Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Konfession und Wirtschaftsleben Thomas das Eigentum so wenig wie irgendeinen andern volkswirtschaftlichen Die Lehre des Thomas bedeutet sogar, wie Maurenbrecher beweist, eine Konfession und Wirtschaftsleben Thomas das Eigentum so wenig wie irgendeinen andern volkswirtschaftlichen Die Lehre des Thomas bedeutet sogar, wie Maurenbrecher beweist, eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303213"/> <fw type="header" place="top"> Konfession und Wirtschaftsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2739" prev="#ID_2738"> Thomas das Eigentum so wenig wie irgendeinen andern volkswirtschaftlichen<lb/> Gegenstand behandelt). Er sagt zum Beispiel: die Verwaltung müsse getrennt,<lb/> der Gebrauch oder der Genuß dagegen gemeinsam sein. Das zweite meint er<lb/> aber nur in dem Sinne des Aristoteles, daß unter Freunden alles gemeinsam<lb/> sei, und in dem Sinne der Bibel, die Gott als den Oberherrn von allen: an¬<lb/> sehen lehrt, der die Güter dieser Erde der gesamten Menschheit in gemeinsamen<lb/> Besitz gegeben hat, so zwar, daß der eine mehr, der andre weniger empfängt,<lb/> daß aber jener bereit sein müsse, dem Armem aufzuhelfen. Unbedingt konnte<lb/> Thomas jede Art von Gemeinbesitz schon deshalb nicht verwerfen, weil er Mönch<lb/> war, aber er sagt ausdrücklich, daß ein hoher Grad sittlicher Vollkommenheit<lb/> dazu gehöre, auf das Privateigentum zu verzichten und als Mitglied einer Ge¬<lb/> nossenschaft zu leben, die nur Gemeineigentum gestattet. Das ist nun freilich<lb/> das Gegenteil von Fichtes Ansicht, nach der das Sondereigentum gerade die<lb/> unerläßliche Bedingung zur Entfaltung der sittlichen Persönlichkeit des Menschen<lb/> sein soll, sodaß also die Vollkommenheit nur bei Sondereigentum erlangt werden<lb/> kann, und das möge wohl, bemerkt Maurenbrecher, die Ursache davon sein, daß<lb/> die protestantischen Gelehrten Thomas als Vertreter des Privateigentums nicht<lb/> anerkennen wollen; indes dürfe man einem Autor des dreizehnten Jahrhunderts<lb/> keinen Vorwurf daraus macheu, daß er eine am Ende des achtzehnten cmfge-<lb/> kommne Ansicht noch nicht gekannt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2740" next="#ID_2741"> Die Lehre des Thomas bedeutet sogar, wie Maurenbrecher beweist, eine<lb/> entschiedne Abwendung von dem grundsätzlichen Kommunismus, dem vor ihm<lb/> wirklich die Kirche gehuldigt hatte. Die Urgemeinde hatte einen Kommunismus<lb/> der Bruderliebe geübt, der jedoch, wie die Erzählung von Ananins und Saphir«<lb/> beweist (Apostelgeschichte 5; der Vers 4 entscheidet), jeden Zwang, jede Ver¬<lb/> pflichtung ausschloß und darum als grundsätzlicher Kommunismus nicht be¬<lb/> zeichnet werden darf; er war nur ein Kommunismus aus exaltierter Freund¬<lb/> schaft. Nach der Auflösung der Urgemeinde blieb dieser Kommunismus das<lb/> Ideal der Christenheit, das freilich nur im Mönchtum vollkommen verwirklicht<lb/> werden könne. Dem Motiv der Liebe gesellte sich dann der asketische Beweg¬<lb/> grund bei, daß das Aufgeben des Besitzes an sich schon etwas Löbliches und<lb/> Gott Wohlgefälliges sei — als ein Akt der Entsagung. Einige Kirchenväter des<lb/> vierten Jahrhunderts, namentlich Basilius und Ambrosius, sind dann »veiter<lb/> gegangen. In Anlehnung an die Stoiker lehrten sie, die irdischen Güter seien<lb/> den Menschen zu gemeinsamem Besitz und Genuß gegeben; im Laufe der Zeit<lb/> hätten sich jedoch einzelne mehr davon angeeignet, als sie brauchten, und so<lb/> seien die Vermögensunterschiede entstanden — durch Raub: jeder Reiche sei ein<lb/> Ungerechter oder der Erbe eines solchen, der Reichtum an sich ein Unrecht.<lb/> Darum gehöre das Überflüssige von Rechts wegen den Armen, das Almosen<lb/> sei eine Pflicht der Gerechtigkeit; wer es verweigere, verletze nicht allein die<lb/> Liebe, sondern auch das Recht. Daraus schöpft das Almosen seine sündentilgende<lb/> Kraft: es macht ein begangnes Unrecht wieder gut. Durch Jsidor von Sevilla,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
Konfession und Wirtschaftsleben
Thomas das Eigentum so wenig wie irgendeinen andern volkswirtschaftlichen
Gegenstand behandelt). Er sagt zum Beispiel: die Verwaltung müsse getrennt,
der Gebrauch oder der Genuß dagegen gemeinsam sein. Das zweite meint er
aber nur in dem Sinne des Aristoteles, daß unter Freunden alles gemeinsam
sei, und in dem Sinne der Bibel, die Gott als den Oberherrn von allen: an¬
sehen lehrt, der die Güter dieser Erde der gesamten Menschheit in gemeinsamen
Besitz gegeben hat, so zwar, daß der eine mehr, der andre weniger empfängt,
daß aber jener bereit sein müsse, dem Armem aufzuhelfen. Unbedingt konnte
Thomas jede Art von Gemeinbesitz schon deshalb nicht verwerfen, weil er Mönch
war, aber er sagt ausdrücklich, daß ein hoher Grad sittlicher Vollkommenheit
dazu gehöre, auf das Privateigentum zu verzichten und als Mitglied einer Ge¬
nossenschaft zu leben, die nur Gemeineigentum gestattet. Das ist nun freilich
das Gegenteil von Fichtes Ansicht, nach der das Sondereigentum gerade die
unerläßliche Bedingung zur Entfaltung der sittlichen Persönlichkeit des Menschen
sein soll, sodaß also die Vollkommenheit nur bei Sondereigentum erlangt werden
kann, und das möge wohl, bemerkt Maurenbrecher, die Ursache davon sein, daß
die protestantischen Gelehrten Thomas als Vertreter des Privateigentums nicht
anerkennen wollen; indes dürfe man einem Autor des dreizehnten Jahrhunderts
keinen Vorwurf daraus macheu, daß er eine am Ende des achtzehnten cmfge-
kommne Ansicht noch nicht gekannt habe.
Die Lehre des Thomas bedeutet sogar, wie Maurenbrecher beweist, eine
entschiedne Abwendung von dem grundsätzlichen Kommunismus, dem vor ihm
wirklich die Kirche gehuldigt hatte. Die Urgemeinde hatte einen Kommunismus
der Bruderliebe geübt, der jedoch, wie die Erzählung von Ananins und Saphir«
beweist (Apostelgeschichte 5; der Vers 4 entscheidet), jeden Zwang, jede Ver¬
pflichtung ausschloß und darum als grundsätzlicher Kommunismus nicht be¬
zeichnet werden darf; er war nur ein Kommunismus aus exaltierter Freund¬
schaft. Nach der Auflösung der Urgemeinde blieb dieser Kommunismus das
Ideal der Christenheit, das freilich nur im Mönchtum vollkommen verwirklicht
werden könne. Dem Motiv der Liebe gesellte sich dann der asketische Beweg¬
grund bei, daß das Aufgeben des Besitzes an sich schon etwas Löbliches und
Gott Wohlgefälliges sei — als ein Akt der Entsagung. Einige Kirchenväter des
vierten Jahrhunderts, namentlich Basilius und Ambrosius, sind dann »veiter
gegangen. In Anlehnung an die Stoiker lehrten sie, die irdischen Güter seien
den Menschen zu gemeinsamem Besitz und Genuß gegeben; im Laufe der Zeit
hätten sich jedoch einzelne mehr davon angeeignet, als sie brauchten, und so
seien die Vermögensunterschiede entstanden — durch Raub: jeder Reiche sei ein
Ungerechter oder der Erbe eines solchen, der Reichtum an sich ein Unrecht.
Darum gehöre das Überflüssige von Rechts wegen den Armen, das Almosen
sei eine Pflicht der Gerechtigkeit; wer es verweigere, verletze nicht allein die
Liebe, sondern auch das Recht. Daraus schöpft das Almosen seine sündentilgende
Kraft: es macht ein begangnes Unrecht wieder gut. Durch Jsidor von Sevilla,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |