Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Zukunft Ägyptens gar nicht mächtige Beamte ihre Einführung leiten und überwachen müssen. Da Dicey schlägt auch für Ägypten die Anwendung des Systems vor, das Die von ihm vorausgesehenen Möglichkeiten, entweder, daß die Großmächte Bei dem von Jahr zu Jahr wachsenden Interesse Deutschlands für Ägypten, Die Zukunft Ägyptens gar nicht mächtige Beamte ihre Einführung leiten und überwachen müssen. Da Dicey schlägt auch für Ägypten die Anwendung des Systems vor, das Die von ihm vorausgesehenen Möglichkeiten, entweder, daß die Großmächte Bei dem von Jahr zu Jahr wachsenden Interesse Deutschlands für Ägypten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0668" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302656"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft Ägyptens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2916" prev="#ID_2915"> gar nicht mächtige Beamte ihre Einführung leiten und überwachen müssen. Da<lb/> der Versuch, die Eingebornen von der unbedingten Überlegenheit aller britischen<lb/> Neueinführungen zu überzeugen, aber keineswegs als gelungen bezeichnet werden<lb/> kann, so taucht die Frage auf, ob es sich überhaupt empfiehlt, mit diesen aus¬<lb/> sichtslosen Versuchen weiter fortzufahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2917"> Dicey schlägt auch für Ägypten die Anwendung des Systems vor, das<lb/> England bei den eingebornen Staaten Indiens, Frankreich in Tunis und Algier,<lb/> Österreich in Bosnien und der Herzegowina mit Erfolg anwendet. Die oberste<lb/> Gewalt muß in den Händen des Vertreters der schützenden Macht liegen, heiße<lb/> er nun Resident, Gouverneur oder Generalkonsul. Die innere Verwaltung des<lb/> geschützten Staates steht zwar unter jener Oberhoheit, wird aber möglichst wenig<lb/> verändert. Die alten Gesetze und Gebräuche bleiben bestehn, wie vor dem<lb/> Protektorat, die alten eingebornen Verwaltungsbeamten werden in der Regel<lb/> mit übernommen. Diesen sind gewisse Freiheiten in der Art ihrer Amtsführung<lb/> entsprechend der Sitte des Landes zu lassen; bedeutende Mißbräuche und Ver¬<lb/> fehlungen aber werden mit sofortiger Entlassung und andern schweren Strafen,<lb/> die der Vertreter der Schutzmacht verhängt, geahndet. Dies ist die breite Grund¬<lb/> lage, deren Einzelheiten von sachverständigen Leuten an Ort und Stelle zu<lb/> bearbeiten wären. In den Provinzen sind alle Stellen bis zum Rang des<lb/> Gouverneurs an ägyptische Untertanen zu vergeben, die für eine geordnete<lb/> Verwaltung dem Vertreter Englands verantwortlich zu machen sind und von<lb/> diesem abgesetzt werden können. Auf dieser Grundlage erwartet Dicey mit Be¬<lb/> stimmtheit eine günstige Entwicklung der Dinge in Ägypten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2918"> Die von ihm vorausgesehenen Möglichkeiten, entweder, daß die Großmächte<lb/> Lord Cromers Verlangen nach „freier Hand" in Ägypten zustimmen, oder aber,<lb/> was wahrscheinlicher ist, daß die Mächte die Besprechung dieser Frage ablehnen,<lb/> ehe eine internationale Konferenz über das Verhältnis von England zu Ägypten<lb/> als Schutzmacht und geschützter Staat entschieden hat, haben den Verfasser<lb/> veranlaßt, durch sein Buch die Augen seiner englischen Landsleute auf den nicht<lb/> befriedigenden Zustand des nicht offen erklärten Protektorats und auf die<lb/> Mängel der zurzeit in Ägypten betriebnen Politik hinzuweisen. Daß ihm dies<lb/> gelungen ist, daß er die Aufmerksamkeit in England auf sich gelenkt hat, haben<lb/> schon die anfangs gegebnen Presseüußerungen gezeigt. Inwieweit das Buch<lb/> eine tatsächliche Wirkung haben wird, läßt sich, da inzwischen Englands Ver¬<lb/> treter in Ägypten seinen Posten an eine andre Persönlichkeit übergeben hat,<lb/> nicht beurteilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2919" next="#ID_2920"> Bei dem von Jahr zu Jahr wachsenden Interesse Deutschlands für Ägypten,<lb/> bei den sich immer mehr steigernden Wechselbeziehungen auf den Gebieten des<lb/> Verkehrs, des Handels und der Industrie erschien es nicht unangebracht, auch<lb/> einem deutschen Leserkreis Kenntnis von diesem Buche eines die Verhältnisse<lb/> in Ägypten genau lernenden Mannes zu geben, der zudem einen klaren Blick<lb/> für das hat, was jenem Lande not tut. Im allgemeinen wurde die Absicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0668]
Die Zukunft Ägyptens
gar nicht mächtige Beamte ihre Einführung leiten und überwachen müssen. Da
der Versuch, die Eingebornen von der unbedingten Überlegenheit aller britischen
Neueinführungen zu überzeugen, aber keineswegs als gelungen bezeichnet werden
kann, so taucht die Frage auf, ob es sich überhaupt empfiehlt, mit diesen aus¬
sichtslosen Versuchen weiter fortzufahren.
Dicey schlägt auch für Ägypten die Anwendung des Systems vor, das
England bei den eingebornen Staaten Indiens, Frankreich in Tunis und Algier,
Österreich in Bosnien und der Herzegowina mit Erfolg anwendet. Die oberste
Gewalt muß in den Händen des Vertreters der schützenden Macht liegen, heiße
er nun Resident, Gouverneur oder Generalkonsul. Die innere Verwaltung des
geschützten Staates steht zwar unter jener Oberhoheit, wird aber möglichst wenig
verändert. Die alten Gesetze und Gebräuche bleiben bestehn, wie vor dem
Protektorat, die alten eingebornen Verwaltungsbeamten werden in der Regel
mit übernommen. Diesen sind gewisse Freiheiten in der Art ihrer Amtsführung
entsprechend der Sitte des Landes zu lassen; bedeutende Mißbräuche und Ver¬
fehlungen aber werden mit sofortiger Entlassung und andern schweren Strafen,
die der Vertreter der Schutzmacht verhängt, geahndet. Dies ist die breite Grund¬
lage, deren Einzelheiten von sachverständigen Leuten an Ort und Stelle zu
bearbeiten wären. In den Provinzen sind alle Stellen bis zum Rang des
Gouverneurs an ägyptische Untertanen zu vergeben, die für eine geordnete
Verwaltung dem Vertreter Englands verantwortlich zu machen sind und von
diesem abgesetzt werden können. Auf dieser Grundlage erwartet Dicey mit Be¬
stimmtheit eine günstige Entwicklung der Dinge in Ägypten.
Die von ihm vorausgesehenen Möglichkeiten, entweder, daß die Großmächte
Lord Cromers Verlangen nach „freier Hand" in Ägypten zustimmen, oder aber,
was wahrscheinlicher ist, daß die Mächte die Besprechung dieser Frage ablehnen,
ehe eine internationale Konferenz über das Verhältnis von England zu Ägypten
als Schutzmacht und geschützter Staat entschieden hat, haben den Verfasser
veranlaßt, durch sein Buch die Augen seiner englischen Landsleute auf den nicht
befriedigenden Zustand des nicht offen erklärten Protektorats und auf die
Mängel der zurzeit in Ägypten betriebnen Politik hinzuweisen. Daß ihm dies
gelungen ist, daß er die Aufmerksamkeit in England auf sich gelenkt hat, haben
schon die anfangs gegebnen Presseüußerungen gezeigt. Inwieweit das Buch
eine tatsächliche Wirkung haben wird, läßt sich, da inzwischen Englands Ver¬
treter in Ägypten seinen Posten an eine andre Persönlichkeit übergeben hat,
nicht beurteilen.
Bei dem von Jahr zu Jahr wachsenden Interesse Deutschlands für Ägypten,
bei den sich immer mehr steigernden Wechselbeziehungen auf den Gebieten des
Verkehrs, des Handels und der Industrie erschien es nicht unangebracht, auch
einem deutschen Leserkreis Kenntnis von diesem Buche eines die Verhältnisse
in Ägypten genau lernenden Mannes zu geben, der zudem einen klaren Blick
für das hat, was jenem Lande not tut. Im allgemeinen wurde die Absicht
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