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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

dringlicher ist und sicherlich nicht durch die Errichtung besondrer Behörden
geschaffen werden kann, wie man im Reichsamt des Innern anscheinend will,
sondern nach dem Vorschlage des verstorbnen Präsidenten Bödiker nur durch
Angliederung an die vorhandnen Behörden. Aber über allen solchen Einzel¬
aufgaben steht das gewaltige Werk der technischen und politischen Erziehung
des Einzelnen und des ganzen Volkes für die großen Aufgaben, die ihm
zugefallen sind, der Zusammenfassung aller Kräfte des Volkes zum geistigen,
zum wirtschaftlichen Kampfe, zum Kampfe mit den Waffen gegen alle, die seine
Entwicklung hemmen wollen -- im Innern und von außen, wie es uns Fürst
Bülow noch neulich mit ernster Mahnung als dringendste Forderung des Tages
vorgehalten hat.

Und wer soll alle diese Arbeit leisten? Doch ebenso wie früher der Ver¬
waltungsbeamte, der berufne Vertreter der Staatsgewalt. Wieviel schwieriger
ist es aber jetzt für ihn, sachgemäß einzugreifen! Wir haben jetzt keinen absoluten
Staat mehr, sondern ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht des Volkes im
Staate, in den Gemeindeverbänden, in der Kirche. Wir haben namentlich auch
keinen Polizeistaat mehr mit der Fülle seiner Machtmittel, vielmehr das gerade
Gegenteil, einen Rechtsstaat, der die Freiheit des Einzelnen, die Selbständigkeit
der großen Gemeinschaften innerhalb des Staats mit einem wirksamen Rechts¬
schutz umgeben und die Tätigkeit der Verwaltung auf Schritt und Tritt einer
weitgehenden, unparteiischen Nachprüfung unterworfen hat. Fürwahr das be¬
kannte Wort des Fürsten Bismarck, daß das Regieren jetzt etwas schwieriger
sei als zur Zeit Friedrichs des Großen, gilt schon längst auch von der Ver¬
waltung, die schließlich ja auch nur ein Teil der Regierung ist.

Auf der Tüchtigkeit der Verwaltungsbeamten beruht also alles. Gewiß
können sie ohne Hilfe und Unterstützung aus dem Volke heraus nichts dauerndes
erreichen, aber umgekehrt wird auch dieses allein ohne die Führung der Ver¬
waltungsbeamten jene Arbeit nicht leisten können. Es ist also mit beiden Händen
zu greifen, daß jetzt erst recht nur die besten Männer des Volks, "so geschickte
Leute, als weit und breit zu finden", gerade gut genug sind für den Verwal¬
tungsdienst, und daß es noch immer die erste und wichtigste Aufgabe sein muß,
die Besten herauszusuchen und an die richtige Stelle zu bringen. Nur dann kann,
wie es schon der alte Staatsminister von Hagen ausgesprochen hat, darauf ge¬
rechnet werden, daß die Verwaltung immer auf der Höhe ihrer Aufgaben steht.

Nun hat Professor Schmoller vor einiger Zeit gelegentlich bemerkt, daß
die Verwaltungsbeamten der absoluten Staaten immer besser seien als die der
Verfassungsstaaten. Ich weiß nicht, ob der verehrte Führer der neuern historischen
Schule der deutschen Nationalökonomie damit ein historisches Gesetz aufstellen
wollte; ich würde ihn sonst an seinen Fakultätsgenossen Eduard Meyer weisen
müssen, der historische Gesetze nicht anerkennt. Jedenfalls würde ich aber für
Preußen ein solches Gesetz leugnen müssen. Die Mißstände des höhern Ver¬
waltungsdienstes in Preußen, von denen ich hier leider soviel erzählen mußte,
sind nicht allein oder nicht einmal überwiegend durch den Parlamentarismus


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

dringlicher ist und sicherlich nicht durch die Errichtung besondrer Behörden
geschaffen werden kann, wie man im Reichsamt des Innern anscheinend will,
sondern nach dem Vorschlage des verstorbnen Präsidenten Bödiker nur durch
Angliederung an die vorhandnen Behörden. Aber über allen solchen Einzel¬
aufgaben steht das gewaltige Werk der technischen und politischen Erziehung
des Einzelnen und des ganzen Volkes für die großen Aufgaben, die ihm
zugefallen sind, der Zusammenfassung aller Kräfte des Volkes zum geistigen,
zum wirtschaftlichen Kampfe, zum Kampfe mit den Waffen gegen alle, die seine
Entwicklung hemmen wollen — im Innern und von außen, wie es uns Fürst
Bülow noch neulich mit ernster Mahnung als dringendste Forderung des Tages
vorgehalten hat.

Und wer soll alle diese Arbeit leisten? Doch ebenso wie früher der Ver¬
waltungsbeamte, der berufne Vertreter der Staatsgewalt. Wieviel schwieriger
ist es aber jetzt für ihn, sachgemäß einzugreifen! Wir haben jetzt keinen absoluten
Staat mehr, sondern ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht des Volkes im
Staate, in den Gemeindeverbänden, in der Kirche. Wir haben namentlich auch
keinen Polizeistaat mehr mit der Fülle seiner Machtmittel, vielmehr das gerade
Gegenteil, einen Rechtsstaat, der die Freiheit des Einzelnen, die Selbständigkeit
der großen Gemeinschaften innerhalb des Staats mit einem wirksamen Rechts¬
schutz umgeben und die Tätigkeit der Verwaltung auf Schritt und Tritt einer
weitgehenden, unparteiischen Nachprüfung unterworfen hat. Fürwahr das be¬
kannte Wort des Fürsten Bismarck, daß das Regieren jetzt etwas schwieriger
sei als zur Zeit Friedrichs des Großen, gilt schon längst auch von der Ver¬
waltung, die schließlich ja auch nur ein Teil der Regierung ist.

Auf der Tüchtigkeit der Verwaltungsbeamten beruht also alles. Gewiß
können sie ohne Hilfe und Unterstützung aus dem Volke heraus nichts dauerndes
erreichen, aber umgekehrt wird auch dieses allein ohne die Führung der Ver¬
waltungsbeamten jene Arbeit nicht leisten können. Es ist also mit beiden Händen
zu greifen, daß jetzt erst recht nur die besten Männer des Volks, „so geschickte
Leute, als weit und breit zu finden", gerade gut genug sind für den Verwal¬
tungsdienst, und daß es noch immer die erste und wichtigste Aufgabe sein muß,
die Besten herauszusuchen und an die richtige Stelle zu bringen. Nur dann kann,
wie es schon der alte Staatsminister von Hagen ausgesprochen hat, darauf ge¬
rechnet werden, daß die Verwaltung immer auf der Höhe ihrer Aufgaben steht.

Nun hat Professor Schmoller vor einiger Zeit gelegentlich bemerkt, daß
die Verwaltungsbeamten der absoluten Staaten immer besser seien als die der
Verfassungsstaaten. Ich weiß nicht, ob der verehrte Führer der neuern historischen
Schule der deutschen Nationalökonomie damit ein historisches Gesetz aufstellen
wollte; ich würde ihn sonst an seinen Fakultätsgenossen Eduard Meyer weisen
müssen, der historische Gesetze nicht anerkennt. Jedenfalls würde ich aber für
Preußen ein solches Gesetz leugnen müssen. Die Mißstände des höhern Ver¬
waltungsdienstes in Preußen, von denen ich hier leider soviel erzählen mußte,
sind nicht allein oder nicht einmal überwiegend durch den Parlamentarismus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/242>, abgerufen am 02.09.2024.