/> hier bloß nochmals betont zu werden, daß sich trotz allem und jedem die</p><lb/> <note xml:id="FID_71" place="foot"> *) Grenzboten 1907, Heft 24 und 2S.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Deutsch - amerikanische Angelegenheiten
Indem wir von Deutschland übernehmen, was wir können, möchte ich, daß
wir uns insbesondre den Idealismus zu eigen machten . . . ferner den durch¬
dringenden gesunden Verstand, der sie befähigt, ihren idealen Geist in ein
Werkzeug umzuwandeln, mit dem sie die vollendetste militärische und industrielle
Organisation geschaffen haben, die die Welt je gesehen hat." Es fällt dabei
noch besonders ins Gewicht, daß diese Rede vor Stockamerikanern und nicht
etwa vor Deutschen gehalten wurde. Wenn auch in den nächsten Jahren
schon wieder befangnere Anschauungen bei den kommenden Männern im Weißen
Hause zutage treten sollten, so wird es doch keinesfalls ohne Wirkung bleiben,
daß in unsrer Zeit diese Worte von einem Präsidenten der Union in feier¬
licher Weise ausgesprochen worden sind. Solche Vorgänge, wie auch der
Zusammenschluß der Deutschamerikaner, der ja möglicherweise auch wieder
zeitweise unter der deutschen Neigung zum Auseinanderstreben leiden mag,
sind ohne Zweifel von nicht geringem Wert in der Periode absichtlicher und
unabsichtlicher Herauskristallisierung eines besondern nordamerikanischen Volks-
tums. Die hierfür notwendige und zweckmäßige Verwendung eines stärkern
deutschen Einschlags wird um so mehr erkannt und gefördert werden, je mehr
die Zunahme der romanischen, slawischen und jüdischen Einwanderung als
nachteilig empfunden wird. Von Interesse ist übrigens auch, daß sich Roose-
velt bemüht zeigt, seinem Volke deutschen Idealismus als Muster hinzustellen,
während Kaiser Wilhelm den Deutschen mehr „Amerikanisches" wünscht; beide
erkennen die Vorzüge des andern Volkes an und möchten sie in das eigne
verpflanzen. Es braucht hier wohl bloß angedeutet zu werden, daß Noosevelt
unter deutschem Idealismus nicht den Doktrinarismus versteht, der hierzulande
häufig für jenen ausgegeben wird.
Wenn nun auch der weltgeschichtliche Prozeß der Heranbildung eines
neuen amerikanischen Volkstums für uns und andre auf Jahrzehnte hinaus
der wichtigste Anhaltspunkt sein wird, der das politische und kulturhistorische
Interesse auf die neue Großmacht jenseit des Atlantischen Ozeans lenkt, so
gibt es doch auch noch andre, wenn auch weniger weitgreifende Fragen zwischen
Deutschland und den Vereinigten Staaten, deren Verständnis und Lösung
eine tiefere Auffassung der dortigen Verhältnisse erheischt, als sie bisher üblich
gewesen ist. Mit dem Formalismus des vorigen Jahrhunderts, alles mit der
Schablone des Monarchismus und Republikanismus messen zu wollen, kommen
Kür nicht mehr aus. Der Kaiser hat durch die Art und Weise, wie er den
Männern der nordamerikanischen Republik gegenübertritt, das neue Muster
gegeben. Eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ist die Gestaltung der
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Union. Hierüber
ist in diesen Blättern*) schon erschöpfend gesprochen worden, und es braucht
hier bloß nochmals betont zu werden, daß sich trotz allem und jedem die
*) Grenzboten 1907, Heft 24 und 2S.
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