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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Russische Buche

Regulativ verwaltet werden (Gesetzsammlung Band II, Teil 1 von 1892), ferner
im Gebiet der Donkosaken, in dem zum Verwaltungsgebiet des Kaukasus ge¬
hörenden Gouvernement Stawropol, in den sibirischen Gouvernements Tobolsk
und Tomsk sowie schließlich in den Städten Petersburg, Moskau, Kijew,
Odessa und Riga.

In diesem Gebiete sind die Wühler eingeteilt in: 1. Großgruud- und
Jmmobilienbesttzer. die über eine bestimmte Menge Land (Artikel 28) verfügen,
2. städtische Wähler, die große Steuern bezahlen, 3. solche, die kleine Steuern
zahlen, 4. die Vertrauensmänner der Bauern, nach Wolosten oder Stanizen
geordnet, und 5. in den betreffenden Gouvernements die Vertrauensmänner
der Fabrik- und Bergarbeiter. Somit gibt es fünf Kurier. (Artikel 6.)

Der Hauptunterschied des neuen Wahlmodus gegen den frühern liegt nun
in zwei Richtungen. Zunächst hat der Minister des Innern das Recht, überall,
wo verschiedne Nationalitüten zusammenwohnen, die Zahl der gesetzlich festge¬
stellten Wahlmänner durch seine Organe (Gouverneure und Stadthauptleute)
auf die einzelnen Nationalitäten verteilen zu lassen (Artikel 29, 35 und 38).
Damit soll das nationale Prinzip mehr Geltung bekommen, als es bisher der
Fall war. Es wird nunmehr möglich sein, auch in solchen Gegenden Wahl¬
männer russischer Nationalität aufzustellen und durchzubringen, wo das Ver¬
hältnis der verschiednen Nationalitäten dem fremden Stamme günstiger ist als
dem russischen. So können die zahlreichen polnischen Gutsbesitzer, Pächter und
Verwalter im Nordwest- und Südwestgebiet (siehe Tabelle IX und X) gegen
früher ganz bedeutend in ihrem Wahlrecht beschnitten werden. Ferner werden
bei einer gewissen Kategorie von Jmmobilienbesitzern (Artikel 28, 4 und 5) die
Wahlmänner aus Vertrauensmünnerversammlnngen gewählt, wobei nicht die
Zahl der Stimmen, sondern Menge und Wert des Jmmobilienbesitzes den Aus¬
schlag gibt (Artikel 30 und 31). Dadurch werden sowohl die Kapitalisten wie
die Vertreter des Kirchenbesitzes bevorzugt. Denn die Vorversammlung hat
unter solchen Verhältnissen begreiflicherweise ein lebhaftes Interesse daran,
möglichst wohlhabende Vertrauensmänner für sich zu bestellen. Infolgedessen
ist theoretisch der Fall denkbar, daß zum Beispiel der Verwalter eines Kloster¬
gutes von 8000 Hektar sich selbst seine Stimme gibt und damit alle seine
gegen ihn stimmenden Mitbewerber schlüge, wenn deren Besitz zusammen¬
genommen kleiner als 8000 Hektar sein sollte! Die Tatsache, daß neben der
Größe auch der Wert des Unwesens eine Rolle spielt, hat auf mein Beispiel
keinen Einfluß.

Wie nach dem alten Wahlgesetz treten die Vertrauensmänner der Bauern,
der Grund- und Jmmobilienbesitzer sowie der Städter nach Kreisen zusammen,
um, jede Kurie für sich, die hierunter für die einzelnen Gouvernements aufge¬
führten Wahlmänner zu wählen.

Wie aus der Gegenüberstellung der Zahlen aus dem alten und dem neuen
Gesetz hervorgeht, sind hier bedeutsame Veränderungen eingetreten. Abweichend


Russische Buche

Regulativ verwaltet werden (Gesetzsammlung Band II, Teil 1 von 1892), ferner
im Gebiet der Donkosaken, in dem zum Verwaltungsgebiet des Kaukasus ge¬
hörenden Gouvernement Stawropol, in den sibirischen Gouvernements Tobolsk
und Tomsk sowie schließlich in den Städten Petersburg, Moskau, Kijew,
Odessa und Riga.

In diesem Gebiete sind die Wühler eingeteilt in: 1. Großgruud- und
Jmmobilienbesttzer. die über eine bestimmte Menge Land (Artikel 28) verfügen,
2. städtische Wähler, die große Steuern bezahlen, 3. solche, die kleine Steuern
zahlen, 4. die Vertrauensmänner der Bauern, nach Wolosten oder Stanizen
geordnet, und 5. in den betreffenden Gouvernements die Vertrauensmänner
der Fabrik- und Bergarbeiter. Somit gibt es fünf Kurier. (Artikel 6.)

Der Hauptunterschied des neuen Wahlmodus gegen den frühern liegt nun
in zwei Richtungen. Zunächst hat der Minister des Innern das Recht, überall,
wo verschiedne Nationalitüten zusammenwohnen, die Zahl der gesetzlich festge¬
stellten Wahlmänner durch seine Organe (Gouverneure und Stadthauptleute)
auf die einzelnen Nationalitäten verteilen zu lassen (Artikel 29, 35 und 38).
Damit soll das nationale Prinzip mehr Geltung bekommen, als es bisher der
Fall war. Es wird nunmehr möglich sein, auch in solchen Gegenden Wahl¬
männer russischer Nationalität aufzustellen und durchzubringen, wo das Ver¬
hältnis der verschiednen Nationalitäten dem fremden Stamme günstiger ist als
dem russischen. So können die zahlreichen polnischen Gutsbesitzer, Pächter und
Verwalter im Nordwest- und Südwestgebiet (siehe Tabelle IX und X) gegen
früher ganz bedeutend in ihrem Wahlrecht beschnitten werden. Ferner werden
bei einer gewissen Kategorie von Jmmobilienbesitzern (Artikel 28, 4 und 5) die
Wahlmänner aus Vertrauensmünnerversammlnngen gewählt, wobei nicht die
Zahl der Stimmen, sondern Menge und Wert des Jmmobilienbesitzes den Aus¬
schlag gibt (Artikel 30 und 31). Dadurch werden sowohl die Kapitalisten wie
die Vertreter des Kirchenbesitzes bevorzugt. Denn die Vorversammlung hat
unter solchen Verhältnissen begreiflicherweise ein lebhaftes Interesse daran,
möglichst wohlhabende Vertrauensmänner für sich zu bestellen. Infolgedessen
ist theoretisch der Fall denkbar, daß zum Beispiel der Verwalter eines Kloster¬
gutes von 8000 Hektar sich selbst seine Stimme gibt und damit alle seine
gegen ihn stimmenden Mitbewerber schlüge, wenn deren Besitz zusammen¬
genommen kleiner als 8000 Hektar sein sollte! Die Tatsache, daß neben der
Größe auch der Wert des Unwesens eine Rolle spielt, hat auf mein Beispiel
keinen Einfluß.

Wie nach dem alten Wahlgesetz treten die Vertrauensmänner der Bauern,
der Grund- und Jmmobilienbesitzer sowie der Städter nach Kreisen zusammen,
um, jede Kurie für sich, die hierunter für die einzelnen Gouvernements aufge¬
führten Wahlmänner zu wählen.

Wie aus der Gegenüberstellung der Zahlen aus dem alten und dem neuen
Gesetz hervorgeht, sind hier bedeutsame Veränderungen eingetreten. Abweichend


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[0284] Russische Buche Regulativ verwaltet werden (Gesetzsammlung Band II, Teil 1 von 1892), ferner im Gebiet der Donkosaken, in dem zum Verwaltungsgebiet des Kaukasus ge¬ hörenden Gouvernement Stawropol, in den sibirischen Gouvernements Tobolsk und Tomsk sowie schließlich in den Städten Petersburg, Moskau, Kijew, Odessa und Riga. In diesem Gebiete sind die Wühler eingeteilt in: 1. Großgruud- und Jmmobilienbesttzer. die über eine bestimmte Menge Land (Artikel 28) verfügen, 2. städtische Wähler, die große Steuern bezahlen, 3. solche, die kleine Steuern zahlen, 4. die Vertrauensmänner der Bauern, nach Wolosten oder Stanizen geordnet, und 5. in den betreffenden Gouvernements die Vertrauensmänner der Fabrik- und Bergarbeiter. Somit gibt es fünf Kurier. (Artikel 6.) Der Hauptunterschied des neuen Wahlmodus gegen den frühern liegt nun in zwei Richtungen. Zunächst hat der Minister des Innern das Recht, überall, wo verschiedne Nationalitüten zusammenwohnen, die Zahl der gesetzlich festge¬ stellten Wahlmänner durch seine Organe (Gouverneure und Stadthauptleute) auf die einzelnen Nationalitäten verteilen zu lassen (Artikel 29, 35 und 38). Damit soll das nationale Prinzip mehr Geltung bekommen, als es bisher der Fall war. Es wird nunmehr möglich sein, auch in solchen Gegenden Wahl¬ männer russischer Nationalität aufzustellen und durchzubringen, wo das Ver¬ hältnis der verschiednen Nationalitäten dem fremden Stamme günstiger ist als dem russischen. So können die zahlreichen polnischen Gutsbesitzer, Pächter und Verwalter im Nordwest- und Südwestgebiet (siehe Tabelle IX und X) gegen früher ganz bedeutend in ihrem Wahlrecht beschnitten werden. Ferner werden bei einer gewissen Kategorie von Jmmobilienbesitzern (Artikel 28, 4 und 5) die Wahlmänner aus Vertrauensmünnerversammlnngen gewählt, wobei nicht die Zahl der Stimmen, sondern Menge und Wert des Jmmobilienbesitzes den Aus¬ schlag gibt (Artikel 30 und 31). Dadurch werden sowohl die Kapitalisten wie die Vertreter des Kirchenbesitzes bevorzugt. Denn die Vorversammlung hat unter solchen Verhältnissen begreiflicherweise ein lebhaftes Interesse daran, möglichst wohlhabende Vertrauensmänner für sich zu bestellen. Infolgedessen ist theoretisch der Fall denkbar, daß zum Beispiel der Verwalter eines Kloster¬ gutes von 8000 Hektar sich selbst seine Stimme gibt und damit alle seine gegen ihn stimmenden Mitbewerber schlüge, wenn deren Besitz zusammen¬ genommen kleiner als 8000 Hektar sein sollte! Die Tatsache, daß neben der Größe auch der Wert des Unwesens eine Rolle spielt, hat auf mein Beispiel keinen Einfluß. Wie nach dem alten Wahlgesetz treten die Vertrauensmänner der Bauern, der Grund- und Jmmobilienbesitzer sowie der Städter nach Kreisen zusammen, um, jede Kurie für sich, die hierunter für die einzelnen Gouvernements aufge¬ führten Wahlmänner zu wählen. Wie aus der Gegenüberstellung der Zahlen aus dem alten und dem neuen Gesetz hervorgeht, sind hier bedeutsame Veränderungen eingetreten. Abweichend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/284>, abgerufen am 01.09.2024.