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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage

Die englische Marine verfügt somit schon heute über 39 fertige Boote, wenn
man das ^5-Boot in Abrechnung bringt, das im vorigen Jahre bei einer
Übung durch ein Unglück verloren gegangen ist. Was die Bauart der eng¬
lischen Boote anlangt, so sind die fünf ältesten, die in der Hauptsache nur
Versuchsboote sein sollten, das Modell der amerikanischen Hollandboote; sie
haben nur eine Länge von 19,3 Metern, ein Deplacement von 124 Tonnen
und erreichen nur eine Schnelligkeit von neun Knoten in der Stunde. Die
nächsten Boote, die 13 der ^.-Klasse, sind mit 30,2 Metern Länge und einer
Wasserverdrängung von 207 Tonnen schon bedeutend größer und seetüchtiger
als ihre Vorgänger; auch ist ihre Fahrgeschwindigkeit bei 600 indizierten Pferde-
krüften auf zwölf Knoten gesteigert. Eine weitere Vergrößerung gegenüber der
^-Klasse zeigen die 22 Boote der L- und <Ü-Klasse, indem sie übereinstimmend
eine Länge von 14,1 Metern und ein Deplacement von 320 Tonnen haben;
850 Pferdestärken sollen ihnen eine Schnelligkeit von 14 Knoten geben. Die
Boote der <ü-Klasse unterscheiden sich aber von den früher gebauten Booten noch
durch eine Reihe von Verbesserungen, die sowohl ihre Verwendung auf hoher
See erleichtern als auch ihre Angriffs- und Verteidigungsfähigkeit erhöhen.
Während nämlich alle andern Unterseeboote der englischen Flotte wie die ganze
Hollandklasse der amerikanischen Marine nur eine Schraube haben, werden die
O-Boote von zwei Schrauben angetrieben, wodurch ihre Manövrierfähigkeit und
zugleich auch die Schnelligkeit in aufgetauchten Zustande noch über 14 Knoten
hinaus gesteigert werden kann. Ferner sind diese Boote mit zwei Periskopen
anstatt nur mit einem ausgerüstet, wie es bis jetzt bei den Unterseebooten aller
Flotten der Fall ist. Auf diese Weise wird natürlich die Seefähigkeit der Boote
bedeutend gesteigert, was von hohem Werte erscheint.

Was die zwölf neuen, im letzten Marineetat bewilligten Unterseeboote an¬
langt, so hat Vickers zurzeit eins davon in Bau, das als Versuchsmodell dienen
soll. Es heißt, es werde ein Deplacement von 550 Tonnen erhalten und statt
mit zwei, wie die bisherigen Boote, mit drei Ausstoßrohren versehen sein, davon
zwei am Bug und eins am Heat; die Fahrgeschwindigkeit soll 15 Knoten be¬
tragen. Es ist aber noch keineswegs bestimmt, wie vielfach schon als sicher
gemeldet wurde, daß diese neuen Boote als Tauchboote gebaut werden. Wie
in Frankreich, so steht auch in England zurzeit die Frage der am besten ge¬
eigneten Mvtore für Unterseeboote im Vordergrunde des Interesses, wobei Be¬
achtung verdient, daß alle Boote mit Ausnahme von .^13, das einen Petroleum¬
motor hat, mit Gasolinmotoren versehen sind.

Zugleich mit dem Beginn der neusten Unterseeboote hat die Marinever¬
waltung bestimmt, daß die bisherige Klasseneinteilung der Boote aufhören solle;
sie werden demnächst, mit der Hollandklasse beginnend, durchnumeriert werden.

Von den übrigen Seemächten ist wohl Nußland am meisten bemüht, es
dem französischen Verbündeten auf dem Gebiete des Unterseebootwesens gleich
zu tun. Im Jahre 1901 baute die Admiralität nach eignen Plänen das erste


Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage

Die englische Marine verfügt somit schon heute über 39 fertige Boote, wenn
man das ^5-Boot in Abrechnung bringt, das im vorigen Jahre bei einer
Übung durch ein Unglück verloren gegangen ist. Was die Bauart der eng¬
lischen Boote anlangt, so sind die fünf ältesten, die in der Hauptsache nur
Versuchsboote sein sollten, das Modell der amerikanischen Hollandboote; sie
haben nur eine Länge von 19,3 Metern, ein Deplacement von 124 Tonnen
und erreichen nur eine Schnelligkeit von neun Knoten in der Stunde. Die
nächsten Boote, die 13 der ^.-Klasse, sind mit 30,2 Metern Länge und einer
Wasserverdrängung von 207 Tonnen schon bedeutend größer und seetüchtiger
als ihre Vorgänger; auch ist ihre Fahrgeschwindigkeit bei 600 indizierten Pferde-
krüften auf zwölf Knoten gesteigert. Eine weitere Vergrößerung gegenüber der
^-Klasse zeigen die 22 Boote der L- und <Ü-Klasse, indem sie übereinstimmend
eine Länge von 14,1 Metern und ein Deplacement von 320 Tonnen haben;
850 Pferdestärken sollen ihnen eine Schnelligkeit von 14 Knoten geben. Die
Boote der <ü-Klasse unterscheiden sich aber von den früher gebauten Booten noch
durch eine Reihe von Verbesserungen, die sowohl ihre Verwendung auf hoher
See erleichtern als auch ihre Angriffs- und Verteidigungsfähigkeit erhöhen.
Während nämlich alle andern Unterseeboote der englischen Flotte wie die ganze
Hollandklasse der amerikanischen Marine nur eine Schraube haben, werden die
O-Boote von zwei Schrauben angetrieben, wodurch ihre Manövrierfähigkeit und
zugleich auch die Schnelligkeit in aufgetauchten Zustande noch über 14 Knoten
hinaus gesteigert werden kann. Ferner sind diese Boote mit zwei Periskopen
anstatt nur mit einem ausgerüstet, wie es bis jetzt bei den Unterseebooten aller
Flotten der Fall ist. Auf diese Weise wird natürlich die Seefähigkeit der Boote
bedeutend gesteigert, was von hohem Werte erscheint.

Was die zwölf neuen, im letzten Marineetat bewilligten Unterseeboote an¬
langt, so hat Vickers zurzeit eins davon in Bau, das als Versuchsmodell dienen
soll. Es heißt, es werde ein Deplacement von 550 Tonnen erhalten und statt
mit zwei, wie die bisherigen Boote, mit drei Ausstoßrohren versehen sein, davon
zwei am Bug und eins am Heat; die Fahrgeschwindigkeit soll 15 Knoten be¬
tragen. Es ist aber noch keineswegs bestimmt, wie vielfach schon als sicher
gemeldet wurde, daß diese neuen Boote als Tauchboote gebaut werden. Wie
in Frankreich, so steht auch in England zurzeit die Frage der am besten ge¬
eigneten Mvtore für Unterseeboote im Vordergrunde des Interesses, wobei Be¬
achtung verdient, daß alle Boote mit Ausnahme von .^13, das einen Petroleum¬
motor hat, mit Gasolinmotoren versehen sind.

Zugleich mit dem Beginn der neusten Unterseeboote hat die Marinever¬
waltung bestimmt, daß die bisherige Klasseneinteilung der Boote aufhören solle;
sie werden demnächst, mit der Hollandklasse beginnend, durchnumeriert werden.

Von den übrigen Seemächten ist wohl Nußland am meisten bemüht, es
dem französischen Verbündeten auf dem Gebiete des Unterseebootwesens gleich
zu tun. Im Jahre 1901 baute die Admiralität nach eignen Plänen das erste


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[0458] Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage Die englische Marine verfügt somit schon heute über 39 fertige Boote, wenn man das ^5-Boot in Abrechnung bringt, das im vorigen Jahre bei einer Übung durch ein Unglück verloren gegangen ist. Was die Bauart der eng¬ lischen Boote anlangt, so sind die fünf ältesten, die in der Hauptsache nur Versuchsboote sein sollten, das Modell der amerikanischen Hollandboote; sie haben nur eine Länge von 19,3 Metern, ein Deplacement von 124 Tonnen und erreichen nur eine Schnelligkeit von neun Knoten in der Stunde. Die nächsten Boote, die 13 der ^.-Klasse, sind mit 30,2 Metern Länge und einer Wasserverdrängung von 207 Tonnen schon bedeutend größer und seetüchtiger als ihre Vorgänger; auch ist ihre Fahrgeschwindigkeit bei 600 indizierten Pferde- krüften auf zwölf Knoten gesteigert. Eine weitere Vergrößerung gegenüber der ^-Klasse zeigen die 22 Boote der L- und <Ü-Klasse, indem sie übereinstimmend eine Länge von 14,1 Metern und ein Deplacement von 320 Tonnen haben; 850 Pferdestärken sollen ihnen eine Schnelligkeit von 14 Knoten geben. Die Boote der <ü-Klasse unterscheiden sich aber von den früher gebauten Booten noch durch eine Reihe von Verbesserungen, die sowohl ihre Verwendung auf hoher See erleichtern als auch ihre Angriffs- und Verteidigungsfähigkeit erhöhen. Während nämlich alle andern Unterseeboote der englischen Flotte wie die ganze Hollandklasse der amerikanischen Marine nur eine Schraube haben, werden die O-Boote von zwei Schrauben angetrieben, wodurch ihre Manövrierfähigkeit und zugleich auch die Schnelligkeit in aufgetauchten Zustande noch über 14 Knoten hinaus gesteigert werden kann. Ferner sind diese Boote mit zwei Periskopen anstatt nur mit einem ausgerüstet, wie es bis jetzt bei den Unterseebooten aller Flotten der Fall ist. Auf diese Weise wird natürlich die Seefähigkeit der Boote bedeutend gesteigert, was von hohem Werte erscheint. Was die zwölf neuen, im letzten Marineetat bewilligten Unterseeboote an¬ langt, so hat Vickers zurzeit eins davon in Bau, das als Versuchsmodell dienen soll. Es heißt, es werde ein Deplacement von 550 Tonnen erhalten und statt mit zwei, wie die bisherigen Boote, mit drei Ausstoßrohren versehen sein, davon zwei am Bug und eins am Heat; die Fahrgeschwindigkeit soll 15 Knoten be¬ tragen. Es ist aber noch keineswegs bestimmt, wie vielfach schon als sicher gemeldet wurde, daß diese neuen Boote als Tauchboote gebaut werden. Wie in Frankreich, so steht auch in England zurzeit die Frage der am besten ge¬ eigneten Mvtore für Unterseeboote im Vordergrunde des Interesses, wobei Be¬ achtung verdient, daß alle Boote mit Ausnahme von .^13, das einen Petroleum¬ motor hat, mit Gasolinmotoren versehen sind. Zugleich mit dem Beginn der neusten Unterseeboote hat die Marinever¬ waltung bestimmt, daß die bisherige Klasseneinteilung der Boote aufhören solle; sie werden demnächst, mit der Hollandklasse beginnend, durchnumeriert werden. Von den übrigen Seemächten ist wohl Nußland am meisten bemüht, es dem französischen Verbündeten auf dem Gebiete des Unterseebootwesens gleich zu tun. Im Jahre 1901 baute die Admiralität nach eignen Plänen das erste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/458>, abgerufen am 23.07.2024.