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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage

Minen am Boden feindlicher Schiffe zu befestigen und anzuzünden. Die bis
1893 mit diesem Boote ausgeführten Versuche ergaben, daß es unter Wasser
nach Belieben vor- und rückwärts gehen, Bojen umkreisen, auf der Stelle drehen,
tauchen und auftauchen konnte. Trotzdem wurden von der amtlichen Prüfungs¬
kommission die militärischen Eigenschaften des Bootes für unzureichend erachtet,
hauptsächlich wohl wegen der geringen Geschwindigkeit (vier Knoten). Es wurde
später von einer englischen Gesellschaft zur Anstellung weitrer Versuche ange¬
kauft. Mehr Erfolg hatte Zede mit seinem ersten Boote Gymnote, das von
der französischen Marineverwaltung angenommen und in dem Typ Morse weiter
verbessert wurde. Dieser Typ diente als Borbild für eine Reihe von Booten,
die in der französischen Fachliteratur als Lou8-marin8 xrc>ol6inspe ans, das
heißt als reine Unterseeboote, bezeichnet werden. Der Morse wurde von dem
Ingenieur Romazotti konstruiert und lief 1899 in Cherbourg vom Stapel; er
ist das erste Boot, das mit einem Periskop versehen ist. Dieses höchst sinn¬
reiche Instrument besteht wesentlich in einer Röhre von 20 Zentimetern Durch¬
messer, die oben ein Glasprisma trägt, das horizontal eintretende Strahlen
nach unten reflektiert, wo sie durch ein System von Linsen und Prismen dem
Auge des Bootführers zugänglich gemacht werden. Die Röhre wird aus dem
etwa fünf Meter untergetauchten Boote senkrecht nach oben geschoben, und der
Apparat darin ist um seine Vertikalachse drehbar, damit man den ganzen
Horizont absuchen kann. Ein Nachteil des Morsetyps ist der geringe Aktions¬
radius und der Umstand, daß die Fortbewegung nur durch Elektrizität bewirkt
wird. Die Boote sind infolgedessen an Operationsbasen gebunden, die ihnen
von Zeit zu Zeit die verbrauchte elektrische Energie zuführen; sie eignen sich
mithin nicht zu größern Offensivunternehmungen. Das französische Marine¬
ministerium erließ darum Ende der neunziger Jahre ein zweites Preisausschreiben,
bei dem die Fähigkeit zur Offensive in den Vordergrund trat. In diesem Wett¬
bewerb siegte der Ingenieur Lcmbeuf. Sein Unterseeboot Narval (Stapellauf 1899)
gehört zur Gattung der Tauchboote (8üben6rsib1s8), die mehr oder weniger auf¬
getaucht mittels thermischer Maschinen und bei besondern Gelegenheiten, zum
Beispiel während des Angriffs, mittels elektrischer Maschinen unter Wasser
fahren sollen. Ihre Unabhängigkeit von einer bestimmten Operationsbasis soll
dadurch erreicht werden, daß die Ladung der zum Betriebe der elektrischen
Maschinen dienenden Akkumulatoren von der thermischen Maschine geleistet wird,
während das Boot an der Oberflüche fährt. Man Hütte nun glauben sollen,
daß sich die Franzosen nach so eingehenden jahrelangen Versuchen allmählich
für einen bestimmten Unterseeboottyp entschieden haben würden. Aber das
Gegenteil ist eingetroffen. Fortwährend sind neue Modelle versucht worden,
sodaß unter den bis setzt vorhandnen 41 reinen Unterseebooten 10 verschiedne
Modelle vertreten sind, deren Deplacement zwischen 20 und 430 Tonnen
schwankt, und daß sich unter den 13 fertigen und 6 im Bau begriffnen Tauch¬
booten 6 unterschiedliche Typen finden, die eine Wasserverdrängung von 106


Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage

Minen am Boden feindlicher Schiffe zu befestigen und anzuzünden. Die bis
1893 mit diesem Boote ausgeführten Versuche ergaben, daß es unter Wasser
nach Belieben vor- und rückwärts gehen, Bojen umkreisen, auf der Stelle drehen,
tauchen und auftauchen konnte. Trotzdem wurden von der amtlichen Prüfungs¬
kommission die militärischen Eigenschaften des Bootes für unzureichend erachtet,
hauptsächlich wohl wegen der geringen Geschwindigkeit (vier Knoten). Es wurde
später von einer englischen Gesellschaft zur Anstellung weitrer Versuche ange¬
kauft. Mehr Erfolg hatte Zede mit seinem ersten Boote Gymnote, das von
der französischen Marineverwaltung angenommen und in dem Typ Morse weiter
verbessert wurde. Dieser Typ diente als Borbild für eine Reihe von Booten,
die in der französischen Fachliteratur als Lou8-marin8 xrc>ol6inspe ans, das
heißt als reine Unterseeboote, bezeichnet werden. Der Morse wurde von dem
Ingenieur Romazotti konstruiert und lief 1899 in Cherbourg vom Stapel; er
ist das erste Boot, das mit einem Periskop versehen ist. Dieses höchst sinn¬
reiche Instrument besteht wesentlich in einer Röhre von 20 Zentimetern Durch¬
messer, die oben ein Glasprisma trägt, das horizontal eintretende Strahlen
nach unten reflektiert, wo sie durch ein System von Linsen und Prismen dem
Auge des Bootführers zugänglich gemacht werden. Die Röhre wird aus dem
etwa fünf Meter untergetauchten Boote senkrecht nach oben geschoben, und der
Apparat darin ist um seine Vertikalachse drehbar, damit man den ganzen
Horizont absuchen kann. Ein Nachteil des Morsetyps ist der geringe Aktions¬
radius und der Umstand, daß die Fortbewegung nur durch Elektrizität bewirkt
wird. Die Boote sind infolgedessen an Operationsbasen gebunden, die ihnen
von Zeit zu Zeit die verbrauchte elektrische Energie zuführen; sie eignen sich
mithin nicht zu größern Offensivunternehmungen. Das französische Marine¬
ministerium erließ darum Ende der neunziger Jahre ein zweites Preisausschreiben,
bei dem die Fähigkeit zur Offensive in den Vordergrund trat. In diesem Wett¬
bewerb siegte der Ingenieur Lcmbeuf. Sein Unterseeboot Narval (Stapellauf 1899)
gehört zur Gattung der Tauchboote (8üben6rsib1s8), die mehr oder weniger auf¬
getaucht mittels thermischer Maschinen und bei besondern Gelegenheiten, zum
Beispiel während des Angriffs, mittels elektrischer Maschinen unter Wasser
fahren sollen. Ihre Unabhängigkeit von einer bestimmten Operationsbasis soll
dadurch erreicht werden, daß die Ladung der zum Betriebe der elektrischen
Maschinen dienenden Akkumulatoren von der thermischen Maschine geleistet wird,
während das Boot an der Oberflüche fährt. Man Hütte nun glauben sollen,
daß sich die Franzosen nach so eingehenden jahrelangen Versuchen allmählich
für einen bestimmten Unterseeboottyp entschieden haben würden. Aber das
Gegenteil ist eingetroffen. Fortwährend sind neue Modelle versucht worden,
sodaß unter den bis setzt vorhandnen 41 reinen Unterseebooten 10 verschiedne
Modelle vertreten sind, deren Deplacement zwischen 20 und 430 Tonnen
schwankt, und daß sich unter den 13 fertigen und 6 im Bau begriffnen Tauch¬
booten 6 unterschiedliche Typen finden, die eine Wasserverdrängung von 106


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[0456] Der gegenwärtige Stand der Unterwasserbootfrage Minen am Boden feindlicher Schiffe zu befestigen und anzuzünden. Die bis 1893 mit diesem Boote ausgeführten Versuche ergaben, daß es unter Wasser nach Belieben vor- und rückwärts gehen, Bojen umkreisen, auf der Stelle drehen, tauchen und auftauchen konnte. Trotzdem wurden von der amtlichen Prüfungs¬ kommission die militärischen Eigenschaften des Bootes für unzureichend erachtet, hauptsächlich wohl wegen der geringen Geschwindigkeit (vier Knoten). Es wurde später von einer englischen Gesellschaft zur Anstellung weitrer Versuche ange¬ kauft. Mehr Erfolg hatte Zede mit seinem ersten Boote Gymnote, das von der französischen Marineverwaltung angenommen und in dem Typ Morse weiter verbessert wurde. Dieser Typ diente als Borbild für eine Reihe von Booten, die in der französischen Fachliteratur als Lou8-marin8 xrc>ol6inspe ans, das heißt als reine Unterseeboote, bezeichnet werden. Der Morse wurde von dem Ingenieur Romazotti konstruiert und lief 1899 in Cherbourg vom Stapel; er ist das erste Boot, das mit einem Periskop versehen ist. Dieses höchst sinn¬ reiche Instrument besteht wesentlich in einer Röhre von 20 Zentimetern Durch¬ messer, die oben ein Glasprisma trägt, das horizontal eintretende Strahlen nach unten reflektiert, wo sie durch ein System von Linsen und Prismen dem Auge des Bootführers zugänglich gemacht werden. Die Röhre wird aus dem etwa fünf Meter untergetauchten Boote senkrecht nach oben geschoben, und der Apparat darin ist um seine Vertikalachse drehbar, damit man den ganzen Horizont absuchen kann. Ein Nachteil des Morsetyps ist der geringe Aktions¬ radius und der Umstand, daß die Fortbewegung nur durch Elektrizität bewirkt wird. Die Boote sind infolgedessen an Operationsbasen gebunden, die ihnen von Zeit zu Zeit die verbrauchte elektrische Energie zuführen; sie eignen sich mithin nicht zu größern Offensivunternehmungen. Das französische Marine¬ ministerium erließ darum Ende der neunziger Jahre ein zweites Preisausschreiben, bei dem die Fähigkeit zur Offensive in den Vordergrund trat. In diesem Wett¬ bewerb siegte der Ingenieur Lcmbeuf. Sein Unterseeboot Narval (Stapellauf 1899) gehört zur Gattung der Tauchboote (8üben6rsib1s8), die mehr oder weniger auf¬ getaucht mittels thermischer Maschinen und bei besondern Gelegenheiten, zum Beispiel während des Angriffs, mittels elektrischer Maschinen unter Wasser fahren sollen. Ihre Unabhängigkeit von einer bestimmten Operationsbasis soll dadurch erreicht werden, daß die Ladung der zum Betriebe der elektrischen Maschinen dienenden Akkumulatoren von der thermischen Maschine geleistet wird, während das Boot an der Oberflüche fährt. Man Hütte nun glauben sollen, daß sich die Franzosen nach so eingehenden jahrelangen Versuchen allmählich für einen bestimmten Unterseeboottyp entschieden haben würden. Aber das Gegenteil ist eingetroffen. Fortwährend sind neue Modelle versucht worden, sodaß unter den bis setzt vorhandnen 41 reinen Unterseebooten 10 verschiedne Modelle vertreten sind, deren Deplacement zwischen 20 und 430 Tonnen schwankt, und daß sich unter den 13 fertigen und 6 im Bau begriffnen Tauch¬ booten 6 unterschiedliche Typen finden, die eine Wasserverdrängung von 106

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/456>, abgerufen am 26.06.2024.