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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Frankreichs Allianzversuche ^363 bis ^370

daß nach Verwerfung der Mediation ein gemeinsamer Kriegsplan studiert werden
solle. Hier verlangte Gmmont noch die Einsetzung der Worte: "mit Frank¬
reich", das heißt, der Kriegsplan der beiden Machte sollte gemeinschaftlich mit
Frankreich festgestellt werden. In dieser Form wurde nun der Vertrag von
Vimercati dem Kaiser vorgelegt, der sich damals schon in Metz befand. Am
3. August gab dieser seinen Bescheid. Er schlug noch einige Abänderungen vor,
so an Artikel 5, der nach der vorauszusehenden Ablehnung der Mediation
"sobald als möglich" die Aufstellung eines italienischen Korps in Tirol und
eines österreichischen in Böhmen stipulierte. Statt "sobald als möglich" ver¬
langte der Kaiser "unverzüglich" zu setzen. Man kann daraus ersehen, welche
Beunruhigung bereits die Nachrichten vom Kriegsschauplatz bewirkten. Nun
fragte sich noch, ob Osterreich mit diesen Änderungen einverstanden sei. Latour
d'Auvergne hatte bisher die beste Hoffnung gehabt. "Ich hoffe noch, tele¬
graphierte er am 3. August, die Allianz zu drei unterzeichnen zu können, be¬
sonders wenn die preußische Armee ernsthafte Schläge erleidet. Vom Sieg
wird der Erfolg meiner Sendung wesentlich abhängen." Am 5. August aber
mußte er nach Paris berichten, daß Beust die Änderungen ablehne, die auf Be¬
schleunigung des Eintritts in die Aktion zielten. Beust hatte eine feine Witterung
gehabt: am folgenden Tage gingen die Schlachten von Wörth und von Spichern
für die Franzosen verloren, und damit waren die Allianzverhandlungen end-
giltig zu Grabe getragen. "Mit Besiegten verbindet man sich nicht", sagte der
Herzog von Gramont. Die letzten verzweifelten Versuche des Kaisers, Italien
zur Hilfeleistung zu bewegen, können wir übergehn. Sie mußten schon darum
erfolglos sein, weil die Italiener jetzt den Weg nach Rom offen sahen.

Werfen wir einen Blick auf den Gang der Verhandlungen zurück, deren
Gelingen dem Krieg "vielleicht eine andre Wendung gegeben hätte". Vor allem
steht fest, daß auf feiten der drei Beteiligten der beste Wille vorhanden war,
zu einem politischen und voraussichtlich kriegerischen Bündnis zu gelangen zum
Zweck, "den Frieden Europas auf festere Grundlagen zu stellen". Frankreich
und Österreich verband der gemeinsame Haß gegen das siegreiche Preußen und
das werdende Deutschland. Italien war an Frankreich gebunden, weil dieses
die Hand auf den Kirchenstaat gelegt hatte, und das Schwert gegen den Ver¬
bündeten von 1866 zu ziehen, machte wenigstens Viktor Emanuel geringen
Kummer. Aus diesen Voraussetzungen entspannen sich die Bündnisverhandlungen,
die im Jahre 1869 gepflogen wurden. Sie blieben ergebnislos, weil Napoleon
der Dritte den Italienern jedes Zugeständnis in der römischen Frage ver¬
weigerte. Immerhin verstand man sich zum Versprechen einer gegen Preußen
gerichteten gemeinsamen Politik, und dies wurde bekräftigt durch die Monarchen¬
briefe, die das bisherige Stadium der Verhandlungen abschlossen und zugleich
als ein zwar nicht streng verbindliches, aber moralisches Band bei späterer Ge¬
legenheit einen Wiederanknüpfungspunkt darboten. Diese Gelegenheit brach
herein, allen Teilen überraschend, beim plötzlich auftauchenden Streit um die


Frankreichs Allianzversuche ^363 bis ^370

daß nach Verwerfung der Mediation ein gemeinsamer Kriegsplan studiert werden
solle. Hier verlangte Gmmont noch die Einsetzung der Worte: „mit Frank¬
reich", das heißt, der Kriegsplan der beiden Machte sollte gemeinschaftlich mit
Frankreich festgestellt werden. In dieser Form wurde nun der Vertrag von
Vimercati dem Kaiser vorgelegt, der sich damals schon in Metz befand. Am
3. August gab dieser seinen Bescheid. Er schlug noch einige Abänderungen vor,
so an Artikel 5, der nach der vorauszusehenden Ablehnung der Mediation
„sobald als möglich" die Aufstellung eines italienischen Korps in Tirol und
eines österreichischen in Böhmen stipulierte. Statt „sobald als möglich" ver¬
langte der Kaiser „unverzüglich" zu setzen. Man kann daraus ersehen, welche
Beunruhigung bereits die Nachrichten vom Kriegsschauplatz bewirkten. Nun
fragte sich noch, ob Osterreich mit diesen Änderungen einverstanden sei. Latour
d'Auvergne hatte bisher die beste Hoffnung gehabt. „Ich hoffe noch, tele¬
graphierte er am 3. August, die Allianz zu drei unterzeichnen zu können, be¬
sonders wenn die preußische Armee ernsthafte Schläge erleidet. Vom Sieg
wird der Erfolg meiner Sendung wesentlich abhängen." Am 5. August aber
mußte er nach Paris berichten, daß Beust die Änderungen ablehne, die auf Be¬
schleunigung des Eintritts in die Aktion zielten. Beust hatte eine feine Witterung
gehabt: am folgenden Tage gingen die Schlachten von Wörth und von Spichern
für die Franzosen verloren, und damit waren die Allianzverhandlungen end-
giltig zu Grabe getragen. „Mit Besiegten verbindet man sich nicht", sagte der
Herzog von Gramont. Die letzten verzweifelten Versuche des Kaisers, Italien
zur Hilfeleistung zu bewegen, können wir übergehn. Sie mußten schon darum
erfolglos sein, weil die Italiener jetzt den Weg nach Rom offen sahen.

Werfen wir einen Blick auf den Gang der Verhandlungen zurück, deren
Gelingen dem Krieg „vielleicht eine andre Wendung gegeben hätte". Vor allem
steht fest, daß auf feiten der drei Beteiligten der beste Wille vorhanden war,
zu einem politischen und voraussichtlich kriegerischen Bündnis zu gelangen zum
Zweck, „den Frieden Europas auf festere Grundlagen zu stellen". Frankreich
und Österreich verband der gemeinsame Haß gegen das siegreiche Preußen und
das werdende Deutschland. Italien war an Frankreich gebunden, weil dieses
die Hand auf den Kirchenstaat gelegt hatte, und das Schwert gegen den Ver¬
bündeten von 1866 zu ziehen, machte wenigstens Viktor Emanuel geringen
Kummer. Aus diesen Voraussetzungen entspannen sich die Bündnisverhandlungen,
die im Jahre 1869 gepflogen wurden. Sie blieben ergebnislos, weil Napoleon
der Dritte den Italienern jedes Zugeständnis in der römischen Frage ver¬
weigerte. Immerhin verstand man sich zum Versprechen einer gegen Preußen
gerichteten gemeinsamen Politik, und dies wurde bekräftigt durch die Monarchen¬
briefe, die das bisherige Stadium der Verhandlungen abschlossen und zugleich
als ein zwar nicht streng verbindliches, aber moralisches Band bei späterer Ge¬
legenheit einen Wiederanknüpfungspunkt darboten. Diese Gelegenheit brach
herein, allen Teilen überraschend, beim plötzlich auftauchenden Streit um die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/188>, abgerufen am 01.09.2024.