Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aaffeefrcige in Brasilien

dachte. Das in die Valorisation gesteckte Kapital erreicht etwa 14 Millionen
Pfund Sterling und wurde nnter sich immer schwieriger gestaltenden Ver¬
hältnissen ausgebracht. Anfänglich gab der Staat fünfprozentige Schatzscheine
aus, die zum Kurse von 95 Prozent Aufnahme fanden, während spätere
Kapitalaufnahmen bis nahe zum Emissiouskurs von 85 Prozent herabgedrückt
wurden. Die aufgekauften Kafseevorräte wurden in Europa und Nordamerika
zu 80 Prozent ihres Marktwertes an Banken verpfändet, deren Vorschüsse
häufiger Erneuerung bedürfen und bei den heutigen Geldniarktverhältnissen hohe
Zinsen verschlingen. Die brasilianische Bundesregierung hat schließlich in Überein¬
stimmung mit der ihr vom Nationalkongreß erteilten Ermächtigung 3 Millionen
Pfund aufgenommen, um dem Staate Sav Paulo zu Hilfe zu kommen.

Brasilien befindet sich zurzeit in einer verhältnismäßig günstigen finanziellen
Lage, und das Eingreifen der brasilianischen Bundesregierung hat schon heute
die Wirkung erzeugt, daß eine Gefährdung der "Kaffecvalorisationsoperationen"
vorläufig ausgeschlossen erscheint. Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß die
Bundesregierung im nächsten Jahre im Bedarfsfalle neue Kredite flüssig machen
wird, mit deren Hilfe Sav Paulo seine Kaffeclager intakt erhalten kann.

Wie schließlich das Valorisationsabenteuer endigt, hängt allerdings vom
Zufall der nächsten Ernten ab. Es ist schon möglich, daß Sav Paulo schließlich
einen Teil seiner Vorräte zu Valorisationspreiscn abzustoßen vermag. Wie
der Staat aber pas ganze Quantum wieder los werden soll, ist vorläufig ein
Rätsel. Es müßte schon die Kaffeepest in den Pflanzungen ausbrechen und
diese größtenteils zum Eingehen bringen, oder es müßte der Kaffeekonsum in
ganz unwahrscheinlichen Verhältnisse zunehmen. Auf andre Weise dürfte es
nicht möglich sein, sich des Überflusses zu entledigen. Und länger als einige
^ahrc wird mau den Kaffee schwerlich auf Lager behalten können. Vielleicht
nimmt man wirklich zu Vernichtungsmitteln seine Zuflucht. An Vorschlägen
nach dieser Richtung hin hat es nicht gefehlt. Ermöglichen einige schlechte
Ernten den Verkauf eines Teiles der Vorräte und versenkt man, wie vor¬
geschlagen wurde, den Rest ins Meer, so mag der Verlust zwar groß sein,
aber Brasilien ist ein reiches Land, und eine Einbuße von einigen Millionen
Pfund Sterling wird wehe tun, aber nicht zum Ruin führen. Diese Ansicht
scheint in Brasilien manche Parteigänger zu haben. Ein späterer Zwangs¬
verkauf einiger Millionen Sack restierender offizieller Kaffeevorräte würde
jedenfalls eine ruinöse Marktlage für die Pflanzer schaffen, und es ist voraus¬
zusehen, daß man diesen auf irgendeine Weise wird Rettung bringen "vollen.
In welcher Form das schließlich geschieht, bleibt allerdings vielleicht noch
mehrere Jahre eine interessante offne Frage.




Aaffeefrcige in Brasilien

dachte. Das in die Valorisation gesteckte Kapital erreicht etwa 14 Millionen
Pfund Sterling und wurde nnter sich immer schwieriger gestaltenden Ver¬
hältnissen ausgebracht. Anfänglich gab der Staat fünfprozentige Schatzscheine
aus, die zum Kurse von 95 Prozent Aufnahme fanden, während spätere
Kapitalaufnahmen bis nahe zum Emissiouskurs von 85 Prozent herabgedrückt
wurden. Die aufgekauften Kafseevorräte wurden in Europa und Nordamerika
zu 80 Prozent ihres Marktwertes an Banken verpfändet, deren Vorschüsse
häufiger Erneuerung bedürfen und bei den heutigen Geldniarktverhältnissen hohe
Zinsen verschlingen. Die brasilianische Bundesregierung hat schließlich in Überein¬
stimmung mit der ihr vom Nationalkongreß erteilten Ermächtigung 3 Millionen
Pfund aufgenommen, um dem Staate Sav Paulo zu Hilfe zu kommen.

Brasilien befindet sich zurzeit in einer verhältnismäßig günstigen finanziellen
Lage, und das Eingreifen der brasilianischen Bundesregierung hat schon heute
die Wirkung erzeugt, daß eine Gefährdung der „Kaffecvalorisationsoperationen"
vorläufig ausgeschlossen erscheint. Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß die
Bundesregierung im nächsten Jahre im Bedarfsfalle neue Kredite flüssig machen
wird, mit deren Hilfe Sav Paulo seine Kaffeclager intakt erhalten kann.

Wie schließlich das Valorisationsabenteuer endigt, hängt allerdings vom
Zufall der nächsten Ernten ab. Es ist schon möglich, daß Sav Paulo schließlich
einen Teil seiner Vorräte zu Valorisationspreiscn abzustoßen vermag. Wie
der Staat aber pas ganze Quantum wieder los werden soll, ist vorläufig ein
Rätsel. Es müßte schon die Kaffeepest in den Pflanzungen ausbrechen und
diese größtenteils zum Eingehen bringen, oder es müßte der Kaffeekonsum in
ganz unwahrscheinlichen Verhältnisse zunehmen. Auf andre Weise dürfte es
nicht möglich sein, sich des Überflusses zu entledigen. Und länger als einige
^ahrc wird mau den Kaffee schwerlich auf Lager behalten können. Vielleicht
nimmt man wirklich zu Vernichtungsmitteln seine Zuflucht. An Vorschlägen
nach dieser Richtung hin hat es nicht gefehlt. Ermöglichen einige schlechte
Ernten den Verkauf eines Teiles der Vorräte und versenkt man, wie vor¬
geschlagen wurde, den Rest ins Meer, so mag der Verlust zwar groß sein,
aber Brasilien ist ein reiches Land, und eine Einbuße von einigen Millionen
Pfund Sterling wird wehe tun, aber nicht zum Ruin führen. Diese Ansicht
scheint in Brasilien manche Parteigänger zu haben. Ein späterer Zwangs¬
verkauf einiger Millionen Sack restierender offizieller Kaffeevorräte würde
jedenfalls eine ruinöse Marktlage für die Pflanzer schaffen, und es ist voraus¬
zusehen, daß man diesen auf irgendeine Weise wird Rettung bringen »vollen.
In welcher Form das schließlich geschieht, bleibt allerdings vielleicht noch
mehrere Jahre eine interessante offne Frage.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303763"/>
          <fw type="header" place="top"> Aaffeefrcige in Brasilien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1548" prev="#ID_1547"> dachte. Das in die Valorisation gesteckte Kapital erreicht etwa 14 Millionen<lb/>
Pfund Sterling und wurde nnter sich immer schwieriger gestaltenden Ver¬<lb/>
hältnissen ausgebracht. Anfänglich gab der Staat fünfprozentige Schatzscheine<lb/>
aus, die zum Kurse von 95 Prozent Aufnahme fanden, während spätere<lb/>
Kapitalaufnahmen bis nahe zum Emissiouskurs von 85 Prozent herabgedrückt<lb/>
wurden. Die aufgekauften Kafseevorräte wurden in Europa und Nordamerika<lb/>
zu 80 Prozent ihres Marktwertes an Banken verpfändet, deren Vorschüsse<lb/>
häufiger Erneuerung bedürfen und bei den heutigen Geldniarktverhältnissen hohe<lb/>
Zinsen verschlingen. Die brasilianische Bundesregierung hat schließlich in Überein¬<lb/>
stimmung mit der ihr vom Nationalkongreß erteilten Ermächtigung 3 Millionen<lb/>
Pfund aufgenommen, um dem Staate Sav Paulo zu Hilfe zu kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1549"> Brasilien befindet sich zurzeit in einer verhältnismäßig günstigen finanziellen<lb/>
Lage, und das Eingreifen der brasilianischen Bundesregierung hat schon heute<lb/>
die Wirkung erzeugt, daß eine Gefährdung der &#x201E;Kaffecvalorisationsoperationen"<lb/>
vorläufig ausgeschlossen erscheint. Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß die<lb/>
Bundesregierung im nächsten Jahre im Bedarfsfalle neue Kredite flüssig machen<lb/>
wird, mit deren Hilfe Sav Paulo seine Kaffeclager intakt erhalten kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1550"> Wie schließlich das Valorisationsabenteuer endigt, hängt allerdings vom<lb/>
Zufall der nächsten Ernten ab. Es ist schon möglich, daß Sav Paulo schließlich<lb/>
einen Teil seiner Vorräte zu Valorisationspreiscn abzustoßen vermag. Wie<lb/>
der Staat aber pas ganze Quantum wieder los werden soll, ist vorläufig ein<lb/>
Rätsel. Es müßte schon die Kaffeepest in den Pflanzungen ausbrechen und<lb/>
diese größtenteils zum Eingehen bringen, oder es müßte der Kaffeekonsum in<lb/>
ganz unwahrscheinlichen Verhältnisse zunehmen. Auf andre Weise dürfte es<lb/>
nicht möglich sein, sich des Überflusses zu entledigen. Und länger als einige<lb/>
^ahrc wird mau den Kaffee schwerlich auf Lager behalten können. Vielleicht<lb/>
nimmt man wirklich zu Vernichtungsmitteln seine Zuflucht. An Vorschlägen<lb/>
nach dieser Richtung hin hat es nicht gefehlt. Ermöglichen einige schlechte<lb/>
Ernten den Verkauf eines Teiles der Vorräte und versenkt man, wie vor¬<lb/>
geschlagen wurde, den Rest ins Meer, so mag der Verlust zwar groß sein,<lb/>
aber Brasilien ist ein reiches Land, und eine Einbuße von einigen Millionen<lb/>
Pfund Sterling wird wehe tun, aber nicht zum Ruin führen. Diese Ansicht<lb/>
scheint in Brasilien manche Parteigänger zu haben. Ein späterer Zwangs¬<lb/>
verkauf einiger Millionen Sack restierender offizieller Kaffeevorräte würde<lb/>
jedenfalls eine ruinöse Marktlage für die Pflanzer schaffen, und es ist voraus¬<lb/>
zusehen, daß man diesen auf irgendeine Weise wird Rettung bringen »vollen.<lb/>
In welcher Form das schließlich geschieht, bleibt allerdings vielleicht noch<lb/>
mehrere Jahre eine interessante offne Frage.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] Aaffeefrcige in Brasilien dachte. Das in die Valorisation gesteckte Kapital erreicht etwa 14 Millionen Pfund Sterling und wurde nnter sich immer schwieriger gestaltenden Ver¬ hältnissen ausgebracht. Anfänglich gab der Staat fünfprozentige Schatzscheine aus, die zum Kurse von 95 Prozent Aufnahme fanden, während spätere Kapitalaufnahmen bis nahe zum Emissiouskurs von 85 Prozent herabgedrückt wurden. Die aufgekauften Kafseevorräte wurden in Europa und Nordamerika zu 80 Prozent ihres Marktwertes an Banken verpfändet, deren Vorschüsse häufiger Erneuerung bedürfen und bei den heutigen Geldniarktverhältnissen hohe Zinsen verschlingen. Die brasilianische Bundesregierung hat schließlich in Überein¬ stimmung mit der ihr vom Nationalkongreß erteilten Ermächtigung 3 Millionen Pfund aufgenommen, um dem Staate Sav Paulo zu Hilfe zu kommen. Brasilien befindet sich zurzeit in einer verhältnismäßig günstigen finanziellen Lage, und das Eingreifen der brasilianischen Bundesregierung hat schon heute die Wirkung erzeugt, daß eine Gefährdung der „Kaffecvalorisationsoperationen" vorläufig ausgeschlossen erscheint. Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß die Bundesregierung im nächsten Jahre im Bedarfsfalle neue Kredite flüssig machen wird, mit deren Hilfe Sav Paulo seine Kaffeclager intakt erhalten kann. Wie schließlich das Valorisationsabenteuer endigt, hängt allerdings vom Zufall der nächsten Ernten ab. Es ist schon möglich, daß Sav Paulo schließlich einen Teil seiner Vorräte zu Valorisationspreiscn abzustoßen vermag. Wie der Staat aber pas ganze Quantum wieder los werden soll, ist vorläufig ein Rätsel. Es müßte schon die Kaffeepest in den Pflanzungen ausbrechen und diese größtenteils zum Eingehen bringen, oder es müßte der Kaffeekonsum in ganz unwahrscheinlichen Verhältnisse zunehmen. Auf andre Weise dürfte es nicht möglich sein, sich des Überflusses zu entledigen. Und länger als einige ^ahrc wird mau den Kaffee schwerlich auf Lager behalten können. Vielleicht nimmt man wirklich zu Vernichtungsmitteln seine Zuflucht. An Vorschlägen nach dieser Richtung hin hat es nicht gefehlt. Ermöglichen einige schlechte Ernten den Verkauf eines Teiles der Vorräte und versenkt man, wie vor¬ geschlagen wurde, den Rest ins Meer, so mag der Verlust zwar groß sein, aber Brasilien ist ein reiches Land, und eine Einbuße von einigen Millionen Pfund Sterling wird wehe tun, aber nicht zum Ruin führen. Diese Ansicht scheint in Brasilien manche Parteigänger zu haben. Ein späterer Zwangs¬ verkauf einiger Millionen Sack restierender offizieller Kaffeevorräte würde jedenfalls eine ruinöse Marktlage für die Pflanzer schaffen, und es ist voraus¬ zusehen, daß man diesen auf irgendeine Weise wird Rettung bringen »vollen. In welcher Form das schließlich geschieht, bleibt allerdings vielleicht noch mehrere Jahre eine interessante offne Frage.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/347>, abgerufen am 23.07.2024.