Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Papst Pius der Zehnte Strenge ihres Glaubens in Fragen der populären christlichen Aktion nicht un¬ Papst Pius der Zehnte Strenge ihres Glaubens in Fragen der populären christlichen Aktion nicht un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302932"/> <fw type="header" place="top"> Papst Pius der Zehnte</fw><lb/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972" next="#ID_974"> Strenge ihres Glaubens in Fragen der populären christlichen Aktion nicht un¬<lb/> bedingt verläßlichen Elemente, alle Freunde und Pfleger ungesunder Neuerungen,<lb/> die die Absichten und die Ansprüche des apostolischen Glaubens wenig eifrig<lb/> wahrnehmen und wenig aufrichtig sind in der steten Beobachtung der päpstlichen<lb/> Anweisungen" (Kardinal-Staatssekretär Merry del Val an die Huioue Ende<lb/> Juli 1904). Sie hat ferner gemäß einer päpstlichen Enzyklika an die Bischöfe,<lb/> denen die Genehmigung und Überwachung der Sitzungen der Lokal- und der<lb/> Provinzialvereine der Klerikalen überhaupt und des neuen Verbandes im be¬<lb/> sondern obliegt, das politische Verständnis und die Befähigung zur zielbewußter<lb/> und erfolgreichen politischen Beendigung bei den Katholiken heranzubilden und<lb/> wirkungsfähig zu erhalten, im besondern also auch Wahlagitation zu betreiben.<lb/> Jedes Mitglied der Iluioue, so will der Papst, hat sich jeder öffentlichen Kritik<lb/> der Organisationsleitung (lies: Kurie) zu enthalten, da diese „erhaben über jede<lb/> persönliche Ansicht, die sichern, pflichtgemäßen und unantastbaren Ideale der<lb/> Religion, der Gesellschaft und des Vaterlandes repräsentiert", und da nur die<lb/> unbedingte Ergebenheit des Einzelnen gegen das Ganze den päpstlichen Entschluß<lb/> verwirklichen kann, „daß in unserm Lande auf allen legitimen Wegen die von<lb/> der katholischen Kirche dargestellte christliche Gesellschaftsordnung gefördert, ver¬<lb/> teidigt und ausgebreitet werde, in Verfolg der Überzeugung, daß die göttliche<lb/> Autorität der katholischen Kirche und das unantastbare Recht zur vollen und<lb/> freien Ausübung ihrer allumfassenden religiösen Mission der Gesellschaft, der<lb/> Zivilisation und dem Vaterlande dient". Die Organisation hat schon bedeutende<lb/> tatsächliche Erfolge zu verzeichnen, indem sie einesteils in mehreren Wahlkreisen<lb/> rechtsstehenden Kandidaten über linksstehende zum Siege verholfen hat, und indem<lb/> vier ausgesprochen klerikale Männer in die Deputiertenkammer gewählt worden<lb/> sind. Es ist klar, daß unter solchen Umständen zwar eine Politik wie die des<lb/> deutschen Zentrums noch nicht gemacht werden kann, ja es ist begreiflich, daß<lb/> von vatikanischer Seite den vier Deputierten der Beruf bestritten wird, das<lb/> Rudiment einer klerikalen Partei zu bilden, aber der ansehnliche Anfang einer<lb/> Entfaltung der politischen Macht der Klerikalen ist dennoch tatsächlich da und<lb/> wird von den politischen Gegnern und der Regierung sehr ernstlich in Rechnung<lb/> gestellt. Namentlich die Regierung, die um ihrer Selbsterhaltung willen den Blick<lb/> immer auf die Wahlkreise gerichtet halten muß, nimmt die Erscheinung sehr ernst.<lb/> Nicht nur getraut sie sich nicht, den von einigen Deputierten in diesen Wochen<lb/> wieder hervorgezognen Entwurf eines im Jahre 1885 aus Anlaß von Streitig¬<lb/> keiten über die Opportunist der bestehenden juridischen Existenzform der Kirchen¬<lb/> güter erörterten Gesetzes über die nach dem französischen Schema gedachte<lb/> Trennung von Kirche und Staat irgend zu berücksichtigen, sondern sie läßt auch<lb/> die Einführung der Ehescheidung und den eine Elimination des Religionsunterrichts<lb/> aus dem Lehrpensum herbeiführender, sehr begründeten Vorschlag der Übernahme<lb/> des Elementarschulwesens aus das Staatskonto völlig außer Betracht. Auch was<lb/> man in der jüngsten Zeit die Annäherung von Quirinal und Vatikan heißt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
Papst Pius der Zehnte
Strenge ihres Glaubens in Fragen der populären christlichen Aktion nicht un¬
bedingt verläßlichen Elemente, alle Freunde und Pfleger ungesunder Neuerungen,
die die Absichten und die Ansprüche des apostolischen Glaubens wenig eifrig
wahrnehmen und wenig aufrichtig sind in der steten Beobachtung der päpstlichen
Anweisungen" (Kardinal-Staatssekretär Merry del Val an die Huioue Ende
Juli 1904). Sie hat ferner gemäß einer päpstlichen Enzyklika an die Bischöfe,
denen die Genehmigung und Überwachung der Sitzungen der Lokal- und der
Provinzialvereine der Klerikalen überhaupt und des neuen Verbandes im be¬
sondern obliegt, das politische Verständnis und die Befähigung zur zielbewußter
und erfolgreichen politischen Beendigung bei den Katholiken heranzubilden und
wirkungsfähig zu erhalten, im besondern also auch Wahlagitation zu betreiben.
Jedes Mitglied der Iluioue, so will der Papst, hat sich jeder öffentlichen Kritik
der Organisationsleitung (lies: Kurie) zu enthalten, da diese „erhaben über jede
persönliche Ansicht, die sichern, pflichtgemäßen und unantastbaren Ideale der
Religion, der Gesellschaft und des Vaterlandes repräsentiert", und da nur die
unbedingte Ergebenheit des Einzelnen gegen das Ganze den päpstlichen Entschluß
verwirklichen kann, „daß in unserm Lande auf allen legitimen Wegen die von
der katholischen Kirche dargestellte christliche Gesellschaftsordnung gefördert, ver¬
teidigt und ausgebreitet werde, in Verfolg der Überzeugung, daß die göttliche
Autorität der katholischen Kirche und das unantastbare Recht zur vollen und
freien Ausübung ihrer allumfassenden religiösen Mission der Gesellschaft, der
Zivilisation und dem Vaterlande dient". Die Organisation hat schon bedeutende
tatsächliche Erfolge zu verzeichnen, indem sie einesteils in mehreren Wahlkreisen
rechtsstehenden Kandidaten über linksstehende zum Siege verholfen hat, und indem
vier ausgesprochen klerikale Männer in die Deputiertenkammer gewählt worden
sind. Es ist klar, daß unter solchen Umständen zwar eine Politik wie die des
deutschen Zentrums noch nicht gemacht werden kann, ja es ist begreiflich, daß
von vatikanischer Seite den vier Deputierten der Beruf bestritten wird, das
Rudiment einer klerikalen Partei zu bilden, aber der ansehnliche Anfang einer
Entfaltung der politischen Macht der Klerikalen ist dennoch tatsächlich da und
wird von den politischen Gegnern und der Regierung sehr ernstlich in Rechnung
gestellt. Namentlich die Regierung, die um ihrer Selbsterhaltung willen den Blick
immer auf die Wahlkreise gerichtet halten muß, nimmt die Erscheinung sehr ernst.
Nicht nur getraut sie sich nicht, den von einigen Deputierten in diesen Wochen
wieder hervorgezognen Entwurf eines im Jahre 1885 aus Anlaß von Streitig¬
keiten über die Opportunist der bestehenden juridischen Existenzform der Kirchen¬
güter erörterten Gesetzes über die nach dem französischen Schema gedachte
Trennung von Kirche und Staat irgend zu berücksichtigen, sondern sie läßt auch
die Einführung der Ehescheidung und den eine Elimination des Religionsunterrichts
aus dem Lehrpensum herbeiführender, sehr begründeten Vorschlag der Übernahme
des Elementarschulwesens aus das Staatskonto völlig außer Betracht. Auch was
man in der jüngsten Zeit die Annäherung von Quirinal und Vatikan heißt,
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