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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Franziskus von Assise

war nach allem, was wir von ihm hören, ein durchaus praktischer Mann, oder,
daß ich es deutlicher sage, ein Mann, dessen Gedanken vor allem auf das Er¬
werben von Geld und Gut gerichtet waren -- neue Ideen haben ihn schwerlich
allzusehr bewegt. Was Franz davon aufgenommen hat, wurde ihm von seiner
Mutter zugeführt, einer vornehmen Frau aus französischem Geschlecht. Von
ihr erbte er wohl die warme Herzensempfindung und den frohen Sinn, die
sorglose Heiterkeit, die angeborne Offenheit, dazu aber auch die Vorliebe für
die französische Sprache, die er oft anwandte, wenn ihm der Mund überging
von dem, des das Herz voll war. Im Elternhause hat Franz eine sonnige
Jugend verlebt. Not und Sorge hatten dessen Schwelle niemals überschritten.
Er ist dort erzogen worden nach der Sitte der Zeit und des Landes, nach der
man nicht nur die Kinder in den nötigsten Fächern unterrichtete, sondern wo man
auch zum mindesten nichts dagegen hatte, daß sie auch die Versuchungen des
Lebens kennen lernten. Neben allerlei Übungen in ritterlicher Kurzweil war
seine Jugend durchzogen von allerlei fröhlichen Gelagen, Ausgelassenheit bis
tief in die Nacht war an der Tagesordnung. Die Notwendigkeit, den eignen
Beruf zu wählen, führte ihn in den Tuchladen seines Vaters, und wiewohl
dem jungen Franz das Geld reichlich locker in der Tasche saß, glaubte Pietro
Bernardone doch, an ihm einen Sohn zu haben, dem er einst mit gutem Ge¬
wissen und ruhigem Herzen das blühende Geschäft übergeben könnte. Merk¬
würdig ists, wie schon in jenen Tagen Ahnung und Tatendrang ihm allerlei
Bilder vor die Seele riefen, von denen er seinen Freunden zuweilen mit den
Worten Kunde gab: "Ihr werdet es erleben, daß mir noch einmal die Welt zu
Füßen liegt!"

In sein dreiundzwanzigstes Jahr fällt schwere Krankheit, verursacht durch
übertriebnen Genuß, der seine Tage füllte. In den Tagen seiner Genesung
atmet er dann in vollen Zügen den Duft des Frühlings ein; aber der Lebens¬
mut der frühern Zeiten war gebrochen, und in den Tagen der Selbstbesinnung
dünkte ihn sein früheres Leben unsäglich leer. Dennoch aber nimmt er es
wieder auf. Anspruchsvoll rüstet er sich darauf zur Teilnahme an einer ritter¬
lichen Fehdefahrt. Den Pagenschild am Arme zog er hinaus aus den Toren
auf stolzem Rosse. Nach wenigen Tagen kehrt er zurück, und daheim in seiner
Vaterstadt wird er ein andrer. In heißen Fiebertagen mußte er es von neuem
erfahren, daß jene Art des Lebensgenusses nur dazu dienen kann, die Seele
freud- und friedlos zu machen. Und es begann nun für ihn in einsamen
Stunden bei Tag und Nacht ein heißes Ringen. Als dann die Geführten
seiner Jugend wieder trachteten, ihn für das alte Leben zurückzugewinnen,
lud er sie freilich noch einmal zu einem prunkvollen Mahle. Aber wiewohl er
das Zepter des Narrenkönigs in seinen Händen hielt, war er still und in sich
gekehrt. spöttelnd ließ einer die Bemerkung fallen: Seht ihr denn nicht, er
will sich vermählen! Franziskus aber nahm diese Worte auf: "Jawohl, ihr
sprecht die Wahrheit, ich sinne darauf, eine Braut zu nehmen, schöner, reiner


Franziskus von Assise

war nach allem, was wir von ihm hören, ein durchaus praktischer Mann, oder,
daß ich es deutlicher sage, ein Mann, dessen Gedanken vor allem auf das Er¬
werben von Geld und Gut gerichtet waren — neue Ideen haben ihn schwerlich
allzusehr bewegt. Was Franz davon aufgenommen hat, wurde ihm von seiner
Mutter zugeführt, einer vornehmen Frau aus französischem Geschlecht. Von
ihr erbte er wohl die warme Herzensempfindung und den frohen Sinn, die
sorglose Heiterkeit, die angeborne Offenheit, dazu aber auch die Vorliebe für
die französische Sprache, die er oft anwandte, wenn ihm der Mund überging
von dem, des das Herz voll war. Im Elternhause hat Franz eine sonnige
Jugend verlebt. Not und Sorge hatten dessen Schwelle niemals überschritten.
Er ist dort erzogen worden nach der Sitte der Zeit und des Landes, nach der
man nicht nur die Kinder in den nötigsten Fächern unterrichtete, sondern wo man
auch zum mindesten nichts dagegen hatte, daß sie auch die Versuchungen des
Lebens kennen lernten. Neben allerlei Übungen in ritterlicher Kurzweil war
seine Jugend durchzogen von allerlei fröhlichen Gelagen, Ausgelassenheit bis
tief in die Nacht war an der Tagesordnung. Die Notwendigkeit, den eignen
Beruf zu wählen, führte ihn in den Tuchladen seines Vaters, und wiewohl
dem jungen Franz das Geld reichlich locker in der Tasche saß, glaubte Pietro
Bernardone doch, an ihm einen Sohn zu haben, dem er einst mit gutem Ge¬
wissen und ruhigem Herzen das blühende Geschäft übergeben könnte. Merk¬
würdig ists, wie schon in jenen Tagen Ahnung und Tatendrang ihm allerlei
Bilder vor die Seele riefen, von denen er seinen Freunden zuweilen mit den
Worten Kunde gab: „Ihr werdet es erleben, daß mir noch einmal die Welt zu
Füßen liegt!"

In sein dreiundzwanzigstes Jahr fällt schwere Krankheit, verursacht durch
übertriebnen Genuß, der seine Tage füllte. In den Tagen seiner Genesung
atmet er dann in vollen Zügen den Duft des Frühlings ein; aber der Lebens¬
mut der frühern Zeiten war gebrochen, und in den Tagen der Selbstbesinnung
dünkte ihn sein früheres Leben unsäglich leer. Dennoch aber nimmt er es
wieder auf. Anspruchsvoll rüstet er sich darauf zur Teilnahme an einer ritter¬
lichen Fehdefahrt. Den Pagenschild am Arme zog er hinaus aus den Toren
auf stolzem Rosse. Nach wenigen Tagen kehrt er zurück, und daheim in seiner
Vaterstadt wird er ein andrer. In heißen Fiebertagen mußte er es von neuem
erfahren, daß jene Art des Lebensgenusses nur dazu dienen kann, die Seele
freud- und friedlos zu machen. Und es begann nun für ihn in einsamen
Stunden bei Tag und Nacht ein heißes Ringen. Als dann die Geführten
seiner Jugend wieder trachteten, ihn für das alte Leben zurückzugewinnen,
lud er sie freilich noch einmal zu einem prunkvollen Mahle. Aber wiewohl er
das Zepter des Narrenkönigs in seinen Händen hielt, war er still und in sich
gekehrt. spöttelnd ließ einer die Bemerkung fallen: Seht ihr denn nicht, er
will sich vermählen! Franziskus aber nahm diese Worte auf: „Jawohl, ihr
sprecht die Wahrheit, ich sinne darauf, eine Braut zu nehmen, schöner, reiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/566>, abgerufen am 01.09.2024.