Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

eine oaxitis clkininntio vorgehe. Er fragt, was Wohl aus unserm Offizierkorps
würde, wenn man die Generale aus einem andern Stande nehme; ob es dann
nicht anders würde?*) Nun, alles dieses gilt doch wohl auch vom Verwaltungs-
beamten. Wie kann ein Verwaltungsbeamter Gedeihliches leisten ohne Ehrgeiz,
ohne Freude am Erfolg? Aber wie kann er sich diese Grundlagen einer er¬
sprießlichen Tätigkeit erhalten, wenn die Früchte, der Erfolg seiner Arbeit
andern zugute kommen, wenn ihm Außenseiter in den Weg treten und ihm so
den höchsten Ehrgeiz nehmen -- die Aussicht, einmal an höherer Stelle eine
ausgedehntere Tätigkeit zu entfalten? Muß mit ihm da nicht auch alles
anders werden?

Eine dritte schlimme Nachwirkung der früher geschilderten Verhältnisse
war, daß sich innerhalb der Verwaltung eine bedenkliche Schwäche der Auf¬
fassung, des Willens, des Entschlusses und des Handelns zeigte. Für derbe
Charaktere, für Männer, die zu raschem und durchgreifenden Handeln, zum
rücksichtslosen Einsetzen der eignen Meinung und Persönlichkeit fähig sind, wie
sie Friedrich Wilhelm der Erste geschaffen hat, für Negierende mit einem festen
Willen, einer festen Hand, die auch einmal ein kategorisches Nein sagen können,
wie sie der Herzog von Trachenberg in seiner geistreichen Plauderei über die
Kunst des Regierens verlangt hat, für Leute endlich, die scharf bis zur Grob¬
heit sein können, wie sie jüngst eine angesehene Leipziger Zeitung forderte,
war schon lange kein Platz mehr in der preußischen Verwaltung. Im Gegen¬
teil, keiner wagte mehr selbst uuter gewöhnlichen Verhältnissen nach oben oder
nach unten seine Meinung frei zu sagen oder einmal fest durchzugreisen,
natürlich erst recht dann nicht, wenn er erwarten mußte, damit irgendwo an¬
zustoßen. Wer aber solche ketzerische Neigungen hatte und zu erkennen gab,
kam gar bald in den Ruf eines unbrauchbaren, mindestens unbequemen Menschen
oder schwierigen Untergebenen, der möglichst zurückgedrängt und verhindert
werden müsse, diese unerwünschten Neigungen zu betätigen. Gewöhnlich war
es dann auch mit seiner weitern Laufbahn vorbei. Psychologisch ist das alles
ja leicht zu erklären. Aber gerade darum war diese Entwicklung der Ausdruck
eines innern Schwächezustands, ähnlich dem, der in Frankreich nach den neuern
Forschungen**) eine der Hauptursachen der großen Revolution war, oder dem,
der bei uns mit zu dem Zusammenbruch von 1806 geführt hat. Wer die
neuern Darstellungen dieser Zeit liest, zum Beispiel das bekannte Buch des
Generals von der Goltz, findet auf Schritt und Tritt Ähnlichkeiten mit den
Zuständen innerhalb der Verwaltung in den letzten Jahren, die erschrecken
müssen. Ich halte gerade diese Schwäche für ein besonders bedenkliches Zeichen
der Zeit.






*) Politik, Bd. I, S. 66; Bd. 2, S. 133. 139.
"
) Grenzboten 1906, Heft 31. 32. S. 240. 239.
Grenzboten III 190710
Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

eine oaxitis clkininntio vorgehe. Er fragt, was Wohl aus unserm Offizierkorps
würde, wenn man die Generale aus einem andern Stande nehme; ob es dann
nicht anders würde?*) Nun, alles dieses gilt doch wohl auch vom Verwaltungs-
beamten. Wie kann ein Verwaltungsbeamter Gedeihliches leisten ohne Ehrgeiz,
ohne Freude am Erfolg? Aber wie kann er sich diese Grundlagen einer er¬
sprießlichen Tätigkeit erhalten, wenn die Früchte, der Erfolg seiner Arbeit
andern zugute kommen, wenn ihm Außenseiter in den Weg treten und ihm so
den höchsten Ehrgeiz nehmen — die Aussicht, einmal an höherer Stelle eine
ausgedehntere Tätigkeit zu entfalten? Muß mit ihm da nicht auch alles
anders werden?

Eine dritte schlimme Nachwirkung der früher geschilderten Verhältnisse
war, daß sich innerhalb der Verwaltung eine bedenkliche Schwäche der Auf¬
fassung, des Willens, des Entschlusses und des Handelns zeigte. Für derbe
Charaktere, für Männer, die zu raschem und durchgreifenden Handeln, zum
rücksichtslosen Einsetzen der eignen Meinung und Persönlichkeit fähig sind, wie
sie Friedrich Wilhelm der Erste geschaffen hat, für Negierende mit einem festen
Willen, einer festen Hand, die auch einmal ein kategorisches Nein sagen können,
wie sie der Herzog von Trachenberg in seiner geistreichen Plauderei über die
Kunst des Regierens verlangt hat, für Leute endlich, die scharf bis zur Grob¬
heit sein können, wie sie jüngst eine angesehene Leipziger Zeitung forderte,
war schon lange kein Platz mehr in der preußischen Verwaltung. Im Gegen¬
teil, keiner wagte mehr selbst uuter gewöhnlichen Verhältnissen nach oben oder
nach unten seine Meinung frei zu sagen oder einmal fest durchzugreisen,
natürlich erst recht dann nicht, wenn er erwarten mußte, damit irgendwo an¬
zustoßen. Wer aber solche ketzerische Neigungen hatte und zu erkennen gab,
kam gar bald in den Ruf eines unbrauchbaren, mindestens unbequemen Menschen
oder schwierigen Untergebenen, der möglichst zurückgedrängt und verhindert
werden müsse, diese unerwünschten Neigungen zu betätigen. Gewöhnlich war
es dann auch mit seiner weitern Laufbahn vorbei. Psychologisch ist das alles
ja leicht zu erklären. Aber gerade darum war diese Entwicklung der Ausdruck
eines innern Schwächezustands, ähnlich dem, der in Frankreich nach den neuern
Forschungen**) eine der Hauptursachen der großen Revolution war, oder dem,
der bei uns mit zu dem Zusammenbruch von 1806 geführt hat. Wer die
neuern Darstellungen dieser Zeit liest, zum Beispiel das bekannte Buch des
Generals von der Goltz, findet auf Schritt und Tritt Ähnlichkeiten mit den
Zuständen innerhalb der Verwaltung in den letzten Jahren, die erschrecken
müssen. Ich halte gerade diese Schwäche für ein besonders bedenkliches Zeichen
der Zeit.






*) Politik, Bd. I, S. 66; Bd. 2, S. 133. 139.
«
) Grenzboten 1906, Heft 31. 32. S. 240. 239.
Grenzboten III 190710
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302779"/>
          <fw type="header" place="top"> Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_284" prev="#ID_283"> eine oaxitis clkininntio vorgehe. Er fragt, was Wohl aus unserm Offizierkorps<lb/>
würde, wenn man die Generale aus einem andern Stande nehme; ob es dann<lb/>
nicht anders würde?*) Nun, alles dieses gilt doch wohl auch vom Verwaltungs-<lb/>
beamten. Wie kann ein Verwaltungsbeamter Gedeihliches leisten ohne Ehrgeiz,<lb/>
ohne Freude am Erfolg? Aber wie kann er sich diese Grundlagen einer er¬<lb/>
sprießlichen Tätigkeit erhalten, wenn die Früchte, der Erfolg seiner Arbeit<lb/>
andern zugute kommen, wenn ihm Außenseiter in den Weg treten und ihm so<lb/>
den höchsten Ehrgeiz nehmen &#x2014; die Aussicht, einmal an höherer Stelle eine<lb/>
ausgedehntere Tätigkeit zu entfalten? Muß mit ihm da nicht auch alles<lb/>
anders werden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_285"> Eine dritte schlimme Nachwirkung der früher geschilderten Verhältnisse<lb/>
war, daß sich innerhalb der Verwaltung eine bedenkliche Schwäche der Auf¬<lb/>
fassung, des Willens, des Entschlusses und des Handelns zeigte. Für derbe<lb/>
Charaktere, für Männer, die zu raschem und durchgreifenden Handeln, zum<lb/>
rücksichtslosen Einsetzen der eignen Meinung und Persönlichkeit fähig sind, wie<lb/>
sie Friedrich Wilhelm der Erste geschaffen hat, für Negierende mit einem festen<lb/>
Willen, einer festen Hand, die auch einmal ein kategorisches Nein sagen können,<lb/>
wie sie der Herzog von Trachenberg in seiner geistreichen Plauderei über die<lb/>
Kunst des Regierens verlangt hat, für Leute endlich, die scharf bis zur Grob¬<lb/>
heit sein können, wie sie jüngst eine angesehene Leipziger Zeitung forderte,<lb/>
war schon lange kein Platz mehr in der preußischen Verwaltung. Im Gegen¬<lb/>
teil, keiner wagte mehr selbst uuter gewöhnlichen Verhältnissen nach oben oder<lb/>
nach unten seine Meinung frei zu sagen oder einmal fest durchzugreisen,<lb/>
natürlich erst recht dann nicht, wenn er erwarten mußte, damit irgendwo an¬<lb/>
zustoßen. Wer aber solche ketzerische Neigungen hatte und zu erkennen gab,<lb/>
kam gar bald in den Ruf eines unbrauchbaren, mindestens unbequemen Menschen<lb/>
oder schwierigen Untergebenen, der möglichst zurückgedrängt und verhindert<lb/>
werden müsse, diese unerwünschten Neigungen zu betätigen. Gewöhnlich war<lb/>
es dann auch mit seiner weitern Laufbahn vorbei. Psychologisch ist das alles<lb/>
ja leicht zu erklären. Aber gerade darum war diese Entwicklung der Ausdruck<lb/>
eines innern Schwächezustands, ähnlich dem, der in Frankreich nach den neuern<lb/>
Forschungen**) eine der Hauptursachen der großen Revolution war, oder dem,<lb/>
der bei uns mit zu dem Zusammenbruch von 1806 geführt hat. Wer die<lb/>
neuern Darstellungen dieser Zeit liest, zum Beispiel das bekannte Buch des<lb/>
Generals von der Goltz, findet auf Schritt und Tritt Ähnlichkeiten mit den<lb/>
Zuständen innerhalb der Verwaltung in den letzten Jahren, die erschrecken<lb/>
müssen. Ich halte gerade diese Schwäche für ein besonders bedenkliches Zeichen<lb/>
der Zeit.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_8" place="foot"> *) Politik, Bd. I, S. 66; Bd. 2, S. 133. 139.<lb/>
«</note><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> ) Grenzboten 1906, Heft 31. 32. S. 240. 239.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 190710</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen eine oaxitis clkininntio vorgehe. Er fragt, was Wohl aus unserm Offizierkorps würde, wenn man die Generale aus einem andern Stande nehme; ob es dann nicht anders würde?*) Nun, alles dieses gilt doch wohl auch vom Verwaltungs- beamten. Wie kann ein Verwaltungsbeamter Gedeihliches leisten ohne Ehrgeiz, ohne Freude am Erfolg? Aber wie kann er sich diese Grundlagen einer er¬ sprießlichen Tätigkeit erhalten, wenn die Früchte, der Erfolg seiner Arbeit andern zugute kommen, wenn ihm Außenseiter in den Weg treten und ihm so den höchsten Ehrgeiz nehmen — die Aussicht, einmal an höherer Stelle eine ausgedehntere Tätigkeit zu entfalten? Muß mit ihm da nicht auch alles anders werden? Eine dritte schlimme Nachwirkung der früher geschilderten Verhältnisse war, daß sich innerhalb der Verwaltung eine bedenkliche Schwäche der Auf¬ fassung, des Willens, des Entschlusses und des Handelns zeigte. Für derbe Charaktere, für Männer, die zu raschem und durchgreifenden Handeln, zum rücksichtslosen Einsetzen der eignen Meinung und Persönlichkeit fähig sind, wie sie Friedrich Wilhelm der Erste geschaffen hat, für Negierende mit einem festen Willen, einer festen Hand, die auch einmal ein kategorisches Nein sagen können, wie sie der Herzog von Trachenberg in seiner geistreichen Plauderei über die Kunst des Regierens verlangt hat, für Leute endlich, die scharf bis zur Grob¬ heit sein können, wie sie jüngst eine angesehene Leipziger Zeitung forderte, war schon lange kein Platz mehr in der preußischen Verwaltung. Im Gegen¬ teil, keiner wagte mehr selbst uuter gewöhnlichen Verhältnissen nach oben oder nach unten seine Meinung frei zu sagen oder einmal fest durchzugreisen, natürlich erst recht dann nicht, wenn er erwarten mußte, damit irgendwo an¬ zustoßen. Wer aber solche ketzerische Neigungen hatte und zu erkennen gab, kam gar bald in den Ruf eines unbrauchbaren, mindestens unbequemen Menschen oder schwierigen Untergebenen, der möglichst zurückgedrängt und verhindert werden müsse, diese unerwünschten Neigungen zu betätigen. Gewöhnlich war es dann auch mit seiner weitern Laufbahn vorbei. Psychologisch ist das alles ja leicht zu erklären. Aber gerade darum war diese Entwicklung der Ausdruck eines innern Schwächezustands, ähnlich dem, der in Frankreich nach den neuern Forschungen**) eine der Hauptursachen der großen Revolution war, oder dem, der bei uns mit zu dem Zusammenbruch von 1806 geführt hat. Wer die neuern Darstellungen dieser Zeit liest, zum Beispiel das bekannte Buch des Generals von der Goltz, findet auf Schritt und Tritt Ähnlichkeiten mit den Zuständen innerhalb der Verwaltung in den letzten Jahren, die erschrecken müssen. Ich halte gerade diese Schwäche für ein besonders bedenkliches Zeichen der Zeit. *) Politik, Bd. I, S. 66; Bd. 2, S. 133. 139. « ) Grenzboten 1906, Heft 31. 32. S. 240. 239. Grenzboten III 190710

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/77
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/77>, abgerufen am 27.07.2024.