Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Line Sommerfahrt in das Erzgebirge Dampf kräuselnd aufwärts steigen, und über dem leichten Rauch und dem statt¬ So kommen wir nach etwa fünfviertel Stunden an das Ende von Neudorf Vom Fichtelberg, 1213 Meter hoch, noch 56 Meter höher als der Brocken Nachdem wir unser Mittagbrot eingenommen und etwa zwei Stunden Line Sommerfahrt in das Erzgebirge Dampf kräuselnd aufwärts steigen, und über dem leichten Rauch und dem statt¬ So kommen wir nach etwa fünfviertel Stunden an das Ende von Neudorf Vom Fichtelberg, 1213 Meter hoch, noch 56 Meter höher als der Brocken Nachdem wir unser Mittagbrot eingenommen und etwa zwei Stunden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0690" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302678"/> <fw type="header" place="top"> Line Sommerfahrt in das Erzgebirge</fw><lb/> <p xml:id="ID_2982" prev="#ID_2981"> Dampf kräuselnd aufwärts steigen, und über dem leichten Rauch und dem statt¬<lb/> lichen Grün der Bäume, den silbergrauen Schiefer- und dicht bemoosten Schindel¬<lb/> dächern tritt der spitze, nadelförmig aufragende oder viereckige, zwiebelförmig<lb/> gekrönte Turm des Kirchleins in das Bild."</p><lb/> <p xml:id="ID_2983"> So kommen wir nach etwa fünfviertel Stunden an das Ende von Neudorf<lb/> und wenden uns unmittelbar bei der letzten Sägemühle auf den Vierensteig, der<lb/> zu dem nahen Walde führt. Hatten wir bisher zu beiden Seiten der Eisenbahn<lb/> und der Fahrstraße fast ununterbrochen menschliche Wohnungen, so ändert sich<lb/> mit einemmal die Szenerie vollständig. Ein staubfreier, gut gehaltner Fahrweg<lb/> windet sich eine reichliche Stunde lang dicht an der huschender und rauschenden<lb/> Schina durch schattenspendenden Wald zu dem mächtigen Gebirgskamm empor,<lb/> geht links am Fuße des 1028 Meter hohen Eisenberges hin und erreicht vor<lb/> dem Roten Vorwerk eine Ruhebank, bei der rechts der Fußpfad zum Gipfel des<lb/> Fichtelberges abzweigt. Um ^11 Uhr stehen wir unten an der großen Schneise,<lb/> die nach Süden und nach Osten weite Ausblicke ermöglicht und in verblüffender<lb/> Steilheit in dreiviertel Stunden zum Gipfel des Fichtelberges hinaufführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2984"> Vom Fichtelberg, 1213 Meter hoch, noch 56 Meter höher als der Brocken<lb/> des Harzes und nur 370 Meter tiefer als die Schneekoppe des Riesengebirges,<lb/> überschaut man bei ganz klarem Wetter das ganze Erzgebirge und einen Teil<lb/> des sächsischen Niederlandes bis zu den Rochlitzer Bergen, auch schweift der<lb/> Blick nach Südwesten in die Gegend des Fichtelgebirges und des Böhmerwaldes<lb/> und nach Osten auf das böhmische Mittelgebirge, den Milleschauer und die<lb/> Biliner Berge. Der Berg hat eigentlich zwei Gipfel, von denen der eine um<lb/> 18 Meter höhere der vordere, der andre der Hintere Fichtelberg heißt, und die<lb/> durch eine sattelförmige Vertiefung miteinander verbunden sind. Der Fichtelberg<lb/> und sein Nachbar, der Keilberg, sind die höchsten Gipfel und das Zentrum des<lb/> Erzgebirges, beide haben auch dieselbe geognostische Beschaffenheit, sie bestehen<lb/> aus Glimmerschiefer. Die Abhänge des Fichtelberges sind mit prächtigen Wäldern<lb/> bedeckt und bieten dem Botaniker reiche Ausbeute an Moosen und südalpinen<lb/> Pflanzen. Auf ihm entspringen das Schwarzwasfer, die Mittweida, die Zschopau<lb/> und die Schina. Seit dem Sommer 1889 steht auf dem Gipfel des Berges ein<lb/> Untcrkunfthaus, dessen Mauern ebenso massiv und wetterfest sind, wie seine<lb/> innere Einrichtung praktisch und die Verpflegung gut ist. Das Gebäude hat ge¬<lb/> räumige Gastzimmer und einen kleinen Saal, außerdem Küche und Kellerrüume.<lb/> Daneben steht der ebenfalls neu gebaute Aussichtsturm.</p><lb/> <p xml:id="ID_2985" next="#ID_2986"> Nachdem wir unser Mittagbrot eingenommen und etwa zwei Stunden<lb/> geruht haben, verlassen wir um 1 Uhr den Berg und marschieren, ohne nach<lb/> Oberwiesenthal hinabzugehen, über den hintern Fichtelberg hinunter zum „Neuen<lb/> Haus" an der Straße von Kupferberg nach Gottesgab. Dieses Gebäude ist<lb/> Sachsens höchster bewohnter Punkt (1080 Meter), und darum war es dem<lb/> Besitzer erlaubt, sich dem vorüberfahrenden König als „Allerhöchster Untertan"<lb/> vorstellen zu dürfen. Von hier aus nach dem Keilberg hinüber führt ebenfalls</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0690]
Line Sommerfahrt in das Erzgebirge
Dampf kräuselnd aufwärts steigen, und über dem leichten Rauch und dem statt¬
lichen Grün der Bäume, den silbergrauen Schiefer- und dicht bemoosten Schindel¬
dächern tritt der spitze, nadelförmig aufragende oder viereckige, zwiebelförmig
gekrönte Turm des Kirchleins in das Bild."
So kommen wir nach etwa fünfviertel Stunden an das Ende von Neudorf
und wenden uns unmittelbar bei der letzten Sägemühle auf den Vierensteig, der
zu dem nahen Walde führt. Hatten wir bisher zu beiden Seiten der Eisenbahn
und der Fahrstraße fast ununterbrochen menschliche Wohnungen, so ändert sich
mit einemmal die Szenerie vollständig. Ein staubfreier, gut gehaltner Fahrweg
windet sich eine reichliche Stunde lang dicht an der huschender und rauschenden
Schina durch schattenspendenden Wald zu dem mächtigen Gebirgskamm empor,
geht links am Fuße des 1028 Meter hohen Eisenberges hin und erreicht vor
dem Roten Vorwerk eine Ruhebank, bei der rechts der Fußpfad zum Gipfel des
Fichtelberges abzweigt. Um ^11 Uhr stehen wir unten an der großen Schneise,
die nach Süden und nach Osten weite Ausblicke ermöglicht und in verblüffender
Steilheit in dreiviertel Stunden zum Gipfel des Fichtelberges hinaufführt.
Vom Fichtelberg, 1213 Meter hoch, noch 56 Meter höher als der Brocken
des Harzes und nur 370 Meter tiefer als die Schneekoppe des Riesengebirges,
überschaut man bei ganz klarem Wetter das ganze Erzgebirge und einen Teil
des sächsischen Niederlandes bis zu den Rochlitzer Bergen, auch schweift der
Blick nach Südwesten in die Gegend des Fichtelgebirges und des Böhmerwaldes
und nach Osten auf das böhmische Mittelgebirge, den Milleschauer und die
Biliner Berge. Der Berg hat eigentlich zwei Gipfel, von denen der eine um
18 Meter höhere der vordere, der andre der Hintere Fichtelberg heißt, und die
durch eine sattelförmige Vertiefung miteinander verbunden sind. Der Fichtelberg
und sein Nachbar, der Keilberg, sind die höchsten Gipfel und das Zentrum des
Erzgebirges, beide haben auch dieselbe geognostische Beschaffenheit, sie bestehen
aus Glimmerschiefer. Die Abhänge des Fichtelberges sind mit prächtigen Wäldern
bedeckt und bieten dem Botaniker reiche Ausbeute an Moosen und südalpinen
Pflanzen. Auf ihm entspringen das Schwarzwasfer, die Mittweida, die Zschopau
und die Schina. Seit dem Sommer 1889 steht auf dem Gipfel des Berges ein
Untcrkunfthaus, dessen Mauern ebenso massiv und wetterfest sind, wie seine
innere Einrichtung praktisch und die Verpflegung gut ist. Das Gebäude hat ge¬
räumige Gastzimmer und einen kleinen Saal, außerdem Küche und Kellerrüume.
Daneben steht der ebenfalls neu gebaute Aussichtsturm.
Nachdem wir unser Mittagbrot eingenommen und etwa zwei Stunden
geruht haben, verlassen wir um 1 Uhr den Berg und marschieren, ohne nach
Oberwiesenthal hinabzugehen, über den hintern Fichtelberg hinunter zum „Neuen
Haus" an der Straße von Kupferberg nach Gottesgab. Dieses Gebäude ist
Sachsens höchster bewohnter Punkt (1080 Meter), und darum war es dem
Besitzer erlaubt, sich dem vorüberfahrenden König als „Allerhöchster Untertan"
vorstellen zu dürfen. Von hier aus nach dem Keilberg hinüber führt ebenfalls
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