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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Betrachtungen zu den Kaisermanövern von ^9^?

Zur Nachrichtenübermittlung auf optischen Wege wurden verschiedne Feld¬
signalstationen verwandt, die in der Stunde bis zu dreihundert Worte gegenseitig
übermitteln konnten. Die Feldsignalstationen mit ihren vorzüglich arbeitenden
Apparaten, wie sie während des Aufstands in Deutschsüdwestafrika mit so großem
Nutzen verwandt worden sind, zeichnen sich durch schnelle Beweglichkeit der
einzelnen Stationen aus und sind wegen ihrer Fähigkeit, auch auf größere
Entfernungen ohne besondern Kräfteaufwand schnell Verbindungen herzustellen,
und wegen der Unmöglichkeit für den Gegner, die durch sie hergestellte Signal¬
linie zu unterbrechen, ein unentbehrliches Mittel des militärischen Melde- und
Nachrichtenwesens geworden. In diesem Jahre bei den Kaisermanövern sind
die Feldsignalstationen noch ganz besonders dadurch nützlich gewesen, daß sie
die Einführung einer neuen Art des Schiedsrichtersprnchs ermöglicht haben.
Die Entscheidung der Schiedsrichter litt bisher immer unter einer gewissen
Unnatürlichkeit, indem der einzelne Richter an Ort und Stelle entschied, je
nach der Lage und den Verhältnissen, wie sie sich unmittelbar vor seinen Augen
abspielten oder ihm durch Hilfsorgane in Sichtweite berichtet worden waren.
Darüber ging häufig nicht nur viel Zeit verloren, sondern sehr häufig paßte
auch der Schiedsrichterspruch nicht in den Rahmen des Ganzen. Das kam
natürlich daher, daß den Schiedsrichtern die Orientierung über die Gesamt-
sitnation auf beiden Seiten oder über den Gang der Ereignisse an entfernter
liegenden Punkten des Gefechtsfeldes fehlte. Diesem Übelstand haben nun die
Feldsignalabteilungen dadurch abgeholfen, daß sie zu Beginn jedes Übungstages
eine dauernde Verbindung zwischen den vier Oberschiedsrichtern und den Schieds¬
richtern beider Parteien herstellten, wodurch diese in die Lage kamen, sich auf
Grund der Anmärsche und Verschiebungen hinter der Front schon beizeiten ein
Bild von dem voraussichtlichen Gange der Zusammenstöße zu machen. So
fielen denn die Entscheidungen prompt und ohne viel Aufenthalt, was dem
kriegsmäßigen Verlauf der Ereignisse sehr zustatten kam.

Die Luftschiffertruppen erschienen wiederum mit Fesselballons und unter¬
stützten die Führer beider Parteien wie die Oberleitung durch gute Nachrichten
über die Vorgänge. Hoffentlich ist aber die Zeit nicht mehr fern, wo der
lenkbare Ballon seine militärische Verwendbarkeit auch bei uns voll erreicht
und an den Manövern teilnehmen kann. Wir haben uns ja über die lenkbarem
Luftschiffe erst kürzlich an dieser Stelle eingehend ausgesprochen und können
den damaligen Ausführungen heute nur noch hinzufügen, daß unsre Erwartungen
durch die im Laufe des Septembers unternommnen Versuche mit dem Militür-
ballon des Hauptmanns Groß und dem Parsevalluftballon der Luftschiffahrt-
Studiengesellschaft durchaus in Erfüllung gegangen sind. Diese beiden Ballons
werden ja bekanntlich jetzt erneuert werden und sollen uns im Verein mit dem
Luftschiff des Grafen Zeppelin,^das ebenfalls zurzeit erprobt wird und durch
seine neunstündige Versuchsfahrt am 30. September eine bis jetzt unerreichte
Glanzleistung gezeigt hat, endgiltig darüber Aufschluß geben, welches dieser drei


Betrachtungen zu den Kaisermanövern von ^9^?

Zur Nachrichtenübermittlung auf optischen Wege wurden verschiedne Feld¬
signalstationen verwandt, die in der Stunde bis zu dreihundert Worte gegenseitig
übermitteln konnten. Die Feldsignalstationen mit ihren vorzüglich arbeitenden
Apparaten, wie sie während des Aufstands in Deutschsüdwestafrika mit so großem
Nutzen verwandt worden sind, zeichnen sich durch schnelle Beweglichkeit der
einzelnen Stationen aus und sind wegen ihrer Fähigkeit, auch auf größere
Entfernungen ohne besondern Kräfteaufwand schnell Verbindungen herzustellen,
und wegen der Unmöglichkeit für den Gegner, die durch sie hergestellte Signal¬
linie zu unterbrechen, ein unentbehrliches Mittel des militärischen Melde- und
Nachrichtenwesens geworden. In diesem Jahre bei den Kaisermanövern sind
die Feldsignalstationen noch ganz besonders dadurch nützlich gewesen, daß sie
die Einführung einer neuen Art des Schiedsrichtersprnchs ermöglicht haben.
Die Entscheidung der Schiedsrichter litt bisher immer unter einer gewissen
Unnatürlichkeit, indem der einzelne Richter an Ort und Stelle entschied, je
nach der Lage und den Verhältnissen, wie sie sich unmittelbar vor seinen Augen
abspielten oder ihm durch Hilfsorgane in Sichtweite berichtet worden waren.
Darüber ging häufig nicht nur viel Zeit verloren, sondern sehr häufig paßte
auch der Schiedsrichterspruch nicht in den Rahmen des Ganzen. Das kam
natürlich daher, daß den Schiedsrichtern die Orientierung über die Gesamt-
sitnation auf beiden Seiten oder über den Gang der Ereignisse an entfernter
liegenden Punkten des Gefechtsfeldes fehlte. Diesem Übelstand haben nun die
Feldsignalabteilungen dadurch abgeholfen, daß sie zu Beginn jedes Übungstages
eine dauernde Verbindung zwischen den vier Oberschiedsrichtern und den Schieds¬
richtern beider Parteien herstellten, wodurch diese in die Lage kamen, sich auf
Grund der Anmärsche und Verschiebungen hinter der Front schon beizeiten ein
Bild von dem voraussichtlichen Gange der Zusammenstöße zu machen. So
fielen denn die Entscheidungen prompt und ohne viel Aufenthalt, was dem
kriegsmäßigen Verlauf der Ereignisse sehr zustatten kam.

Die Luftschiffertruppen erschienen wiederum mit Fesselballons und unter¬
stützten die Führer beider Parteien wie die Oberleitung durch gute Nachrichten
über die Vorgänge. Hoffentlich ist aber die Zeit nicht mehr fern, wo der
lenkbare Ballon seine militärische Verwendbarkeit auch bei uns voll erreicht
und an den Manövern teilnehmen kann. Wir haben uns ja über die lenkbarem
Luftschiffe erst kürzlich an dieser Stelle eingehend ausgesprochen und können
den damaligen Ausführungen heute nur noch hinzufügen, daß unsre Erwartungen
durch die im Laufe des Septembers unternommnen Versuche mit dem Militür-
ballon des Hauptmanns Groß und dem Parsevalluftballon der Luftschiffahrt-
Studiengesellschaft durchaus in Erfüllung gegangen sind. Diese beiden Ballons
werden ja bekanntlich jetzt erneuert werden und sollen uns im Verein mit dem
Luftschiff des Grafen Zeppelin,^das ebenfalls zurzeit erprobt wird und durch
seine neunstündige Versuchsfahrt am 30. September eine bis jetzt unerreichte
Glanzleistung gezeigt hat, endgiltig darüber Aufschluß geben, welches dieser drei


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[0233] Betrachtungen zu den Kaisermanövern von ^9^? Zur Nachrichtenübermittlung auf optischen Wege wurden verschiedne Feld¬ signalstationen verwandt, die in der Stunde bis zu dreihundert Worte gegenseitig übermitteln konnten. Die Feldsignalstationen mit ihren vorzüglich arbeitenden Apparaten, wie sie während des Aufstands in Deutschsüdwestafrika mit so großem Nutzen verwandt worden sind, zeichnen sich durch schnelle Beweglichkeit der einzelnen Stationen aus und sind wegen ihrer Fähigkeit, auch auf größere Entfernungen ohne besondern Kräfteaufwand schnell Verbindungen herzustellen, und wegen der Unmöglichkeit für den Gegner, die durch sie hergestellte Signal¬ linie zu unterbrechen, ein unentbehrliches Mittel des militärischen Melde- und Nachrichtenwesens geworden. In diesem Jahre bei den Kaisermanövern sind die Feldsignalstationen noch ganz besonders dadurch nützlich gewesen, daß sie die Einführung einer neuen Art des Schiedsrichtersprnchs ermöglicht haben. Die Entscheidung der Schiedsrichter litt bisher immer unter einer gewissen Unnatürlichkeit, indem der einzelne Richter an Ort und Stelle entschied, je nach der Lage und den Verhältnissen, wie sie sich unmittelbar vor seinen Augen abspielten oder ihm durch Hilfsorgane in Sichtweite berichtet worden waren. Darüber ging häufig nicht nur viel Zeit verloren, sondern sehr häufig paßte auch der Schiedsrichterspruch nicht in den Rahmen des Ganzen. Das kam natürlich daher, daß den Schiedsrichtern die Orientierung über die Gesamt- sitnation auf beiden Seiten oder über den Gang der Ereignisse an entfernter liegenden Punkten des Gefechtsfeldes fehlte. Diesem Übelstand haben nun die Feldsignalabteilungen dadurch abgeholfen, daß sie zu Beginn jedes Übungstages eine dauernde Verbindung zwischen den vier Oberschiedsrichtern und den Schieds¬ richtern beider Parteien herstellten, wodurch diese in die Lage kamen, sich auf Grund der Anmärsche und Verschiebungen hinter der Front schon beizeiten ein Bild von dem voraussichtlichen Gange der Zusammenstöße zu machen. So fielen denn die Entscheidungen prompt und ohne viel Aufenthalt, was dem kriegsmäßigen Verlauf der Ereignisse sehr zustatten kam. Die Luftschiffertruppen erschienen wiederum mit Fesselballons und unter¬ stützten die Führer beider Parteien wie die Oberleitung durch gute Nachrichten über die Vorgänge. Hoffentlich ist aber die Zeit nicht mehr fern, wo der lenkbare Ballon seine militärische Verwendbarkeit auch bei uns voll erreicht und an den Manövern teilnehmen kann. Wir haben uns ja über die lenkbarem Luftschiffe erst kürzlich an dieser Stelle eingehend ausgesprochen und können den damaligen Ausführungen heute nur noch hinzufügen, daß unsre Erwartungen durch die im Laufe des Septembers unternommnen Versuche mit dem Militür- ballon des Hauptmanns Groß und dem Parsevalluftballon der Luftschiffahrt- Studiengesellschaft durchaus in Erfüllung gegangen sind. Diese beiden Ballons werden ja bekanntlich jetzt erneuert werden und sollen uns im Verein mit dem Luftschiff des Grafen Zeppelin,^das ebenfalls zurzeit erprobt wird und durch seine neunstündige Versuchsfahrt am 30. September eine bis jetzt unerreichte Glanzleistung gezeigt hat, endgiltig darüber Aufschluß geben, welches dieser drei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/233>, abgerufen am 01.07.2024.