Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Innere Kolonisation in Preußen mit ihren? geringen, nur 2,7 Millionen betragenden Vermögen Erstaunliches zu Den Schluß mögen einige Zahlen machen, die Velgard seiner Darstellung Innere Kolonisation in Preußen mit ihren? geringen, nur 2,7 Millionen betragenden Vermögen Erstaunliches zu Den Schluß mögen einige Zahlen machen, die Velgard seiner Darstellung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303564"/> <fw type="header" place="top"> Innere Kolonisation in Preußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_557" prev="#ID_556"> mit ihren? geringen, nur 2,7 Millionen betragenden Vermögen Erstaunliches zu<lb/> leisten imstande sind. Die ungeheuern Fortschritte, die das polnische Genossen¬<lb/> schafts-, Vereins- und Bankwesen im letzten Jahrzehnt gemacht hat, sind einmal<lb/> durch den strengen politischen Zusammenschluß bewirkt worden, dann aber da¬<lb/> durch, daß eine von Gutsbesitzern und Bauern abstammende Generation studiert<lb/> und mit großem Eifer an der Hebung des polnischen Wirtschaftslebens gearbeitet<lb/> hat." Spätere Geschichtschreiber werden mit Verwunderung bei dem Phänomen<lb/> verweilen, daß eine Negierung den indolentesten Teil ihrer Untertanen durch<lb/> Bedränger zu energischer wirtschaftlicher Tätigkeit erzieht und dann mit allen<lb/> Kräften daran arbeitet, den schönen Erfolg ihres Erziehungswerkes zunichte zu<lb/> machen. Wenn irgendwo einmal, es geschieht nicht allzu oft, von einem Nicht-<lb/> schlesier Schlesien erwähnt wird, so kann man wetten, daß es als das Land<lb/> geschildert werden wird, wo verhungern die gewöhnliche Todesart ist. Velgard<lb/> macht keine Ausnahme. „Die Tatsache, daß in Schlesien im scharfen Gegensatz<lb/> zu den übrigen Provinzen zwei Drittel aller Rentengüter zur Vergrößerung<lb/> bereits bestehender Wirtschaften dienten", scheint ihm „bezeichnend für die Ärm¬<lb/> lichkeit eines großen Teiles der bäuerlichen Bevölkerung und für die karge Existenz,<lb/> die eine große Anzahl Wirtschaften ihren Besitzern gewährt." Es handelt sich<lb/> jedoch nicht um einen großen Teil der bäuerlichen Bevölkerung der Provinz,<lb/> sondern nur um einen Teil der Landleute der rechts von der Oder liegenden<lb/> Hälfte. Die auf der linken Oberseite liegende Hälfte hat durchweg einen wohl¬<lb/> habenden Bauernstand, und in den fruchtbarsten Kreisen, die am Fuße des<lb/> Gebirges zwischen Ratibor und Görlitz liegen, ist die Zahl der reichen Bauern<lb/> bedeutend. In der Tat liegt der größte Teil der Nentengüter und namentlich<lb/> der Znküufe, die Belgard in seiner Tabelle anführt, auf dem rechten Oderufer,<lb/> und von den reichsten Kreisen ist nur einer, Liegnitz, mit einem einzigen Renten-<lb/> gute vertreten. Daß es in diesen reichen Kreisen zu keiner Rentengutgründung<lb/> kommt, läßt sich leicht erklären: sie erfreuen sich schon jener gesunden Mischung<lb/> von großem, mittleren und kleinem Grundbesitz, die anderwärts durch die innere<lb/> Kolonisation erst hergestellt werden soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_558" next="#ID_559"> Den Schluß mögen einige Zahlen machen, die Velgard seiner Darstellung<lb/> vorausschickt; sie veranschaulichen das quantitative Ergebnis der innern Koloni¬<lb/> sation der letzten zwei Jahrzehnte. Es sind in dieser Zeit gegen 1400 über<lb/> 100 Hektar große Landgüter in den sechs östlichen Provinzen Preußens zer¬<lb/> stückelt worden, und zwar in Brandenburg 63, in Pommern 171, in West¬<lb/> preußen 350, in Posen 540 (177 und 413 von der Ansiedlungskommission), in<lb/> Ostpreußen 102, in Schlesien 125. Die Ansiedlungskommission hat bis Ende<lb/> des Jahres 1906 11957 Wirtschaften von zusammen 178845 Hektar Flächen¬<lb/> inhalt im Gesamtwerte von 155 595 656 Mark begründet. Die Generalkommissionen<lb/> haben bis Ende 1905 9936 abgezweigte Grundstücke mit zusammen 119344 Hektar<lb/> im Werte von 90810660 Mark begeben, und zwar 6913 als Neuansiedlungen<lb/> mit Nentengutseigenschaft. Es gibt demnach in diesen Provinzen 18870 bäuerliche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Innere Kolonisation in Preußen
mit ihren? geringen, nur 2,7 Millionen betragenden Vermögen Erstaunliches zu
leisten imstande sind. Die ungeheuern Fortschritte, die das polnische Genossen¬
schafts-, Vereins- und Bankwesen im letzten Jahrzehnt gemacht hat, sind einmal
durch den strengen politischen Zusammenschluß bewirkt worden, dann aber da¬
durch, daß eine von Gutsbesitzern und Bauern abstammende Generation studiert
und mit großem Eifer an der Hebung des polnischen Wirtschaftslebens gearbeitet
hat." Spätere Geschichtschreiber werden mit Verwunderung bei dem Phänomen
verweilen, daß eine Negierung den indolentesten Teil ihrer Untertanen durch
Bedränger zu energischer wirtschaftlicher Tätigkeit erzieht und dann mit allen
Kräften daran arbeitet, den schönen Erfolg ihres Erziehungswerkes zunichte zu
machen. Wenn irgendwo einmal, es geschieht nicht allzu oft, von einem Nicht-
schlesier Schlesien erwähnt wird, so kann man wetten, daß es als das Land
geschildert werden wird, wo verhungern die gewöhnliche Todesart ist. Velgard
macht keine Ausnahme. „Die Tatsache, daß in Schlesien im scharfen Gegensatz
zu den übrigen Provinzen zwei Drittel aller Rentengüter zur Vergrößerung
bereits bestehender Wirtschaften dienten", scheint ihm „bezeichnend für die Ärm¬
lichkeit eines großen Teiles der bäuerlichen Bevölkerung und für die karge Existenz,
die eine große Anzahl Wirtschaften ihren Besitzern gewährt." Es handelt sich
jedoch nicht um einen großen Teil der bäuerlichen Bevölkerung der Provinz,
sondern nur um einen Teil der Landleute der rechts von der Oder liegenden
Hälfte. Die auf der linken Oberseite liegende Hälfte hat durchweg einen wohl¬
habenden Bauernstand, und in den fruchtbarsten Kreisen, die am Fuße des
Gebirges zwischen Ratibor und Görlitz liegen, ist die Zahl der reichen Bauern
bedeutend. In der Tat liegt der größte Teil der Nentengüter und namentlich
der Znküufe, die Belgard in seiner Tabelle anführt, auf dem rechten Oderufer,
und von den reichsten Kreisen ist nur einer, Liegnitz, mit einem einzigen Renten-
gute vertreten. Daß es in diesen reichen Kreisen zu keiner Rentengutgründung
kommt, läßt sich leicht erklären: sie erfreuen sich schon jener gesunden Mischung
von großem, mittleren und kleinem Grundbesitz, die anderwärts durch die innere
Kolonisation erst hergestellt werden soll.
Den Schluß mögen einige Zahlen machen, die Velgard seiner Darstellung
vorausschickt; sie veranschaulichen das quantitative Ergebnis der innern Koloni¬
sation der letzten zwei Jahrzehnte. Es sind in dieser Zeit gegen 1400 über
100 Hektar große Landgüter in den sechs östlichen Provinzen Preußens zer¬
stückelt worden, und zwar in Brandenburg 63, in Pommern 171, in West¬
preußen 350, in Posen 540 (177 und 413 von der Ansiedlungskommission), in
Ostpreußen 102, in Schlesien 125. Die Ansiedlungskommission hat bis Ende
des Jahres 1906 11957 Wirtschaften von zusammen 178845 Hektar Flächen¬
inhalt im Gesamtwerte von 155 595 656 Mark begründet. Die Generalkommissionen
haben bis Ende 1905 9936 abgezweigte Grundstücke mit zusammen 119344 Hektar
im Werte von 90810660 Mark begeben, und zwar 6913 als Neuansiedlungen
mit Nentengutseigenschaft. Es gibt demnach in diesen Provinzen 18870 bäuerliche
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