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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Antiquar

war. Und wunderbar, schon das Bewußtsein, von dem unheilvollen Zauber erlöst
zu sein, gab ihm den Frieden seiner Seele zurück! Wie er einst, am Morgen nach
jener Gewitternacht, mit Sehnsucht auf einen Kunden geharrt hatte, an dem er die
Wirksamkeit seines Dekokts erproben wollte, so wartete er jetzt auf einen Bücher¬
käufer, der durch sein Nimmerwiederkehren den Beweis erbringen sollte, daß der
Bann, der auf dem düstern Gewölbe lag, gebrochen sei.

Aber er mußte lange warten. Die Leute, die Reichenbachs Hof passierten,
blieben zwar vor dem Schaufenster stehn, betrachteten sich die Hogarthschen Stiche
und die französischen Reiterpistolen, lasen auch die Prendelschen Bekanntmachungen
und studierten die Titel der vergilbten Bücher, aber dann gingen sie weiter. Und
doch waren manche darunter, die erst vor zwei oder drei Tagen im Laden gewesen
waren und irgend etwas von Seylers Schätzen käuflich erworben hatten. Das war
ein gutes Zeichen. Gegen Mittag kam ein Gymnasiast, offenbar ein strebsamer
Primaner, und verlangte aus dem Schaufenster Brambachs metrische Studien zu
Sophokles. In der Freude seines Herzens nahm der Antiquar nur eine Mark
dafür, obwohl er das Buch vor Jahr und Tag selbst doppelt so teuer bezahlt
hatte. Der Jüngling ging mit seinem Brambach von dannen und ward nicht mehr
gesehn. Wäre die chemisch-magnetische Kraft noch wirksam gewesen, so würde das
Büchlein spätestens am dritten Tage wieder in Seylers Hände zurückgelangt sein.

Die Freude unsers Freundes wurde jedoch nicht wenig durch die ebenso plötz¬
liche wie merkwürdige Veränderung getrübt, die mit Knieheben vor sich gegangen
war. Sie saß jetzt meist untätig vor ihrem Zettelkatalog, verwechselte, wenn sie
wirklich einmal eine Offerte aufschrieb, die Rubriken "Gesuchte Bücher" und "An¬
gebotene Bücher" und erklärte, als der Onkel sie nach der Ursache ihrer seltsamen
Gemütsverfassung fragte, sie könne gar nicht begreifen, weshalb sie neulich sobald
schon von ihrem Besuche bei den künftigen Schwiegereltern zurückgekehrt sei. Es
sei da draußen auf dem Lande eigentlich doch viel schöner gewesen als hier in der
Stadt und ganz besonders in Reichenbachs Hof und der schrecklichen engen Bude
-- sie sagte wirklich "Bude", ein Wort, das dem Onkel ins Herz schnitt --, wo
man weder Luft noch Licht habe, und wo sich einem der müssige Bücherduft so
schwer auf die Brust lege, daß man gar nicht recht atmen könne. Und was müßten
Doktor Waetzolds Eltern von ihr gedacht haben! Sie hätten sie doch so liebevoll
aufgenommen, ihr das schönste und geräumigste Zimmer zur Verfügung gestellt, ihr
zu Ehren jeden Mittag eine süße Schüssel auftragen lassen und Nachmittags mit
ihr Ausflüge zu Wagen gemacht, und trotz alledem habe sie die Taktlosigkeit
begangen, fortwährend von ihrem Heimweh nach Leipzig zu reden, und nachdem
sie kaum sechs Tage die Gastfreundschaft der guten Menschen genossen, ihren Koffer
zu packen und wieder abzureisen. Sie müsse jetzt unbedingt einen Brief schreiben,
Waetzolds um Verzeihung bitten und fragen, ob sie wiederkommen dürfe, denn das
lächerliche Heimweh habe sie jetzt völlig überwunden.

Seyler hörte kopfschüttelnd zu, hatte aber nichts dagegen einzuwenden, daß
die Nichte den Brief schrieb und abschickte. Die Antwort ließ nicht lange ans sich
warten, siel jedoch nicht ganz so aus, wie Käthchen gehofft hatte. Man freue sich,
so schrieb die alte Dame, daß das Bräutchen ihres geliebten Sohnes so bald zur
Einsicht gekommen sei, und erwarte ganz bestimmt eine Wiederholung ihres Besuches,
dann aber für längere Zeit. Man müsse sie jedoch bitten, nicht vor dem 15. Sep¬
tember zu kommen, denn man stehe im Begriff, für einige Tage nach Magdeburg
zur landwirtschaftlichen Ausstellung und von da zu einer silbernen Hochzeit nach
Celle zu reisen. Wenn man aber dort einmal in der Gegend sei, so könne man
nicht umhin, verschiedne Verwandte, die in der Nachbarschaft auf Gütern säßen, zu
besuchen, und so werde die zweite Septemberwoche herankommen, bevor man wieder


Der Antiquar

war. Und wunderbar, schon das Bewußtsein, von dem unheilvollen Zauber erlöst
zu sein, gab ihm den Frieden seiner Seele zurück! Wie er einst, am Morgen nach
jener Gewitternacht, mit Sehnsucht auf einen Kunden geharrt hatte, an dem er die
Wirksamkeit seines Dekokts erproben wollte, so wartete er jetzt auf einen Bücher¬
käufer, der durch sein Nimmerwiederkehren den Beweis erbringen sollte, daß der
Bann, der auf dem düstern Gewölbe lag, gebrochen sei.

Aber er mußte lange warten. Die Leute, die Reichenbachs Hof passierten,
blieben zwar vor dem Schaufenster stehn, betrachteten sich die Hogarthschen Stiche
und die französischen Reiterpistolen, lasen auch die Prendelschen Bekanntmachungen
und studierten die Titel der vergilbten Bücher, aber dann gingen sie weiter. Und
doch waren manche darunter, die erst vor zwei oder drei Tagen im Laden gewesen
waren und irgend etwas von Seylers Schätzen käuflich erworben hatten. Das war
ein gutes Zeichen. Gegen Mittag kam ein Gymnasiast, offenbar ein strebsamer
Primaner, und verlangte aus dem Schaufenster Brambachs metrische Studien zu
Sophokles. In der Freude seines Herzens nahm der Antiquar nur eine Mark
dafür, obwohl er das Buch vor Jahr und Tag selbst doppelt so teuer bezahlt
hatte. Der Jüngling ging mit seinem Brambach von dannen und ward nicht mehr
gesehn. Wäre die chemisch-magnetische Kraft noch wirksam gewesen, so würde das
Büchlein spätestens am dritten Tage wieder in Seylers Hände zurückgelangt sein.

Die Freude unsers Freundes wurde jedoch nicht wenig durch die ebenso plötz¬
liche wie merkwürdige Veränderung getrübt, die mit Knieheben vor sich gegangen
war. Sie saß jetzt meist untätig vor ihrem Zettelkatalog, verwechselte, wenn sie
wirklich einmal eine Offerte aufschrieb, die Rubriken „Gesuchte Bücher" und „An¬
gebotene Bücher" und erklärte, als der Onkel sie nach der Ursache ihrer seltsamen
Gemütsverfassung fragte, sie könne gar nicht begreifen, weshalb sie neulich sobald
schon von ihrem Besuche bei den künftigen Schwiegereltern zurückgekehrt sei. Es
sei da draußen auf dem Lande eigentlich doch viel schöner gewesen als hier in der
Stadt und ganz besonders in Reichenbachs Hof und der schrecklichen engen Bude
— sie sagte wirklich „Bude", ein Wort, das dem Onkel ins Herz schnitt —, wo
man weder Luft noch Licht habe, und wo sich einem der müssige Bücherduft so
schwer auf die Brust lege, daß man gar nicht recht atmen könne. Und was müßten
Doktor Waetzolds Eltern von ihr gedacht haben! Sie hätten sie doch so liebevoll
aufgenommen, ihr das schönste und geräumigste Zimmer zur Verfügung gestellt, ihr
zu Ehren jeden Mittag eine süße Schüssel auftragen lassen und Nachmittags mit
ihr Ausflüge zu Wagen gemacht, und trotz alledem habe sie die Taktlosigkeit
begangen, fortwährend von ihrem Heimweh nach Leipzig zu reden, und nachdem
sie kaum sechs Tage die Gastfreundschaft der guten Menschen genossen, ihren Koffer
zu packen und wieder abzureisen. Sie müsse jetzt unbedingt einen Brief schreiben,
Waetzolds um Verzeihung bitten und fragen, ob sie wiederkommen dürfe, denn das
lächerliche Heimweh habe sie jetzt völlig überwunden.

Seyler hörte kopfschüttelnd zu, hatte aber nichts dagegen einzuwenden, daß
die Nichte den Brief schrieb und abschickte. Die Antwort ließ nicht lange ans sich
warten, siel jedoch nicht ganz so aus, wie Käthchen gehofft hatte. Man freue sich,
so schrieb die alte Dame, daß das Bräutchen ihres geliebten Sohnes so bald zur
Einsicht gekommen sei, und erwarte ganz bestimmt eine Wiederholung ihres Besuches,
dann aber für längere Zeit. Man müsse sie jedoch bitten, nicht vor dem 15. Sep¬
tember zu kommen, denn man stehe im Begriff, für einige Tage nach Magdeburg
zur landwirtschaftlichen Ausstellung und von da zu einer silbernen Hochzeit nach
Celle zu reisen. Wenn man aber dort einmal in der Gegend sei, so könne man
nicht umhin, verschiedne Verwandte, die in der Nachbarschaft auf Gütern säßen, zu
besuchen, und so werde die zweite Septemberwoche herankommen, bevor man wieder


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/490>, abgerufen am 28.07.2024.