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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Großbritannien und Deutschland

längst vorüber, und außerdem werden alle internationalen Verträge von sou¬
veränen Staaten immer mehr die Form von Abmachungen annehmen, wie sie
große Trusts zur Abgrenzung ihrer Interessensphären schon seit Jahren abzu¬
schließen pflegten.

Deutschland, Amerika und England gehören gemeinsam der germanisch-
Protestantischen Welt an, die in den letzten Jahrhunderten siegreich die romanisch¬
katholische überwunden und in der Neuzeit völlig in den Schatten gestellt
hat. Mit feinem historischem Verständnis hat der unvergeßliche Graf Jorck
von Wartenburg in seiner Weltgeschichte in Umrissen die Gründe auseinander¬
gesetzt, weshalb das germanisch-protestantische Prinzip voraussichtlich zur welt¬
geschichtlichen Zukunft berufen ist, aber auch hervorgehoben, daß es noch viel
darum zu kämpfen haben wird, weil seine Entwicklungsfreiheit und individuelle
Selbständigkeit natürlich auch viele zentrifugale Kräfte erzeugen werden, denen
die unbedingte Konzentration der Kraft in den festgeschlossenen Staatsbildungen
von Rußland, Frankreich und Japan gegenübersteht. Nun ist die Annäherung
der Vereinigten Staaten und Deutschlands in den letzten Jahren erfreulicher¬
weise immer weiter vorwärts geschritten, und andrerseits ist England mit einigem
Erfolg bemüht gewesen, sich die amerikanische Freundschaft zu erhalten, sodaß
es nur noch einer aufrichtigen Verständigung zwischen der britischen und der
deutschen Regierung bedarf, um die germanisch-protestantische Welt zum gegen¬
seitigen Vorteil ihrer Glieder enger zusammenzuschließen.

Es ist das eigenste Verdienst unsers Kaisers, der mit dem eisernen
Pflichtgefühl der Hohenzollern den Blick des Genius vereint und die Zeichen
seiner Zeit zu deuten weiß, die Wichtigkeit nicht nur Amerikas, sondern auch
Englands für die Zukunft unsers Vaterlandes erkannt und allen Volksströmungen
zum Trotz sich diese Überzeugung bewahrt zu haben. Mit Recht wurde vor
einigen Tagen von einem Londoner Blatte darauf hingewiesen, daß der Kaiser
schon am 10. Juli 1891 bei einem Frühstück in der Guildhall in London den
Toast des Lordmayors mit den Worten erwidert habe: Ich werde stets, soweit
es in Meiner Macht steht, die historische Freundschaft zwischen diesen unsern
beiden Nationen bewahren, welche man so oft nebeneinander gesehen hat zum
Schutze der Freiheit und der Gerechtigkeit.

Die historische Freundschaft, von der der Kaiser sprach, wird von dem
heutigen Geschlecht, das sich fast nur noch für die Sensationen des Tages
interessiert, viel zu wenig gekannt, und doch ist es nur England zu danken gewesen,
daß die Kraft des ultramontan-katholischen Philipps des Zweiten von Spanien
gebrochen und damit die römische Gegenreformation gelähmt, daß Frankreichs
Übermut in einer langen Reihe großer Kriege niedergerungen und Österreich
verhindert wurde, Preußen zu erdrücken. Allerdings ist es nicht ausschließlich
die Gemeinsamkeit der Abstammung und später auch des protestantischen Glaubens
gewesen, die Briten und Deutsche so oft auf den Schlachtfeldern Schulter an


Großbritannien und Deutschland

längst vorüber, und außerdem werden alle internationalen Verträge von sou¬
veränen Staaten immer mehr die Form von Abmachungen annehmen, wie sie
große Trusts zur Abgrenzung ihrer Interessensphären schon seit Jahren abzu¬
schließen pflegten.

Deutschland, Amerika und England gehören gemeinsam der germanisch-
Protestantischen Welt an, die in den letzten Jahrhunderten siegreich die romanisch¬
katholische überwunden und in der Neuzeit völlig in den Schatten gestellt
hat. Mit feinem historischem Verständnis hat der unvergeßliche Graf Jorck
von Wartenburg in seiner Weltgeschichte in Umrissen die Gründe auseinander¬
gesetzt, weshalb das germanisch-protestantische Prinzip voraussichtlich zur welt¬
geschichtlichen Zukunft berufen ist, aber auch hervorgehoben, daß es noch viel
darum zu kämpfen haben wird, weil seine Entwicklungsfreiheit und individuelle
Selbständigkeit natürlich auch viele zentrifugale Kräfte erzeugen werden, denen
die unbedingte Konzentration der Kraft in den festgeschlossenen Staatsbildungen
von Rußland, Frankreich und Japan gegenübersteht. Nun ist die Annäherung
der Vereinigten Staaten und Deutschlands in den letzten Jahren erfreulicher¬
weise immer weiter vorwärts geschritten, und andrerseits ist England mit einigem
Erfolg bemüht gewesen, sich die amerikanische Freundschaft zu erhalten, sodaß
es nur noch einer aufrichtigen Verständigung zwischen der britischen und der
deutschen Regierung bedarf, um die germanisch-protestantische Welt zum gegen¬
seitigen Vorteil ihrer Glieder enger zusammenzuschließen.

Es ist das eigenste Verdienst unsers Kaisers, der mit dem eisernen
Pflichtgefühl der Hohenzollern den Blick des Genius vereint und die Zeichen
seiner Zeit zu deuten weiß, die Wichtigkeit nicht nur Amerikas, sondern auch
Englands für die Zukunft unsers Vaterlandes erkannt und allen Volksströmungen
zum Trotz sich diese Überzeugung bewahrt zu haben. Mit Recht wurde vor
einigen Tagen von einem Londoner Blatte darauf hingewiesen, daß der Kaiser
schon am 10. Juli 1891 bei einem Frühstück in der Guildhall in London den
Toast des Lordmayors mit den Worten erwidert habe: Ich werde stets, soweit
es in Meiner Macht steht, die historische Freundschaft zwischen diesen unsern
beiden Nationen bewahren, welche man so oft nebeneinander gesehen hat zum
Schutze der Freiheit und der Gerechtigkeit.

Die historische Freundschaft, von der der Kaiser sprach, wird von dem
heutigen Geschlecht, das sich fast nur noch für die Sensationen des Tages
interessiert, viel zu wenig gekannt, und doch ist es nur England zu danken gewesen,
daß die Kraft des ultramontan-katholischen Philipps des Zweiten von Spanien
gebrochen und damit die römische Gegenreformation gelähmt, daß Frankreichs
Übermut in einer langen Reihe großer Kriege niedergerungen und Österreich
verhindert wurde, Preußen zu erdrücken. Allerdings ist es nicht ausschließlich
die Gemeinsamkeit der Abstammung und später auch des protestantischen Glaubens
gewesen, die Briten und Deutsche so oft auf den Schlachtfeldern Schulter an


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[0339] Großbritannien und Deutschland längst vorüber, und außerdem werden alle internationalen Verträge von sou¬ veränen Staaten immer mehr die Form von Abmachungen annehmen, wie sie große Trusts zur Abgrenzung ihrer Interessensphären schon seit Jahren abzu¬ schließen pflegten. Deutschland, Amerika und England gehören gemeinsam der germanisch- Protestantischen Welt an, die in den letzten Jahrhunderten siegreich die romanisch¬ katholische überwunden und in der Neuzeit völlig in den Schatten gestellt hat. Mit feinem historischem Verständnis hat der unvergeßliche Graf Jorck von Wartenburg in seiner Weltgeschichte in Umrissen die Gründe auseinander¬ gesetzt, weshalb das germanisch-protestantische Prinzip voraussichtlich zur welt¬ geschichtlichen Zukunft berufen ist, aber auch hervorgehoben, daß es noch viel darum zu kämpfen haben wird, weil seine Entwicklungsfreiheit und individuelle Selbständigkeit natürlich auch viele zentrifugale Kräfte erzeugen werden, denen die unbedingte Konzentration der Kraft in den festgeschlossenen Staatsbildungen von Rußland, Frankreich und Japan gegenübersteht. Nun ist die Annäherung der Vereinigten Staaten und Deutschlands in den letzten Jahren erfreulicher¬ weise immer weiter vorwärts geschritten, und andrerseits ist England mit einigem Erfolg bemüht gewesen, sich die amerikanische Freundschaft zu erhalten, sodaß es nur noch einer aufrichtigen Verständigung zwischen der britischen und der deutschen Regierung bedarf, um die germanisch-protestantische Welt zum gegen¬ seitigen Vorteil ihrer Glieder enger zusammenzuschließen. Es ist das eigenste Verdienst unsers Kaisers, der mit dem eisernen Pflichtgefühl der Hohenzollern den Blick des Genius vereint und die Zeichen seiner Zeit zu deuten weiß, die Wichtigkeit nicht nur Amerikas, sondern auch Englands für die Zukunft unsers Vaterlandes erkannt und allen Volksströmungen zum Trotz sich diese Überzeugung bewahrt zu haben. Mit Recht wurde vor einigen Tagen von einem Londoner Blatte darauf hingewiesen, daß der Kaiser schon am 10. Juli 1891 bei einem Frühstück in der Guildhall in London den Toast des Lordmayors mit den Worten erwidert habe: Ich werde stets, soweit es in Meiner Macht steht, die historische Freundschaft zwischen diesen unsern beiden Nationen bewahren, welche man so oft nebeneinander gesehen hat zum Schutze der Freiheit und der Gerechtigkeit. Die historische Freundschaft, von der der Kaiser sprach, wird von dem heutigen Geschlecht, das sich fast nur noch für die Sensationen des Tages interessiert, viel zu wenig gekannt, und doch ist es nur England zu danken gewesen, daß die Kraft des ultramontan-katholischen Philipps des Zweiten von Spanien gebrochen und damit die römische Gegenreformation gelähmt, daß Frankreichs Übermut in einer langen Reihe großer Kriege niedergerungen und Österreich verhindert wurde, Preußen zu erdrücken. Allerdings ist es nicht ausschließlich die Gemeinsamkeit der Abstammung und später auch des protestantischen Glaubens gewesen, die Briten und Deutsche so oft auf den Schlachtfeldern Schulter an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/339>, abgerufen am 26.06.2024.