Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Line Mittelmeerfahrt nach Spanien Hafen ebensoviel wert sei wie Granadas Alhambra. Der Ausländer, der Während unser Dampfer seinen Eisenmagen mit Feigen, Rosinen, süßem Weiter oben auf dem Hafenplatz liegen Scharen von Weibern und Kindern Drei Wochen haben wir keine Post bekommen, und mit einer gewissen Line Mittelmeerfahrt nach Spanien Hafen ebensoviel wert sei wie Granadas Alhambra. Der Ausländer, der Während unser Dampfer seinen Eisenmagen mit Feigen, Rosinen, süßem Weiter oben auf dem Hafenplatz liegen Scharen von Weibern und Kindern Drei Wochen haben wir keine Post bekommen, und mit einer gewissen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303068"/> <fw type="header" place="top"> Line Mittelmeerfahrt nach Spanien</fw><lb/> <p xml:id="ID_2127" prev="#ID_2126"> Hafen ebensoviel wert sei wie Granadas Alhambra. Der Ausländer, der<lb/> beides gesehen hat, wird finden, daß die beiden Parteien ebensogut darüber<lb/> streiten könnten, was höher sei, das hohe 0 oder die Spitze der Domkirche<lb/> in Sevilla. Allein die Malaguenos sind nun einmal entartet; haben sie nicht<lb/> etwa selbst den entscheidenden Beweis geliefert, indem sie nun ebenfalls ihren<lb/> Hafen zum Freihafen umwandeln wollen, nach dem Muster des naheliegenden<lb/> Gibraltar?</p><lb/> <p xml:id="ID_2128"> Während unser Dampfer seinen Eisenmagen mit Feigen, Rosinen, süßem<lb/> Malagawein und manchem andern vollstopft, gehn wir ans Land, um uns<lb/> umzusehen und die Post zu holen. Es ist mitten in der Exportzeit, und am<lb/> Hafen ist Leben und Bewegung. Alle Früchte Spaniens scheinen sich zu<lb/> unserm Willkommen hier ein Stelldichein gegeben zu haben, und wir bahnen<lb/> uns einen Weg zwischen Wein- und Ölfässern, Tonnen mit gepreßten Trauben,<lb/> Kisten mit Datteln, Rosinen, Zitronen, Apfelsinen und Mandeln, Bastkörben<lb/> mit Feigen, Säcken voll Hasel- und Walnüssen und vielen andern Früchten.<lb/> Da und dort ist ein Sack unter den Händen der Arbeiter geplatzt, und sie<lb/> bieten uns, während wir vorbeigehn, von dem Inhalt an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2129"> Weiter oben auf dem Hafenplatz liegen Scharen von Weibern und Kindern<lb/> auf den Knien um große Apfelsinenhanfen. Sie schwatzen und singen, während<lb/> sie die von einigen Männern sortierten Früchte in Seidenpapier rollen und<lb/> in die langen Kisten packen. In ihren farbenreichen Lumpen wirken sie wie<lb/> ein um einen Goldhaufen geschlungner Kranz von Mohn- und Kornblumen.<lb/> Man stutzt unwillkürlich, wenn man diese daheim so kostspieligen und so be¬<lb/> gehrten Früchte hier wie Kartoffeln behandeln sieht. Eisenbahnwaggons kommen<lb/> auf den Schienen dahergelaufen, die Schiebtüren öffnen sich, und heraus rollen<lb/> die Orangen in Körbe oder auch auf die bloße Erde, wie es gerade trifft.<lb/> Magere, sehnige Männer mit bloßen Füßen und einem turbanartig um den<lb/> Kopf gewickelten roten Tuche laufen herbei und stürzen den Inhalt der Körbe<lb/> über die hochgestapelten Haufen, sodaß die Früchte hinausrollen zwischen die<lb/> nackten Beine der Weiber und Kinder und weiter über die schwarze Erde wie<lb/> Funken im Dunkeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_2130"> Drei Wochen haben wir keine Post bekommen, und mit einer gewissen<lb/> Erwartung eilen wir zum Konsulat. Konsul Schultz, ein liebenswürdiger alter<lb/> Deutscher, sucht nach der Post, schüttelt lächelnd seinen grauen Kopf und reicht<lb/> uns eine Zeitung in Kreuzband. Eine Zeitung, ach, dieses andalusische Post¬<lb/> Wesen! Mit den Briefen mag es noch dahingehn; die hat wohl irgend eine<lb/> Witwe bekommen, die sich besonders gut mit dem Postboten stand. Da aber<lb/> der öffentliche Schreiber, der sonst die Briefe für sie schreibt und liest, ihr<lb/> diese nicht verdolmetschen kann, glaubt sie, sie handelten von einem Millionen¬<lb/> erbe, und macht nun Schulden und zehrt davon ihr ganzes Leben. Das ist<lb/> nun auch ihre Sache. Aber die Zeitungen — wer könnte hier auch nur an¬<lb/> nähernd dasselbe Interesse an ihnen haben wie wir?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
Line Mittelmeerfahrt nach Spanien
Hafen ebensoviel wert sei wie Granadas Alhambra. Der Ausländer, der
beides gesehen hat, wird finden, daß die beiden Parteien ebensogut darüber
streiten könnten, was höher sei, das hohe 0 oder die Spitze der Domkirche
in Sevilla. Allein die Malaguenos sind nun einmal entartet; haben sie nicht
etwa selbst den entscheidenden Beweis geliefert, indem sie nun ebenfalls ihren
Hafen zum Freihafen umwandeln wollen, nach dem Muster des naheliegenden
Gibraltar?
Während unser Dampfer seinen Eisenmagen mit Feigen, Rosinen, süßem
Malagawein und manchem andern vollstopft, gehn wir ans Land, um uns
umzusehen und die Post zu holen. Es ist mitten in der Exportzeit, und am
Hafen ist Leben und Bewegung. Alle Früchte Spaniens scheinen sich zu
unserm Willkommen hier ein Stelldichein gegeben zu haben, und wir bahnen
uns einen Weg zwischen Wein- und Ölfässern, Tonnen mit gepreßten Trauben,
Kisten mit Datteln, Rosinen, Zitronen, Apfelsinen und Mandeln, Bastkörben
mit Feigen, Säcken voll Hasel- und Walnüssen und vielen andern Früchten.
Da und dort ist ein Sack unter den Händen der Arbeiter geplatzt, und sie
bieten uns, während wir vorbeigehn, von dem Inhalt an.
Weiter oben auf dem Hafenplatz liegen Scharen von Weibern und Kindern
auf den Knien um große Apfelsinenhanfen. Sie schwatzen und singen, während
sie die von einigen Männern sortierten Früchte in Seidenpapier rollen und
in die langen Kisten packen. In ihren farbenreichen Lumpen wirken sie wie
ein um einen Goldhaufen geschlungner Kranz von Mohn- und Kornblumen.
Man stutzt unwillkürlich, wenn man diese daheim so kostspieligen und so be¬
gehrten Früchte hier wie Kartoffeln behandeln sieht. Eisenbahnwaggons kommen
auf den Schienen dahergelaufen, die Schiebtüren öffnen sich, und heraus rollen
die Orangen in Körbe oder auch auf die bloße Erde, wie es gerade trifft.
Magere, sehnige Männer mit bloßen Füßen und einem turbanartig um den
Kopf gewickelten roten Tuche laufen herbei und stürzen den Inhalt der Körbe
über die hochgestapelten Haufen, sodaß die Früchte hinausrollen zwischen die
nackten Beine der Weiber und Kinder und weiter über die schwarze Erde wie
Funken im Dunkeln.
Drei Wochen haben wir keine Post bekommen, und mit einer gewissen
Erwartung eilen wir zum Konsulat. Konsul Schultz, ein liebenswürdiger alter
Deutscher, sucht nach der Post, schüttelt lächelnd seinen grauen Kopf und reicht
uns eine Zeitung in Kreuzband. Eine Zeitung, ach, dieses andalusische Post¬
Wesen! Mit den Briefen mag es noch dahingehn; die hat wohl irgend eine
Witwe bekommen, die sich besonders gut mit dem Postboten stand. Da aber
der öffentliche Schreiber, der sonst die Briefe für sie schreibt und liest, ihr
diese nicht verdolmetschen kann, glaubt sie, sie handelten von einem Millionen¬
erbe, und macht nun Schulden und zehrt davon ihr ganzes Leben. Das ist
nun auch ihre Sache. Aber die Zeitungen — wer könnte hier auch nur an¬
nähernd dasselbe Interesse an ihnen haben wie wir?
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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