Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Adolf Zchmitthenner waren hell und luftig, mit einfarbigen Wanden, von ein paar guten Bildern Adolf Hchmitthenner Geboren in Neckarbischofsheim 2H. Mai gestorben in Heidelberg 22. Januar ^907 Richard weitbrecht Line Erinnerung vonin is war um die Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahr¬ Adolf Zchmitthenner waren hell und luftig, mit einfarbigen Wanden, von ein paar guten Bildern Adolf Hchmitthenner Geboren in Neckarbischofsheim 2H. Mai gestorben in Heidelberg 22. Januar ^907 Richard weitbrecht Line Erinnerung vonin is war um die Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahr¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302081"/> <fw type="header" place="top"> Adolf Zchmitthenner</fw><lb/> <p xml:id="ID_353" prev="#ID_352"> waren hell und luftig, mit einfarbigen Wanden, von ein paar guten Bildern<lb/> geschmückt; keine vertrackten Möbelphantome, nichts verhangen, verschleiert, ver¬<lb/> kramt, nichts, was bloß des Putzes wegen dagewesen wäre. Bis auf das Essen<lb/> erstreckte sich die Selbstverständlichkeit des Einfachen und Gesunden. Im Wohn¬<lb/> zimmer hängt eine Kopie der Sistinischen Madonna. Es ist das Palladium<lb/> des Hauses. Bis zu seinem Tode hat der Knabe diese himmelreinen Augen<lb/> gefühlt. Und darunter brennt die Lampe. Und die Mutter liest vor. Und<lb/> der Vater modelliert kleine Götter- und Heldengestalten. Und die Kinder sitzen<lb/> alle herum mit seligen großen Augen, und ein Freund des Hauses pappt ihnen<lb/> eine Ritterrüstung aus Silberpapier. Hier ist Hausstimmung. Und hier sind<lb/> Menschen. Keine blassen Schemen, sondern Charaktere voll Saft und Kraft<lb/> und blühender Lebensfarbe, menschliche Menschen. Und die tun uns not. Und<lb/> die werden uns erstehn, wenn wir uns wieder daran gewöhnen, in der Schule<lb/> zwar einen wichtigen Teil des Lebens, aber nicht das Leben selbst zu scheu,<lb/> wenn wir verlernen, die Erwachsnen und die Kinder nach der Rangordnung zu<lb/> schätzen, wenn wir die Andacht des Lebens wiederfinden, wenn wir das Haus<lb/> wieder zu einem Heiligtum machen und die Kindheit zu einem Paradies. Die<lb/> Eltern, die wieder erziehen wollen, brauchen nicht gelehrt zu sein; aber einen<lb/> unbefangnen Sinn und offne Augen und ein allezeit heitres Herz — das<lb/> müssen sie haben. Von der Erinnerung einer köstlichen Jugendzeit geht es wie<lb/> Sonnenstrahlen durch das ganze Leben hin. Über eine Seele, die von dieser<lb/> Wärme erfüllt ist, wird keine Weltverdrossenheit jemals volle Gewalt gewinnen.<lb/> Aber wer sie entbehren muß, der wandert im engen Tal und findet nie die<lb/> freie Höhe, von der der Geist die Welt ringsum meistert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Adolf Hchmitthenner<lb/> Geboren in Neckarbischofsheim 2H. Mai gestorben in Heidelberg 22. Januar ^907<lb/><note type="byline"> Richard weitbrecht </note> Line Erinnerung vonin </head><lb/> <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> is war um die Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahr¬<lb/> hunderts, da kehrte ich wieder einmal nach längerer Pause in<lb/> dem gastlichen Stadtpfarrhause in Heidelberg ein. In welchem<lb/> der vier, die Adolf Schmitthenner während seines Heidelberger<lb/> l Aufenthalts seit 1893 bewohnt hat, weiß ich nicht mehr: sie<lb/> waren recht verschieden, aber die durch nichts zerstörbare Liebenswürdigkeit<lb/> dieses liebenswertesten unter allen Menschen, die ich kennen lernte, war in<lb/> allen die gleiche; nicht minder seine Anspruchslosigkeit in den Dingen des<lb/> äußern Lebens und die unendliche Herzensgüte, die ihn ja auch, da er sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
Adolf Zchmitthenner
waren hell und luftig, mit einfarbigen Wanden, von ein paar guten Bildern
geschmückt; keine vertrackten Möbelphantome, nichts verhangen, verschleiert, ver¬
kramt, nichts, was bloß des Putzes wegen dagewesen wäre. Bis auf das Essen
erstreckte sich die Selbstverständlichkeit des Einfachen und Gesunden. Im Wohn¬
zimmer hängt eine Kopie der Sistinischen Madonna. Es ist das Palladium
des Hauses. Bis zu seinem Tode hat der Knabe diese himmelreinen Augen
gefühlt. Und darunter brennt die Lampe. Und die Mutter liest vor. Und
der Vater modelliert kleine Götter- und Heldengestalten. Und die Kinder sitzen
alle herum mit seligen großen Augen, und ein Freund des Hauses pappt ihnen
eine Ritterrüstung aus Silberpapier. Hier ist Hausstimmung. Und hier sind
Menschen. Keine blassen Schemen, sondern Charaktere voll Saft und Kraft
und blühender Lebensfarbe, menschliche Menschen. Und die tun uns not. Und
die werden uns erstehn, wenn wir uns wieder daran gewöhnen, in der Schule
zwar einen wichtigen Teil des Lebens, aber nicht das Leben selbst zu scheu,
wenn wir verlernen, die Erwachsnen und die Kinder nach der Rangordnung zu
schätzen, wenn wir die Andacht des Lebens wiederfinden, wenn wir das Haus
wieder zu einem Heiligtum machen und die Kindheit zu einem Paradies. Die
Eltern, die wieder erziehen wollen, brauchen nicht gelehrt zu sein; aber einen
unbefangnen Sinn und offne Augen und ein allezeit heitres Herz — das
müssen sie haben. Von der Erinnerung einer köstlichen Jugendzeit geht es wie
Sonnenstrahlen durch das ganze Leben hin. Über eine Seele, die von dieser
Wärme erfüllt ist, wird keine Weltverdrossenheit jemals volle Gewalt gewinnen.
Aber wer sie entbehren muß, der wandert im engen Tal und findet nie die
freie Höhe, von der der Geist die Welt ringsum meistert.
Adolf Hchmitthenner
Geboren in Neckarbischofsheim 2H. Mai gestorben in Heidelberg 22. Januar ^907
Richard weitbrecht Line Erinnerung vonin
is war um die Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahr¬
hunderts, da kehrte ich wieder einmal nach längerer Pause in
dem gastlichen Stadtpfarrhause in Heidelberg ein. In welchem
der vier, die Adolf Schmitthenner während seines Heidelberger
l Aufenthalts seit 1893 bewohnt hat, weiß ich nicht mehr: sie
waren recht verschieden, aber die durch nichts zerstörbare Liebenswürdigkeit
dieses liebenswertesten unter allen Menschen, die ich kennen lernte, war in
allen die gleiche; nicht minder seine Anspruchslosigkeit in den Dingen des
äußern Lebens und die unendliche Herzensgüte, die ihn ja auch, da er sich
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