Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Beschießung von Paris gleichgiltig sein wird, ob Stadtviertel getroffen werden, die in ihren Augen nicht Der Bericht des Obersten von Rieff knüpft hingegen an den ersten Teil *) "Für den Fall indessen, daß dies doch nicht geschieht -- d. h. Paris nicht spätestens
bis Ende des Jahres vom Hunger bezwungen gefallen ist ---, so muß alles zur förmlichen Belagerung parat sein, die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst geringen Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist." Die Beschießung von Paris gleichgiltig sein wird, ob Stadtviertel getroffen werden, die in ihren Augen nicht Der Bericht des Obersten von Rieff knüpft hingegen an den ersten Teil *) „Für den Fall indessen, daß dies doch nicht geschieht — d. h. Paris nicht spätestens
bis Ende des Jahres vom Hunger bezwungen gefallen ist -—, so muß alles zur förmlichen Belagerung parat sein, die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst geringen Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302608"/> <fw type="header" place="top"> Die Beschießung von Paris</fw><lb/> <p xml:id="ID_2644" prev="#ID_2643"> gleichgiltig sein wird, ob Stadtviertel getroffen werden, die in ihren Augen nicht<lb/> mehr Wert wie Se. Cloud oder Meudon haben, welche Orte sie ja selbst mit<lb/> besonderm Vergnügen zerstören." Infolgedessen würde ein Bombardement der<lb/> Stadt ans die Pariser nur die Wirkung einer Verhöhnung des Gegners haben,<lb/> „der wohl will, aber nicht kann". Während sich Blumenthal demnach nur<lb/> gegen eine vorzeitige und im wesentlichen auf eine Einschüchterung der Pariser<lb/> abzielende Beschießung ausspricht, erklärt er sich gleichzeitig zu einem metho¬<lb/> dischen Vorgehen gegen Paris bereit, vorausgesetzt, daß die Durchführung des<lb/> Angriffs durch das Vorhandensein der als notwendig erachteten Geschütze und<lb/> Geschosse gewährleistet sei.*) Mithin macht der „Nichtschießer" doch durch¬<lb/> aus auch Konzessionen. Auch er ist bereit zu schießen, wenn Paris wider sein<lb/> Erwarten nicht kapituliert haben sollte, sobald die Vorbereitungen zur Beschießung<lb/> beendet seien, will dann allerdings nicht fähnrichmüßig, sondern in einer „vor<lb/> dem militärischen Richterstuhle" allein zu verantworteuden methodischen Weise<lb/> vorgehen, d. h. mit der Beschießung der Forts beginnen und erst von einer<lb/> zweiten Batteriestellung aus, die in der Linie der eingeschlossenen Forts zu<lb/> etablieren wäre, die Stadt selber bombardieren. Demnach dürfte der Schluß<lb/> nicht ungerechtfertigt sein, daß Blumenthal seine Ansicht eben auch bei der<lb/> Beratung über die Beschießung des Stadtinnern, also zum letzten Teil der<lb/> Beratung entwickelt hat. Der Hinweis Moltkes auf das, was Blumenthal<lb/> „soeben gesagt hat", und die Fortführung des Blumenthalschen Berichtes mit<lb/> den Worten: „damit war die Konferenz beendet", bestätigt dies, wie auch die<lb/> Worte: „alle Offiziere sprachen sich mehr oder weniger gegen eine unzureichende<lb/> Beschießung aus, nur der Kriegsminister war dafür", gleich denen des Kriegs¬<lb/> tagebuches vom 17. Dezember: „die Fachmänner sprachen alle gegen die wahr¬<lb/> scheinlich ganz resultatlose fähnrichsmäßige Beschießung; nur der Kriegsminister<lb/> allein war dafür", deutlich Blnmenthals Bezugnahme auf den letzten Teil der<lb/> Beratung, den Antrag Roons, erkennen lassen. Weil „nur" Roon für die<lb/> Beschießung des Stadtinnern war, wurde diese abgelehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2645" next="#ID_2646"> Der Bericht des Obersten von Rieff knüpft hingegen an den ersten Teil<lb/> der Beratung an. Denn die Erörterung über den „Schutz der Batterien"<lb/> hatte den Beginn des artilleristischen Angriffs natürlich zur Voraussetzung-<lb/> Das gibt auch von Müller zu, wenn er die Besprechung der Konferenz mit<lb/> dem Rieffschen Bericht beginnt und dann fortführt: „Darauf stellte General<lb/> von Roon den Antrag, die Beschießung von Paris selbst mit nur sechs bis<lb/> acht Geschützen zu beginnen." So löst sich der scheinbare Widerspruch zwischeu<lb/> dem Riesfscheu und dem Blumenthalschen Bericht mit Beziehung auf die beiden,<lb/> in entgegengesetztem Sinne beantworteten Antrüge, und zurückzuweisen ist die</p><lb/> <note xml:id="FID_72" place="foot"> *) „Für den Fall indessen, daß dies doch nicht geschieht — d. h. Paris nicht spätestens<lb/> bis Ende des Jahres vom Hunger bezwungen gefallen ist -—, so muß alles zur förmlichen<lb/> Belagerung parat sein, die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst geringen<lb/> Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist."</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
Die Beschießung von Paris
gleichgiltig sein wird, ob Stadtviertel getroffen werden, die in ihren Augen nicht
mehr Wert wie Se. Cloud oder Meudon haben, welche Orte sie ja selbst mit
besonderm Vergnügen zerstören." Infolgedessen würde ein Bombardement der
Stadt ans die Pariser nur die Wirkung einer Verhöhnung des Gegners haben,
„der wohl will, aber nicht kann". Während sich Blumenthal demnach nur
gegen eine vorzeitige und im wesentlichen auf eine Einschüchterung der Pariser
abzielende Beschießung ausspricht, erklärt er sich gleichzeitig zu einem metho¬
dischen Vorgehen gegen Paris bereit, vorausgesetzt, daß die Durchführung des
Angriffs durch das Vorhandensein der als notwendig erachteten Geschütze und
Geschosse gewährleistet sei.*) Mithin macht der „Nichtschießer" doch durch¬
aus auch Konzessionen. Auch er ist bereit zu schießen, wenn Paris wider sein
Erwarten nicht kapituliert haben sollte, sobald die Vorbereitungen zur Beschießung
beendet seien, will dann allerdings nicht fähnrichmüßig, sondern in einer „vor
dem militärischen Richterstuhle" allein zu verantworteuden methodischen Weise
vorgehen, d. h. mit der Beschießung der Forts beginnen und erst von einer
zweiten Batteriestellung aus, die in der Linie der eingeschlossenen Forts zu
etablieren wäre, die Stadt selber bombardieren. Demnach dürfte der Schluß
nicht ungerechtfertigt sein, daß Blumenthal seine Ansicht eben auch bei der
Beratung über die Beschießung des Stadtinnern, also zum letzten Teil der
Beratung entwickelt hat. Der Hinweis Moltkes auf das, was Blumenthal
„soeben gesagt hat", und die Fortführung des Blumenthalschen Berichtes mit
den Worten: „damit war die Konferenz beendet", bestätigt dies, wie auch die
Worte: „alle Offiziere sprachen sich mehr oder weniger gegen eine unzureichende
Beschießung aus, nur der Kriegsminister war dafür", gleich denen des Kriegs¬
tagebuches vom 17. Dezember: „die Fachmänner sprachen alle gegen die wahr¬
scheinlich ganz resultatlose fähnrichsmäßige Beschießung; nur der Kriegsminister
allein war dafür", deutlich Blnmenthals Bezugnahme auf den letzten Teil der
Beratung, den Antrag Roons, erkennen lassen. Weil „nur" Roon für die
Beschießung des Stadtinnern war, wurde diese abgelehnt.
Der Bericht des Obersten von Rieff knüpft hingegen an den ersten Teil
der Beratung an. Denn die Erörterung über den „Schutz der Batterien"
hatte den Beginn des artilleristischen Angriffs natürlich zur Voraussetzung-
Das gibt auch von Müller zu, wenn er die Besprechung der Konferenz mit
dem Rieffschen Bericht beginnt und dann fortführt: „Darauf stellte General
von Roon den Antrag, die Beschießung von Paris selbst mit nur sechs bis
acht Geschützen zu beginnen." So löst sich der scheinbare Widerspruch zwischeu
dem Riesfscheu und dem Blumenthalschen Bericht mit Beziehung auf die beiden,
in entgegengesetztem Sinne beantworteten Antrüge, und zurückzuweisen ist die
*) „Für den Fall indessen, daß dies doch nicht geschieht — d. h. Paris nicht spätestens
bis Ende des Jahres vom Hunger bezwungen gefallen ist -—, so muß alles zur förmlichen
Belagerung parat sein, die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst geringen
Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist."
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