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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Luftreisen

Tausende, deren Spur sich in unbekannter Ferne verloren hat? Und nun trat
in Franziskus ein Prediger auf in apostolischer Armut, der kein Ansehen der
Person kannte, mit hinreißender Kraft der Beredsamkeit zugleich eine herz¬
gewinnende, hilfreiche Persönlichkeit. Auch von ihm gilt es, er predigte nicht
wie die Schriftgelehrten seiner Zeit, hochtrabend, gelehrt, spitzfindig, sondern er
griff hinein ins volle Menschenleben, redete in der Sprache des Volkes unter
freiem Himmel, in den Straßen, auf den Feldern. Das Feld war reif zur
Ernte, und Franz legte die Sichel an und brachte die Garben ein.




Luftreisen
Johannes poeschel von
7. Von Bitterfeld nach jDomerellen

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^M"^6)!me lange und weite Fahrt war geplant, deshalb wählten wir
den größten Ballon des Berliner Vereins, den 1380 Kubikmeter
umfassenden Bezold und ließen ihn in Bitterfeld mit Wasserstoff
füllen. Ein flotter Nordwest hatte den Tag über geweht und
l uns auf einen Flug über Böhmen weit nach Ungarn hinein
hoffen lassen. Alle sonstigen Bedingungen dafür waren ja vorhanden: 951 Kilo¬
gramm Auftrieb gegen 537 Kilogramm bei Leuchtgasfüllung und reichliche
Lebensmittel für zwei Tage. Auch die meteorologische Abteilung des Physi¬
kalischen Vereins in Frankfurt am Main, die neuerdings die Fahrten des
Berliner Vereins wissenschaftlich bearbeitet und uns ihre Auffassung von der
Wetterlage telegraphisch mitteilte, rechnete mit dieser Möglichkeit: zunächst nach
Südost etwa 40 Kilometer die Stunde, dann mehr Südsüdost und abnehmende
Geschwindigkeit. Und doch sollte sich auch diesmal wieder die alte Luftschiffer¬
erfahrung bestätigen: es kommt meist ganz anders, als man gedacht hat. Hätte
die Abfahrt zur anfänglich festgesetzten Zeit, nach Eintritt der abendlichen Luft¬
abkühlung, erfolgen können, so wären wir vom Nordwest rasch über Sachsen
und das Erzgebirge in Gebiete geführt worden, in denen nach Ausweis der
Wetterkarte des folgenden Tages, des 18. Mai. die Winde südöstliche Richtung
beibehielten. Aber die Füllung des großen Ballons nahm zuviel Zeit in An¬
spruch. Als wir nachts 10 Uhr 40 Minuten aufstiegen, war der Wind träger
geworden und trieb uns nach Osten, zum sechstenmal Richtung Spreewald,
voraussichtlich wieder über unser altes, gutes Kottbus!

Unter klarem Sternenhimmel und im Scheine des ersten Mondviertels
gings bei 4 Grad Celsius über die Mulde, die Dübener Heide, die Elbe bei
Pretzsch, über Loben auf einer Insel der vielgewundnen Schwarzen Elster,
12 Uhr 50 Minuten über Schloß Bollensdorf, das Besitztum eines Meißners


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Tausende, deren Spur sich in unbekannter Ferne verloren hat? Und nun trat
in Franziskus ein Prediger auf in apostolischer Armut, der kein Ansehen der
Person kannte, mit hinreißender Kraft der Beredsamkeit zugleich eine herz¬
gewinnende, hilfreiche Persönlichkeit. Auch von ihm gilt es, er predigte nicht
wie die Schriftgelehrten seiner Zeit, hochtrabend, gelehrt, spitzfindig, sondern er
griff hinein ins volle Menschenleben, redete in der Sprache des Volkes unter
freiem Himmel, in den Straßen, auf den Feldern. Das Feld war reif zur
Ernte, und Franz legte die Sichel an und brachte die Garben ein.




Luftreisen
Johannes poeschel von
7. Von Bitterfeld nach jDomerellen

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^M»^6)!me lange und weite Fahrt war geplant, deshalb wählten wir
den größten Ballon des Berliner Vereins, den 1380 Kubikmeter
umfassenden Bezold und ließen ihn in Bitterfeld mit Wasserstoff
füllen. Ein flotter Nordwest hatte den Tag über geweht und
l uns auf einen Flug über Böhmen weit nach Ungarn hinein
hoffen lassen. Alle sonstigen Bedingungen dafür waren ja vorhanden: 951 Kilo¬
gramm Auftrieb gegen 537 Kilogramm bei Leuchtgasfüllung und reichliche
Lebensmittel für zwei Tage. Auch die meteorologische Abteilung des Physi¬
kalischen Vereins in Frankfurt am Main, die neuerdings die Fahrten des
Berliner Vereins wissenschaftlich bearbeitet und uns ihre Auffassung von der
Wetterlage telegraphisch mitteilte, rechnete mit dieser Möglichkeit: zunächst nach
Südost etwa 40 Kilometer die Stunde, dann mehr Südsüdost und abnehmende
Geschwindigkeit. Und doch sollte sich auch diesmal wieder die alte Luftschiffer¬
erfahrung bestätigen: es kommt meist ganz anders, als man gedacht hat. Hätte
die Abfahrt zur anfänglich festgesetzten Zeit, nach Eintritt der abendlichen Luft¬
abkühlung, erfolgen können, so wären wir vom Nordwest rasch über Sachsen
und das Erzgebirge in Gebiete geführt worden, in denen nach Ausweis der
Wetterkarte des folgenden Tages, des 18. Mai. die Winde südöstliche Richtung
beibehielten. Aber die Füllung des großen Ballons nahm zuviel Zeit in An¬
spruch. Als wir nachts 10 Uhr 40 Minuten aufstiegen, war der Wind träger
geworden und trieb uns nach Osten, zum sechstenmal Richtung Spreewald,
voraussichtlich wieder über unser altes, gutes Kottbus!

Unter klarem Sternenhimmel und im Scheine des ersten Mondviertels
gings bei 4 Grad Celsius über die Mulde, die Dübener Heide, die Elbe bei
Pretzsch, über Loben auf einer Insel der vielgewundnen Schwarzen Elster,
12 Uhr 50 Minuten über Schloß Bollensdorf, das Besitztum eines Meißners


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[0572] Luftreisen Tausende, deren Spur sich in unbekannter Ferne verloren hat? Und nun trat in Franziskus ein Prediger auf in apostolischer Armut, der kein Ansehen der Person kannte, mit hinreißender Kraft der Beredsamkeit zugleich eine herz¬ gewinnende, hilfreiche Persönlichkeit. Auch von ihm gilt es, er predigte nicht wie die Schriftgelehrten seiner Zeit, hochtrabend, gelehrt, spitzfindig, sondern er griff hinein ins volle Menschenleben, redete in der Sprache des Volkes unter freiem Himmel, in den Straßen, auf den Feldern. Das Feld war reif zur Ernte, und Franz legte die Sichel an und brachte die Garben ein. Luftreisen Johannes poeschel von 7. Von Bitterfeld nach jDomerellen ^>>«,^x^/ ^M»^6)!me lange und weite Fahrt war geplant, deshalb wählten wir den größten Ballon des Berliner Vereins, den 1380 Kubikmeter umfassenden Bezold und ließen ihn in Bitterfeld mit Wasserstoff füllen. Ein flotter Nordwest hatte den Tag über geweht und l uns auf einen Flug über Böhmen weit nach Ungarn hinein hoffen lassen. Alle sonstigen Bedingungen dafür waren ja vorhanden: 951 Kilo¬ gramm Auftrieb gegen 537 Kilogramm bei Leuchtgasfüllung und reichliche Lebensmittel für zwei Tage. Auch die meteorologische Abteilung des Physi¬ kalischen Vereins in Frankfurt am Main, die neuerdings die Fahrten des Berliner Vereins wissenschaftlich bearbeitet und uns ihre Auffassung von der Wetterlage telegraphisch mitteilte, rechnete mit dieser Möglichkeit: zunächst nach Südost etwa 40 Kilometer die Stunde, dann mehr Südsüdost und abnehmende Geschwindigkeit. Und doch sollte sich auch diesmal wieder die alte Luftschiffer¬ erfahrung bestätigen: es kommt meist ganz anders, als man gedacht hat. Hätte die Abfahrt zur anfänglich festgesetzten Zeit, nach Eintritt der abendlichen Luft¬ abkühlung, erfolgen können, so wären wir vom Nordwest rasch über Sachsen und das Erzgebirge in Gebiete geführt worden, in denen nach Ausweis der Wetterkarte des folgenden Tages, des 18. Mai. die Winde südöstliche Richtung beibehielten. Aber die Füllung des großen Ballons nahm zuviel Zeit in An¬ spruch. Als wir nachts 10 Uhr 40 Minuten aufstiegen, war der Wind träger geworden und trieb uns nach Osten, zum sechstenmal Richtung Spreewald, voraussichtlich wieder über unser altes, gutes Kottbus! Unter klarem Sternenhimmel und im Scheine des ersten Mondviertels gings bei 4 Grad Celsius über die Mulde, die Dübener Heide, die Elbe bei Pretzsch, über Loben auf einer Insel der vielgewundnen Schwarzen Elster, 12 Uhr 50 Minuten über Schloß Bollensdorf, das Besitztum eines Meißners

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/572>, abgerufen am 13.12.2024.