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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Der Kursstand der deutschen Staatsanleihen, Scheckverkehr

schrift übergibt, und diese verrechnet ihn mit der Bank für Handel und Industrie.
Die Bewegung von Bargeld ist also vollkommen vermieden worden.

Durch diese Art der Zahlungsleistung, auf dem Wege des Scheckverkehrs,
entgeht der Kaufmann den Gefahren eigner Kassenführung: Verlust, Diebstahl,
Verzählen. Er spart viel Mühe und Zeit und erhält noch obendrein von der
Bank Zinsen für sein Guthaben. Zugleich aber leistet er der Allgemeinheit
große Dienste. Im Laufe eines Jahres werden zu Zahlungszwecken viele
Milliarden Mark bar hin und her getragen. Bei möglichst ausgedehnter An¬
wendung des Scheckverkehrs wird ein großer Teil dieses Geldes in den Kassen
der Banken, besonders auch in letzter Linie in den Kassen der Reichsbank,
verbleiben. Dieses Geld kann dem Wirtschaftsleben zu nutzbringender Verwendung
zur Verfügung gestellt werden, und zwar zu einem niedrigern Zinssatze als
bisher. Hierin liegt die Hauptbedeutung des Scheckverkehrs. Kann der Industrie
und dem Handel billiges Kapital geliehen werden, so wächst die Leistungs¬
fähigkeit beider Wirtschaftszweige im Wettbewerb mit dem Auslande. Seit
Jahren hat zum Beispiel England einen um etwa 1 Prozent niedrigern Zins¬
satz, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der englische Scheckverkehr alle Kreise
der Bevölkerung umfaßt, besonders auch Nichtkaufleute. In London werden
von allen Zahlungen bei Banken nur 3 Prozent bar, aber 97 Prozent in
Schenks geleistet. In England gehört es ja geradezu zum guten Ton, ein
Bankkonto zu haben, es wäre wünschenswert, daß auch wir zu ähnlichen An¬
schauungen kämen.

Ein Sinken des Zinssatzes hat automatisch ein Steigen des Kurses unsrer
Staatsanleihen, Pfandbriefobligationen, überhaupt aller fest verzinslichen
Wertpapiere zur Folge.

Aber in nicht kaufmännischen Kreisen bringt man in Deutschland gegen
den Scheckverkehr immer noch viele Einwendungen vor, die alle einer genauern
Prüfung nicht standhalten. Die bekanntesten Einwände sind: die Gefahr des
Diebstahls und Verlustes sei doch nicht so groß, der Vorteil der Ersparnis an
Mühe, Zeit und Porto und des Zinsgewinnes nicht ausreichend, um die Mühe,
die durch das Ausschreiben der Schenks, die Benachrichtigung der Bank usw. ent.
stehn, aufzuwiegen. Demgegenüber kann nur nach Erfahrungen der Praxis fest¬
gestellt werden, daß die Umgewöhnung in der Kassenführung eine ganz geringe
Mühe verursacht. Und der, der auf die Portoersparnis und den Zinsgewinn
keinen Wert legt, möge daran denken, daß er durch Beitritt zum Scheckverkehr
der Allgemeinheit große Dienste leistet. Wir sind überzeugt, daß der, der sich
ein Bankkonto erst einmal hat eröffnen lassen, die Annehmlichkeiten bald voll
erkennen und das Konto deshalb nicht mehr aufgeben wird. Niemand glaube,
daß seine kleinen Zahlungen des täglichen Lebens, zum Beispiel die Miete, das
Schulgeld, das Honorar für Arzt und Rechtsanwalt, Hypothekenzinsen, Steuern,
Rechnungen für Kleidung, Nahrung, Kohlen, Gas, Wasser, Elektrizität nicht
hoch genug seien, um die Errichtung des Bankkontos zu rechtfertigen. Den


Grenzboten IV 1S07 4
Der Kursstand der deutschen Staatsanleihen, Scheckverkehr

schrift übergibt, und diese verrechnet ihn mit der Bank für Handel und Industrie.
Die Bewegung von Bargeld ist also vollkommen vermieden worden.

Durch diese Art der Zahlungsleistung, auf dem Wege des Scheckverkehrs,
entgeht der Kaufmann den Gefahren eigner Kassenführung: Verlust, Diebstahl,
Verzählen. Er spart viel Mühe und Zeit und erhält noch obendrein von der
Bank Zinsen für sein Guthaben. Zugleich aber leistet er der Allgemeinheit
große Dienste. Im Laufe eines Jahres werden zu Zahlungszwecken viele
Milliarden Mark bar hin und her getragen. Bei möglichst ausgedehnter An¬
wendung des Scheckverkehrs wird ein großer Teil dieses Geldes in den Kassen
der Banken, besonders auch in letzter Linie in den Kassen der Reichsbank,
verbleiben. Dieses Geld kann dem Wirtschaftsleben zu nutzbringender Verwendung
zur Verfügung gestellt werden, und zwar zu einem niedrigern Zinssatze als
bisher. Hierin liegt die Hauptbedeutung des Scheckverkehrs. Kann der Industrie
und dem Handel billiges Kapital geliehen werden, so wächst die Leistungs¬
fähigkeit beider Wirtschaftszweige im Wettbewerb mit dem Auslande. Seit
Jahren hat zum Beispiel England einen um etwa 1 Prozent niedrigern Zins¬
satz, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der englische Scheckverkehr alle Kreise
der Bevölkerung umfaßt, besonders auch Nichtkaufleute. In London werden
von allen Zahlungen bei Banken nur 3 Prozent bar, aber 97 Prozent in
Schenks geleistet. In England gehört es ja geradezu zum guten Ton, ein
Bankkonto zu haben, es wäre wünschenswert, daß auch wir zu ähnlichen An¬
schauungen kämen.

Ein Sinken des Zinssatzes hat automatisch ein Steigen des Kurses unsrer
Staatsanleihen, Pfandbriefobligationen, überhaupt aller fest verzinslichen
Wertpapiere zur Folge.

Aber in nicht kaufmännischen Kreisen bringt man in Deutschland gegen
den Scheckverkehr immer noch viele Einwendungen vor, die alle einer genauern
Prüfung nicht standhalten. Die bekanntesten Einwände sind: die Gefahr des
Diebstahls und Verlustes sei doch nicht so groß, der Vorteil der Ersparnis an
Mühe, Zeit und Porto und des Zinsgewinnes nicht ausreichend, um die Mühe,
die durch das Ausschreiben der Schenks, die Benachrichtigung der Bank usw. ent.
stehn, aufzuwiegen. Demgegenüber kann nur nach Erfahrungen der Praxis fest¬
gestellt werden, daß die Umgewöhnung in der Kassenführung eine ganz geringe
Mühe verursacht. Und der, der auf die Portoersparnis und den Zinsgewinn
keinen Wert legt, möge daran denken, daß er durch Beitritt zum Scheckverkehr
der Allgemeinheit große Dienste leistet. Wir sind überzeugt, daß der, der sich
ein Bankkonto erst einmal hat eröffnen lassen, die Annehmlichkeiten bald voll
erkennen und das Konto deshalb nicht mehr aufgeben wird. Niemand glaube,
daß seine kleinen Zahlungen des täglichen Lebens, zum Beispiel die Miete, das
Schulgeld, das Honorar für Arzt und Rechtsanwalt, Hypothekenzinsen, Steuern,
Rechnungen für Kleidung, Nahrung, Kohlen, Gas, Wasser, Elektrizität nicht
hoch genug seien, um die Errichtung des Bankkontos zu rechtfertigen. Den


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[0033] Der Kursstand der deutschen Staatsanleihen, Scheckverkehr schrift übergibt, und diese verrechnet ihn mit der Bank für Handel und Industrie. Die Bewegung von Bargeld ist also vollkommen vermieden worden. Durch diese Art der Zahlungsleistung, auf dem Wege des Scheckverkehrs, entgeht der Kaufmann den Gefahren eigner Kassenführung: Verlust, Diebstahl, Verzählen. Er spart viel Mühe und Zeit und erhält noch obendrein von der Bank Zinsen für sein Guthaben. Zugleich aber leistet er der Allgemeinheit große Dienste. Im Laufe eines Jahres werden zu Zahlungszwecken viele Milliarden Mark bar hin und her getragen. Bei möglichst ausgedehnter An¬ wendung des Scheckverkehrs wird ein großer Teil dieses Geldes in den Kassen der Banken, besonders auch in letzter Linie in den Kassen der Reichsbank, verbleiben. Dieses Geld kann dem Wirtschaftsleben zu nutzbringender Verwendung zur Verfügung gestellt werden, und zwar zu einem niedrigern Zinssatze als bisher. Hierin liegt die Hauptbedeutung des Scheckverkehrs. Kann der Industrie und dem Handel billiges Kapital geliehen werden, so wächst die Leistungs¬ fähigkeit beider Wirtschaftszweige im Wettbewerb mit dem Auslande. Seit Jahren hat zum Beispiel England einen um etwa 1 Prozent niedrigern Zins¬ satz, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der englische Scheckverkehr alle Kreise der Bevölkerung umfaßt, besonders auch Nichtkaufleute. In London werden von allen Zahlungen bei Banken nur 3 Prozent bar, aber 97 Prozent in Schenks geleistet. In England gehört es ja geradezu zum guten Ton, ein Bankkonto zu haben, es wäre wünschenswert, daß auch wir zu ähnlichen An¬ schauungen kämen. Ein Sinken des Zinssatzes hat automatisch ein Steigen des Kurses unsrer Staatsanleihen, Pfandbriefobligationen, überhaupt aller fest verzinslichen Wertpapiere zur Folge. Aber in nicht kaufmännischen Kreisen bringt man in Deutschland gegen den Scheckverkehr immer noch viele Einwendungen vor, die alle einer genauern Prüfung nicht standhalten. Die bekanntesten Einwände sind: die Gefahr des Diebstahls und Verlustes sei doch nicht so groß, der Vorteil der Ersparnis an Mühe, Zeit und Porto und des Zinsgewinnes nicht ausreichend, um die Mühe, die durch das Ausschreiben der Schenks, die Benachrichtigung der Bank usw. ent. stehn, aufzuwiegen. Demgegenüber kann nur nach Erfahrungen der Praxis fest¬ gestellt werden, daß die Umgewöhnung in der Kassenführung eine ganz geringe Mühe verursacht. Und der, der auf die Portoersparnis und den Zinsgewinn keinen Wert legt, möge daran denken, daß er durch Beitritt zum Scheckverkehr der Allgemeinheit große Dienste leistet. Wir sind überzeugt, daß der, der sich ein Bankkonto erst einmal hat eröffnen lassen, die Annehmlichkeiten bald voll erkennen und das Konto deshalb nicht mehr aufgeben wird. Niemand glaube, daß seine kleinen Zahlungen des täglichen Lebens, zum Beispiel die Miete, das Schulgeld, das Honorar für Arzt und Rechtsanwalt, Hypothekenzinsen, Steuern, Rechnungen für Kleidung, Nahrung, Kohlen, Gas, Wasser, Elektrizität nicht hoch genug seien, um die Errichtung des Bankkontos zu rechtfertigen. Den Grenzboten IV 1S07 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/33>, abgerufen am 23.07.2024.