Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der alte Maler Breit lag es ihm auf der Hand, farbenreich wie eine Palette. Ja, als er noch auf der Akademie war -- damals --, und er legte halb Dann ließ er es hastig fallen. Das Leben in seinen Augen erlosch, und sein Warum er nur heute immer wieder darauf kam! Nun war er ein kümmer¬ Es war auch ein Unsinn gewesen von seinem Vater, das mit der Akademie. Verdicken hätte ers solle", statt sich den letzten Groschen vom Munde ab¬ Dazu gehört nicht bloß Talent, nein, Geld gehört dazu, viel Geld! Aber davou hatte der alte Kantor keinen rechten Begriff gehabt, der gute Schon wieder mußte der Wandernde ausruhend stillstehn, denn die Steigung Und wieder nahm ihn die Schönheit des Tages hin und trug ihn hinaus Nun war er gleich auf der Lichtung; rechts leuchtete es hellgelb durch die Der alte Pächter und seine Frau, das waren gute Leute. Früher war er Das war, ehe sein Junge starb, als die Frau noch munter und frisch war. Er ging nun am Haferfeld entlang und ließ die gelben Rispen leicht durch Das stand mit seinem festgefügten steinernen Unterbau, dem vielfenstrigen Ober¬ Der alte Preisler saß auf der Bank vor der Tür. Ihm wars schon wieder Da hörte er Schritte, öffnete die hellen Augen und sah, die Hand an die Dann erhob er sich gemächlich, rückte seine hohe schwere Gestalt zusammen und Wahrhaftig, der Herr Maler! und er drückte dem schmächtigen Manne kräftig Entschuldigen Sie nur, daß ich so hereinkomme, aber im letzten Jahre . . Der alte Maler Breit lag es ihm auf der Hand, farbenreich wie eine Palette. Ja, als er noch auf der Akademie war — damals —, und er legte halb Dann ließ er es hastig fallen. Das Leben in seinen Augen erlosch, und sein Warum er nur heute immer wieder darauf kam! Nun war er ein kümmer¬ Es war auch ein Unsinn gewesen von seinem Vater, das mit der Akademie. Verdicken hätte ers solle», statt sich den letzten Groschen vom Munde ab¬ Dazu gehört nicht bloß Talent, nein, Geld gehört dazu, viel Geld! Aber davou hatte der alte Kantor keinen rechten Begriff gehabt, der gute Schon wieder mußte der Wandernde ausruhend stillstehn, denn die Steigung Und wieder nahm ihn die Schönheit des Tages hin und trug ihn hinaus Nun war er gleich auf der Lichtung; rechts leuchtete es hellgelb durch die Der alte Pächter und seine Frau, das waren gute Leute. Früher war er Das war, ehe sein Junge starb, als die Frau noch munter und frisch war. Er ging nun am Haferfeld entlang und ließ die gelben Rispen leicht durch Das stand mit seinem festgefügten steinernen Unterbau, dem vielfenstrigen Ober¬ Der alte Preisler saß auf der Bank vor der Tür. Ihm wars schon wieder Da hörte er Schritte, öffnete die hellen Augen und sah, die Hand an die Dann erhob er sich gemächlich, rückte seine hohe schwere Gestalt zusammen und Wahrhaftig, der Herr Maler! und er drückte dem schmächtigen Manne kräftig Entschuldigen Sie nur, daß ich so hereinkomme, aber im letzten Jahre . . <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0637" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302625"/> <fw type="header" place="top"> Der alte Maler</fw><lb/> <p xml:id="ID_2696"> Breit lag es ihm auf der Hand, farbenreich wie eine Palette.</p><lb/> <p xml:id="ID_2697"> Ja, als er noch auf der Akademie war — damals —, und er legte halb<lb/> unwillkürlich den Daumen in eine der Ausbuchtungen des Blattes und hielt es<lb/> ein Stück von sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2698"> Dann ließ er es hastig fallen. 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Der alte Maler
Breit lag es ihm auf der Hand, farbenreich wie eine Palette.
Ja, als er noch auf der Akademie war — damals —, und er legte halb
unwillkürlich den Daumen in eine der Ausbuchtungen des Blattes und hielt es
ein Stück von sich.
Dann ließ er es hastig fallen. Das Leben in seinen Augen erlosch, und sein
Gesicht sah grau und müde aus.
Warum er nur heute immer wieder darauf kam! Nun war er ein kümmer¬
licher Zeichenlehrer — ja, und Tapetennmsterzeichner.
Es war auch ein Unsinn gewesen von seinem Vater, das mit der Akademie.
Verdicken hätte ers solle», statt sich den letzten Groschen vom Munde ab¬
zusparen.
Dazu gehört nicht bloß Talent, nein, Geld gehört dazu, viel Geld!
Aber davou hatte der alte Kantor keinen rechten Begriff gehabt, der gute
alte Mann!
Schon wieder mußte der Wandernde ausruhend stillstehn, denn die Steigung
"ahn zu.
Und wieder nahm ihn die Schönheit des Tages hin und trug ihn hinaus
aus allen. Grübeln.
Nun war er gleich auf der Lichtung; rechts leuchtete es hellgelb durch die
hohen Fichtenstämme, das war Preislers Haferfeld. Links war der Wald stark ge¬
lichtet. Dort übersah er schon ein gutes Stück von grünem Weideland, ans dem
sich stattliche Kühe hin nud her bewegten. Das Klirren der Ketten, an denen sie
angepflockt waren, klang deutlich zu ihm herüber. Er sollte eigentlich einmal hinein¬
gehn zum Preisler und sich etwas ausruhen; die Füße waren ihm schwer.
Der alte Pächter und seine Frau, das waren gute Leute. Früher war er
""t Frau und Kind oft Sonntag Nachmittags bei Preislers eingekehrt — gute"ente.
Das war, ehe sein Junge starb, als die Frau noch munter und frisch war.
seitdem waren sie beide schwerfälliger geworden; so war Jahr und Tag vergangen,
daß er sich nicht nach den Pächtersleuten umgesehen hatte.
Er ging nun am Haferfeld entlang und ließ die gelben Rispen leicht durch
vie magere Hand gleiten, mit demselben angenehmen Gefühl, das er schon als Junge
dabei gehabt hatte. Dann bog er um das Stallgebäude und schritt über deu sonn¬
täglich saubern, sonnenflimmernden Hof dem Haupthause zu.
Das stand mit seinem festgefügten steinernen Unterbau, dem vielfenstrigen Ober¬
stock mit der braunen Schindelverkleidung und dem hohen blanken Dach breit und
stattlich da; war doch der Preislerhof der älteste und ansehnlichste Pachthof der
Bernitzer Herren, die im Tale unten einen stolzen Sommersitz hatten.
Der alte Preisler saß auf der Bank vor der Tür. Ihm wars schon wieder
einmal zu warm geworden, die Lodenjoppe lag neben ihm auf der Bank, und sein
wies Barchenthemd hob sich grell von der grauen Hauswart ab. Seine Augen
unter den grauen, buschigen Brauen waren geschlossen, die Pfeife hing ihm lose
w, Munde.
Da hörte er Schritte, öffnete die hellen Augen und sah, die Hand an die
Stirn legend, scharf nach dem Kommenden aus.
Dann erhob er sich gemächlich, rückte seine hohe schwere Gestalt zusammen und
ging dem Gast mit freundlichem Blick entgegen.
Wahrhaftig, der Herr Maler! und er drückte dem schmächtigen Manne kräftig
die Hand.
Entschuldigen Sie nur, daß ich so hereinkomme, aber im letzten Jahre . .
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