Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Socialdemokratie und Gericht schaftlich hervorgehvbne Person ist, vor Auge" zu halten, welche eminent Endlich aber scheint mir für die Hebung des Vertrauens der untern Ich fasse zusammen: Der von der Sozinldemokratie nur zur Förderung l . el"e weitgehende Heranziehung geeigneter Elemente der mit der Hand Socialdemokratie und Gericht schaftlich hervorgehvbne Person ist, vor Auge» zu halten, welche eminent Endlich aber scheint mir für die Hebung des Vertrauens der untern Ich fasse zusammen: Der von der Sozinldemokratie nur zur Förderung l . el»e weitgehende Heranziehung geeigneter Elemente der mit der Hand <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302060"/> <fw type="header" place="top"> Socialdemokratie und Gericht</fw><lb/> <p xml:id="ID_278" prev="#ID_277"> schaftlich hervorgehvbne Person ist, vor Auge» zu halten, welche eminent<lb/> wichtige Aufgabe er hier auch in sozialer Beziehung zu losen hat. Er muß,<lb/> soviel er nur irgend kann, zu seinem Teil dafür sorgen, daß dem Geschwätz<lb/> von der „Klassenjustiz" der Boden abgegraben werde. Und wenn einer Person,<lb/> die bisher in der raffiniertesten Weise verstanden hat, das Leben zu genießen,<lb/> deren Vorleben und Bildungsgang nichts aufweist, was den Verdacht geistiger<lb/> Erkrankung erweckt, nun plötzlich von Fachmännern die UnVerantwortlichkeit<lb/> bezeugt und dazu nichts herangezogen wird, als das begangne Verbrechen selbst,<lb/> so muß sich der Richter mit dem äußersten Mißtrauen gegen solches Gutachten<lb/> wappnen. Die Grenzen zwischen geistiger Gesundheit und die Verantwortlich¬<lb/> keit ausschließender Erkrankung werden nie ganz feststehn, es werden also auch<lb/> fehlerhafte Entscheidungen nach der einen oder der andern Seite hin vor¬<lb/> kommen. Und mir scheint dabei das Unglück, wenn der auf der Grenze der<lb/> Zurechnungsfähigkeit stehende X für seine Tat die Schwere des Gesetzes fühlen<lb/> muß, nicht größer als das Unheil, das mit seiner Freigebung angerichtet<lb/> wird, wenn diese vor der Öffentlichkeit den Anschein einer Nechtsbeuguug zu¬<lb/> gunsten eines Hochstehenden gewinnt. Jeder Fall, der sich dem Volte so<lb/> darstellt, bedeutet eine ungeheure Einbuße an einem unsrer größten nationalen<lb/> Güter, dem Vertrauen der Volksgenossen zum Recht. Der Satz: in: Zweifel<lb/> für den Angeklagten darf also hier um Gottes willen nicht leichtherzig ange¬<lb/> wandt werden. Daß solche Erwägungen nur bei Grenzfällen und auch hier<lb/> mir im Sinne strenger Kritik psychiatrischen Gutachten gegenüber gelten solle»,<lb/> bedarf nicht der Ausführung.</p><lb/> <p xml:id="ID_279"> Endlich aber scheint mir für die Hebung des Vertrauens der untern<lb/> Volksschichten zur Rechtsprechung angebracht, daß vor Gericht der Grundsatz:<lb/> ^0bi688ö oblieg noch mehr und ausdrücklicher betont werde. Wer das Glück<lb/> hat, nach Bildung oder Besitz der großen Menge überlegen zu sein, der gehe<lb/> auch vor dem Gesetz mit gutem Beispiel voran; tut er es nicht, so fehlt er im<lb/> allgemeinen doch wohl schwerer als der, der ihm an beidem nachsteht. Denn<lb/> was er vor dem andern voraus hat, das soll und kann in ihm auch die<lb/> Widerstandskraft gegen die Versuchung zum ungesetzlichen Tun stärken. Wo<lb/> insbesondre trotz Besitz und Bildung niedrige Gesinnung besteht, dürfte meist<lb/> harte Strafe am rechten Fleck sei».</p><lb/> <p xml:id="ID_280"> Ich fasse zusammen: Der von der Sozinldemokratie nur zur Förderung<lb/> ihrer revolutionären Bestrebungen erhobne Vorwurf, die Gerichte übte» „Klassen¬<lb/> justiz", das heißt Rechtsbeugung zugunsten der wirtschaftlich Starken, zum<lb/> Nachteil der Schwachen, ist gänzlich ungerechtfertigt. Um seiner gleichwohl<lb/> überaus verderblichen Wirkung zu begegne», ist anzustreben:</p><lb/> <p xml:id="ID_281" next="#ID_282"> l . el»e weitgehende Heranziehung geeigneter Elemente der mit der Hand<lb/> arbeitenden Bevölkerung zum Laienrichteramt, 2. eine besonders scharfe Kritik<lb/> der Gerichte gegenüber irrenärztlichen Gutachten in solchen Straffällen, die<lb/> bei negativen Ausgang geeignet sind, im Sinne des Vorwurfs einer „Klassen¬<lb/> justiz" ausgebeutet zu werden, 3. eine starke und ausdrückliche Betonung des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Socialdemokratie und Gericht
schaftlich hervorgehvbne Person ist, vor Auge» zu halten, welche eminent
wichtige Aufgabe er hier auch in sozialer Beziehung zu losen hat. Er muß,
soviel er nur irgend kann, zu seinem Teil dafür sorgen, daß dem Geschwätz
von der „Klassenjustiz" der Boden abgegraben werde. Und wenn einer Person,
die bisher in der raffiniertesten Weise verstanden hat, das Leben zu genießen,
deren Vorleben und Bildungsgang nichts aufweist, was den Verdacht geistiger
Erkrankung erweckt, nun plötzlich von Fachmännern die UnVerantwortlichkeit
bezeugt und dazu nichts herangezogen wird, als das begangne Verbrechen selbst,
so muß sich der Richter mit dem äußersten Mißtrauen gegen solches Gutachten
wappnen. Die Grenzen zwischen geistiger Gesundheit und die Verantwortlich¬
keit ausschließender Erkrankung werden nie ganz feststehn, es werden also auch
fehlerhafte Entscheidungen nach der einen oder der andern Seite hin vor¬
kommen. Und mir scheint dabei das Unglück, wenn der auf der Grenze der
Zurechnungsfähigkeit stehende X für seine Tat die Schwere des Gesetzes fühlen
muß, nicht größer als das Unheil, das mit seiner Freigebung angerichtet
wird, wenn diese vor der Öffentlichkeit den Anschein einer Nechtsbeuguug zu¬
gunsten eines Hochstehenden gewinnt. Jeder Fall, der sich dem Volte so
darstellt, bedeutet eine ungeheure Einbuße an einem unsrer größten nationalen
Güter, dem Vertrauen der Volksgenossen zum Recht. Der Satz: in: Zweifel
für den Angeklagten darf also hier um Gottes willen nicht leichtherzig ange¬
wandt werden. Daß solche Erwägungen nur bei Grenzfällen und auch hier
mir im Sinne strenger Kritik psychiatrischen Gutachten gegenüber gelten solle»,
bedarf nicht der Ausführung.
Endlich aber scheint mir für die Hebung des Vertrauens der untern
Volksschichten zur Rechtsprechung angebracht, daß vor Gericht der Grundsatz:
^0bi688ö oblieg noch mehr und ausdrücklicher betont werde. Wer das Glück
hat, nach Bildung oder Besitz der großen Menge überlegen zu sein, der gehe
auch vor dem Gesetz mit gutem Beispiel voran; tut er es nicht, so fehlt er im
allgemeinen doch wohl schwerer als der, der ihm an beidem nachsteht. Denn
was er vor dem andern voraus hat, das soll und kann in ihm auch die
Widerstandskraft gegen die Versuchung zum ungesetzlichen Tun stärken. Wo
insbesondre trotz Besitz und Bildung niedrige Gesinnung besteht, dürfte meist
harte Strafe am rechten Fleck sei».
Ich fasse zusammen: Der von der Sozinldemokratie nur zur Förderung
ihrer revolutionären Bestrebungen erhobne Vorwurf, die Gerichte übte» „Klassen¬
justiz", das heißt Rechtsbeugung zugunsten der wirtschaftlich Starken, zum
Nachteil der Schwachen, ist gänzlich ungerechtfertigt. Um seiner gleichwohl
überaus verderblichen Wirkung zu begegne», ist anzustreben:
l . el»e weitgehende Heranziehung geeigneter Elemente der mit der Hand
arbeitenden Bevölkerung zum Laienrichteramt, 2. eine besonders scharfe Kritik
der Gerichte gegenüber irrenärztlichen Gutachten in solchen Straffällen, die
bei negativen Ausgang geeignet sind, im Sinne des Vorwurfs einer „Klassen¬
justiz" ausgebeutet zu werden, 3. eine starke und ausdrückliche Betonung des
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