Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Der Prediger in Nöten Was ist das? O, sie fahren mit einem Boot hinaus und lassen einen Kriecher -- das ist Der Prediger stand nachdenklich. Kein Ton war im Hause hörbar als das Lizzy, all dies ist sehr unrecht, sagte er. Haben Sie die Geschichte vom Zins¬ Cäsar ist tot, schmollte sie. Aber der Geist dieses Wortes ist nichtsdestoweniger lebendig. Mein Vater tat es, und mein Großvater auch, und fast alle Leute in Nieder- Ich komme natürlich nicht in Betracht, erwiderte er bitter. Sie würden es So hab ichs noch nie angesehen. Und Sie wollen mir nichts versprechen und warten, bis ich so weit bin? Ich kann Ihnen heut Nacht nicht mein Wort geben. Nachdenklich vor sich Den ganzen nächsten Tag war der arme Stockdale furchtbar niedergeschlagen Die Entfremdung zwischen ihnen war zwar nicht vollkommen, genügte aber 5. Wie sie nach der Lulsteadbai wanderten Wie er erwartet hatte, verließ sie das Haus in der Nacht zu derselben Der Prediger in Nöten Was ist das? O, sie fahren mit einem Boot hinaus und lassen einen Kriecher — das ist Der Prediger stand nachdenklich. Kein Ton war im Hause hörbar als das Lizzy, all dies ist sehr unrecht, sagte er. Haben Sie die Geschichte vom Zins¬ Cäsar ist tot, schmollte sie. Aber der Geist dieses Wortes ist nichtsdestoweniger lebendig. Mein Vater tat es, und mein Großvater auch, und fast alle Leute in Nieder- Ich komme natürlich nicht in Betracht, erwiderte er bitter. Sie würden es So hab ichs noch nie angesehen. Und Sie wollen mir nichts versprechen und warten, bis ich so weit bin? Ich kann Ihnen heut Nacht nicht mein Wort geben. Nachdenklich vor sich Den ganzen nächsten Tag war der arme Stockdale furchtbar niedergeschlagen Die Entfremdung zwischen ihnen war zwar nicht vollkommen, genügte aber 5. Wie sie nach der Lulsteadbai wanderten Wie er erwartet hatte, verließ sie das Haus in der Nacht zu derselben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302859"/> <fw type="header" place="top"> Der Prediger in Nöten</fw><lb/> <p xml:id="ID_634"> Was ist das?</p><lb/> <p xml:id="ID_635"> O, sie fahren mit einem Boot hinaus und lassen einen Kriecher — das ist<lb/> ein Enterhaken — auf dem Grunde nachschleppen, bis er die Leine gefaßt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_636"> Der Prediger stand nachdenklich. Kein Ton war im Hause hörbar als das<lb/> Ticken der Uhr im Flur und Lizzys schnelles Atmen, teils durch ihren Weg, teils<lb/> durch die Aufregung verursacht. Sie stand dicht an der Wand, und es war nicht<lb/> so finster, daß er nicht den Überrock und den breiten Hut von der weißgetünchten<lb/> Fläche unterscheiden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_637"> Lizzy, all dies ist sehr unrecht, sagte er. Haben Sie die Geschichte vom Zins¬<lb/> groschen vergessen? „Gebet dem Cäsar/was des Cäsars ist." Das haben Sie doch<lb/> von Kind an oft genug vorlesen hören?</p><lb/> <p xml:id="ID_638"> Cäsar ist tot, schmollte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_639"> Aber der Geist dieses Wortes ist nichtsdestoweniger lebendig.</p><lb/> <p xml:id="ID_640"> Mein Vater tat es, und mein Großvater auch, und fast alle Leute in Nieder-<lb/> Moynton leben davon. Und wenn dies nicht wäre, dann wäre das Leben so lang¬<lb/> weilig, daß ich gar nichts danach fragen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_641"> Ich komme natürlich nicht in Betracht, erwiderte er bitter. Sie würden es<lb/> nicht für der Mühe wert achten, dies wilde Gewerbe aufzugeben und nur für mich<lb/> zu leben?</p><lb/> <p xml:id="ID_642"> So hab ichs noch nie angesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_643"> Und Sie wollen mir nichts versprechen und warten, bis ich so weit bin?</p><lb/> <p xml:id="ID_644"> Ich kann Ihnen heut Nacht nicht mein Wort geben. 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Dann würde sie wunderbar zu mir gepaßt haben!<lb/> sagte er trübselig, bis ihm einfiel, daß er in diesem Fall niemals von seinem<lb/> fernen Heimatsort nach Nieder-Moynton gekommen sein und sie nie kennen gelernt<lb/> haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_646"> Die Entfremdung zwischen ihnen war zwar nicht vollkommen, genügte aber<lb/> doch, daß eines des andern Gesellschaft mied. Einmal im Laufe des Tages traf<lb/> er sie auf dem Gartensteig und sagte mit vorwurfsvollem Blick: Wollen Sie mir<lb/> versprechen, Lizzy? Aber sie gab keine Antwort. Der Abend kam heran, und er<lb/> wußte sehr wohl, daß Lizzy ihren nächtlichen Ausflug wiederholen würde — ihr<lb/> halb beleidigtes Benehmen hatte gezeigt, daß es nicht im geringsten ihre Absicht<lb/> war, gegenwärtig ihre Pläne zu ändern. Seine eigne Rolle bei dem Abenteuer<lb/> wünschte er nicht zu wiederholen; aber er konnte anfangen, was er wollte, seine<lb/> Unruhe um ihretwillen stieg, je mehr sich der Tag neigte. 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Der Prediger in Nöten
Was ist das?
O, sie fahren mit einem Boot hinaus und lassen einen Kriecher — das ist
ein Enterhaken — auf dem Grunde nachschleppen, bis er die Leine gefaßt hat.
Der Prediger stand nachdenklich. Kein Ton war im Hause hörbar als das
Ticken der Uhr im Flur und Lizzys schnelles Atmen, teils durch ihren Weg, teils
durch die Aufregung verursacht. Sie stand dicht an der Wand, und es war nicht
so finster, daß er nicht den Überrock und den breiten Hut von der weißgetünchten
Fläche unterscheiden konnte.
Lizzy, all dies ist sehr unrecht, sagte er. Haben Sie die Geschichte vom Zins¬
groschen vergessen? „Gebet dem Cäsar/was des Cäsars ist." Das haben Sie doch
von Kind an oft genug vorlesen hören?
Cäsar ist tot, schmollte sie.
Aber der Geist dieses Wortes ist nichtsdestoweniger lebendig.
Mein Vater tat es, und mein Großvater auch, und fast alle Leute in Nieder-
Moynton leben davon. Und wenn dies nicht wäre, dann wäre das Leben so lang¬
weilig, daß ich gar nichts danach fragen würde.
Ich komme natürlich nicht in Betracht, erwiderte er bitter. Sie würden es
nicht für der Mühe wert achten, dies wilde Gewerbe aufzugeben und nur für mich
zu leben?
So hab ichs noch nie angesehen.
Und Sie wollen mir nichts versprechen und warten, bis ich so weit bin?
Ich kann Ihnen heut Nacht nicht mein Wort geben. Nachdenklich vor sich
hin schauend, schlüpfte sie allmählich von ihm weg, ging in das nächste Zimmer
und schloß die Tür zwischen sich und ihm. Dort blieb sie im Dunkeln, bis er, des
Wartens müde, in sein Zimmer hinaufgegangen war.
Den ganzen nächsten Tag war der arme Stockdale furchtbar niedergeschlagen
von den Entdeckungen der vergangnen Nacht. Lizzy war zweifellos eine bezaubernde
ringe Frau, aber als Gattin eines Geistlichen war sie kaum in Betracht zu ziehen.
Wenn ich nur bei meines Vaters Kanfmannsgeschäft geblieben wäre, statt in den
geistlichen Stand zu treten! Dann würde sie wunderbar zu mir gepaßt haben!
sagte er trübselig, bis ihm einfiel, daß er in diesem Fall niemals von seinem
fernen Heimatsort nach Nieder-Moynton gekommen sein und sie nie kennen gelernt
haben würde.
Die Entfremdung zwischen ihnen war zwar nicht vollkommen, genügte aber
doch, daß eines des andern Gesellschaft mied. Einmal im Laufe des Tages traf
er sie auf dem Gartensteig und sagte mit vorwurfsvollem Blick: Wollen Sie mir
versprechen, Lizzy? Aber sie gab keine Antwort. Der Abend kam heran, und er
wußte sehr wohl, daß Lizzy ihren nächtlichen Ausflug wiederholen würde — ihr
halb beleidigtes Benehmen hatte gezeigt, daß es nicht im geringsten ihre Absicht
war, gegenwärtig ihre Pläne zu ändern. Seine eigne Rolle bei dem Abenteuer
wünschte er nicht zu wiederholen; aber er konnte anfangen, was er wollte, seine
Unruhe um ihretwillen stieg, je mehr sich der Tag neigte. Wenn er sich vorstellte,
daß sie ein Unfall treffen könnte, würde er sichs nie verzeihen, nicht zu ihrem
Beistand zur Stelle gewesen zu sein, so sehr ihm auch der Gedanke, man könne
ihn der Begünstigung solcher gesetzwidrigen Streiche verdächtigen, verhaßt war.
5. Wie sie nach der Lulsteadbai wanderten
Wie er erwartet hatte, verließ sie das Haus in der Nacht zu derselben
Stande, diesmal ohne Heimlichkeit an seiner Tür vorübergehend, wie wenn sie
recht gut wüßte, daß er wachte, und entschlossen wäre, seiner Mißbilligung zu trotzen.
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