Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge Auge schwache Anhaltepunkte. Näher heran sieht man die Waldenburger Höhen, Vom Anersberg steigen wir in einer halben Stunde hinunter nach Wildenthal, Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge Auge schwache Anhaltepunkte. Näher heran sieht man die Waldenburger Höhen, Vom Anersberg steigen wir in einer halben Stunde hinunter nach Wildenthal, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0694" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302682"/> <fw type="header" place="top"> Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge</fw><lb/> <p xml:id="ID_2994" prev="#ID_2993"> Auge schwache Anhaltepunkte. Näher heran sieht man die Waldenburger Höhen,<lb/> den Rochlitzer Berg mit seinem Turm, den Kapellenberg, die Stadt Hohenstein,<lb/> rechts davon die Chemnitzer Rauchwolke, dahinter die Höhen von Lößnitz. Von<lb/> Osten schauen die bekanntesten Berge des Erzgebirges herüber. Die beiden<lb/> Niesengräber, der Pöhlberg und der Bärenstein, erscheinen sehr nahe, die Stadt<lb/> Annaberg ist am AbHange des Pöhlbergs sichtbar, weiter hinaus zeigt sich die<lb/> schwarze Tellkoppe bei Kipsdorf, näher der Scheibenberg, ferner der Ochsenkopf<lb/> und nun vor allem die beiden Hüner, der Fichtelberg und der Keilberg, die<lb/> von keinem Orte gigantischer erscheinen als von ihrem Kameraden, dem Auers-<lb/> berg, aus. Das Haus auf dem Fichtelberg ist sichtbar, und am AbHange lugen<lb/> die Tellerhäuser aus ihren Waldverstecken hervor. Gegen Süden hin deuten<lb/> dunkle Linien im Walde Täter an, hervorragende Höhen sind nur der Hirsch¬<lb/> berg, der Spitzberg bei Fribus und der Große Rammelsberg. Wir schauen<lb/> sodann die lange Schneise hinab; ihr zur Linken buchtet sich das Große Bockautal<lb/> ein, zur Rechten das Kleine; vor uns am Berge treffen beide Täter zusammen,<lb/> und die vereinigte Bockau strömt hinab in das Muldental. Links drüben liegt<lb/> Eibenstock, rechts das Dorf Sofa. Das Muldental ist abwärts weithin zu ver¬<lb/> folgen, so auch das Schwarzwassertal; das große Dorf Breitenbrunn breitet<lb/> sich an seinem rechtsseitigen Abhang aus; ganz hinten, wo sich das Tal zu<lb/> verlieren scheint, lugen die obersten Häuser von Johanngeorgenstadt neugierig<lb/> hervor, und gegen Süden und Südwesten ist nichts zu erschauen als meilen¬<lb/> weit Baumwipfel, Wald und immer wieder Wald.</p><lb/> <p xml:id="ID_2995" next="#ID_2996"> Vom Anersberg steigen wir in einer halben Stunde hinunter nach Wildenthal,<lb/> einem 730 Meter hoch an der Bockau und der Eibenstock-Karlsbader Straße<lb/> liegenden Dorfe, und treten von hier aus, Eibenstock und Schneeberg für dies¬<lb/> mal weglassend, das letzte Stück unsrer Reise, die Wanderung durch das tiefe,<lb/> wildschöne Tal der am Auersberg entspringenden Großen Bockan bis nach<lb/> Unterblauenthal an. Das ziemlich enge Tal ist von hohen Wäldern eingefaßt,<lb/> die sich bei herrlichen Rückblicken von Biegung zu Biegung kulissenartig ver¬<lb/> schieben, und zeigt allerlei Spuren von Bergbau. Bei seiner Blüte haben um<lb/> Wildenthal herum dreihundert Erzgruben bestanden. So kommen wir nach<lb/> Unterblauenthal, Station der Ane—Adorfer Bahn, nehmen in dem schattigen<lb/> Lindengarten des Gasthauses Zur Forelle noch einen Abschiedstrunk ein und<lb/> gehen dann zum Bahnhof, von wo wir über Ane, Lößnitz und Chemnitz die<lb/> heimreise mit der Überzeugung antreten, daß das Erzgebirge durchaus nicht<lb/> ver rauhe, unfreundliche und wohl auch von sichtbarer Armut beherrschte<lb/> Landstrich ist, wie es von Nichtkennern leider nur zu oft hingestellt wird, daß<lb/> vielmehr dieses Ländergebiet unendlich reich ist an landschaftlichen Schönheiten,<lb/> so reich wie kaum ein andres und ebenso leicht zugänglich dem rüstigen Fu߬<lb/> gänger auf schöner Straße wie dem bequem auf der Eisenbahn Reisenden; daß<lb/> die Luft rein, kräftig und gesund, die Unterkunft und Bewirtung meist allerorten<lb/> gut und die Aufnahme überall eine freundliche ist. Und damit nehmen wir für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0694]
Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge
Auge schwache Anhaltepunkte. Näher heran sieht man die Waldenburger Höhen,
den Rochlitzer Berg mit seinem Turm, den Kapellenberg, die Stadt Hohenstein,
rechts davon die Chemnitzer Rauchwolke, dahinter die Höhen von Lößnitz. Von
Osten schauen die bekanntesten Berge des Erzgebirges herüber. Die beiden
Niesengräber, der Pöhlberg und der Bärenstein, erscheinen sehr nahe, die Stadt
Annaberg ist am AbHange des Pöhlbergs sichtbar, weiter hinaus zeigt sich die
schwarze Tellkoppe bei Kipsdorf, näher der Scheibenberg, ferner der Ochsenkopf
und nun vor allem die beiden Hüner, der Fichtelberg und der Keilberg, die
von keinem Orte gigantischer erscheinen als von ihrem Kameraden, dem Auers-
berg, aus. Das Haus auf dem Fichtelberg ist sichtbar, und am AbHange lugen
die Tellerhäuser aus ihren Waldverstecken hervor. Gegen Süden hin deuten
dunkle Linien im Walde Täter an, hervorragende Höhen sind nur der Hirsch¬
berg, der Spitzberg bei Fribus und der Große Rammelsberg. Wir schauen
sodann die lange Schneise hinab; ihr zur Linken buchtet sich das Große Bockautal
ein, zur Rechten das Kleine; vor uns am Berge treffen beide Täter zusammen,
und die vereinigte Bockau strömt hinab in das Muldental. Links drüben liegt
Eibenstock, rechts das Dorf Sofa. Das Muldental ist abwärts weithin zu ver¬
folgen, so auch das Schwarzwassertal; das große Dorf Breitenbrunn breitet
sich an seinem rechtsseitigen Abhang aus; ganz hinten, wo sich das Tal zu
verlieren scheint, lugen die obersten Häuser von Johanngeorgenstadt neugierig
hervor, und gegen Süden und Südwesten ist nichts zu erschauen als meilen¬
weit Baumwipfel, Wald und immer wieder Wald.
Vom Anersberg steigen wir in einer halben Stunde hinunter nach Wildenthal,
einem 730 Meter hoch an der Bockau und der Eibenstock-Karlsbader Straße
liegenden Dorfe, und treten von hier aus, Eibenstock und Schneeberg für dies¬
mal weglassend, das letzte Stück unsrer Reise, die Wanderung durch das tiefe,
wildschöne Tal der am Auersberg entspringenden Großen Bockan bis nach
Unterblauenthal an. Das ziemlich enge Tal ist von hohen Wäldern eingefaßt,
die sich bei herrlichen Rückblicken von Biegung zu Biegung kulissenartig ver¬
schieben, und zeigt allerlei Spuren von Bergbau. Bei seiner Blüte haben um
Wildenthal herum dreihundert Erzgruben bestanden. So kommen wir nach
Unterblauenthal, Station der Ane—Adorfer Bahn, nehmen in dem schattigen
Lindengarten des Gasthauses Zur Forelle noch einen Abschiedstrunk ein und
gehen dann zum Bahnhof, von wo wir über Ane, Lößnitz und Chemnitz die
heimreise mit der Überzeugung antreten, daß das Erzgebirge durchaus nicht
ver rauhe, unfreundliche und wohl auch von sichtbarer Armut beherrschte
Landstrich ist, wie es von Nichtkennern leider nur zu oft hingestellt wird, daß
vielmehr dieses Ländergebiet unendlich reich ist an landschaftlichen Schönheiten,
so reich wie kaum ein andres und ebenso leicht zugänglich dem rüstigen Fu߬
gänger auf schöner Straße wie dem bequem auf der Eisenbahn Reisenden; daß
die Luft rein, kräftig und gesund, die Unterkunft und Bewirtung meist allerorten
gut und die Aufnahme überall eine freundliche ist. Und damit nehmen wir für
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