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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beschießung von j)ar!s

trugen. eine Erhöhung der Geschütze zu ermöglichen, durch die die Schußweite
um etwa 2000 Meter verlängert wurde. Von Müller berichtet (S. 86) aus
eigner Kenntnis, daß durch Umlegen der Richtmaschiuc und Lagerung des
Rohrs auf einem Querholze, das vor der NichtWelle über die Lafettenwände
gelegt worden war, über 30 Grad Erhöhung erreicht worden sei.

Mithin rückte die Frage der Beschießung von Paris selbst in einen
andern Gesichtskreis. Gerade der Grund, der die Artilleristen bestimmt hatte,
ihre Stimme gegen das Bombardement abzugeben, war hinfällig geworden; ein
etwa eine Quadratmeile großer Raum der innern Stadt konnte jetzt von den
Geschützen bestrichen werden. Diese veränderte Perspektive machte auch den
König wieder schwankend, der dann unter dem 4. Januar befahl, daß die "Be¬
schießung, auch der Stadt Paris", so bald wie möglich beginnen sollte.*)

Es läßt sich nicht genau feststellen, wann dem König die Erfindung mitgeteilt
worden ist. Unter dem 31. Dezember schreibt Blumenthal: "Hohenlohe behauptet
nun mit einemmale, man könne 9200 Schritt schießen, er wolle dies von einem
Zeugoffizier gehört haben." Hohenlohe berichtet selber in seinem Tagebuche**),
daß der Zeugoffizier Prehn hieß und ihm am 26. Dezember in Villa Coublay
die Möglichkeit der Erreichung einer Schußweite von 10200 bis 10500 Schritt
vorgerechnet habe. Da der Beschießuugsbefehl auf der unveränderten Grund¬
lage des Ergebnisses der Konferenz vom 17. Dezember abgefaßt ist, ist es nicht
wahrscheinlich, daß der König vor der Bekanntmachung dieses Befehls über die
neue Erfindung benachrichtigt worden ist. Jedenfalls ist aber eine Benach¬
richtigung des Königs durch Hohenlohe vor dem 26. Dezember ausgeschlossen,
sodaß dieser Tag die früheste Zeitgrenze für eine wirkungsvolle Beeinflussung
des Königs im Sinne des Bombardements bedeuten würde.

Vor diesem Tage nun ist das in Rede stehende Wort Blumenthals ge¬
schrieben, und zwar infolge der Mitteilung, daß Kamele und Hohenlohe berufen
seien, die Leitung des Angriffs zu übernehmen, mit andern Worten, daß Hinderst",
der entschiedn" Gegner eines "Bombardementskitzels", "kaltgestellt"***) wäre. Mit
einer gewissen Genugtuung verzeichnet Roon diese Tatsache der Nenernennung.
"Jetzt endlich ist der Widerstand gegen das Bombardement gebrochen. . . . Heute
habe ich den König bestimmt, die ganze Angelegenheit in bessere Hände zu
legen", schreibt er unter dem 23. Dezember.

Die entgegengesetzte Wirkung mußte die Ernennung auf Blumenthal aus¬
üben. Mit Resignation gibt er daher in seinem Tagebuche unter demselben
Datum der Überzeugung Ausdruck, "seine Pflicht im vollsten Maße getan", auch
das, was nötig sei, "richtig erkannt zu haben". Und doch muß er sehen, wie
"neue Besen und Mitsprecher" die alten bewährten, mit den Verhältnisse"





v. Müller, Ergänzungsheft S. 19.
"*) bei v. Müller a. a. O-, S. 86 a. Vgl. Prinz Krnfft zu Hohenlohe: Aus meinen, Leben,
Bd. IV, S. 3S8. Berlin, Mittler, IW7.
Stosch, Denkwürdigkeiten unterm <>, Innuar 1871.
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trugen. eine Erhöhung der Geschütze zu ermöglichen, durch die die Schußweite
um etwa 2000 Meter verlängert wurde. Von Müller berichtet (S. 86) aus
eigner Kenntnis, daß durch Umlegen der Richtmaschiuc und Lagerung des
Rohrs auf einem Querholze, das vor der NichtWelle über die Lafettenwände
gelegt worden war, über 30 Grad Erhöhung erreicht worden sei.

Mithin rückte die Frage der Beschießung von Paris selbst in einen
andern Gesichtskreis. Gerade der Grund, der die Artilleristen bestimmt hatte,
ihre Stimme gegen das Bombardement abzugeben, war hinfällig geworden; ein
etwa eine Quadratmeile großer Raum der innern Stadt konnte jetzt von den
Geschützen bestrichen werden. Diese veränderte Perspektive machte auch den
König wieder schwankend, der dann unter dem 4. Januar befahl, daß die „Be¬
schießung, auch der Stadt Paris", so bald wie möglich beginnen sollte.*)

Es läßt sich nicht genau feststellen, wann dem König die Erfindung mitgeteilt
worden ist. Unter dem 31. Dezember schreibt Blumenthal: „Hohenlohe behauptet
nun mit einemmale, man könne 9200 Schritt schießen, er wolle dies von einem
Zeugoffizier gehört haben." Hohenlohe berichtet selber in seinem Tagebuche**),
daß der Zeugoffizier Prehn hieß und ihm am 26. Dezember in Villa Coublay
die Möglichkeit der Erreichung einer Schußweite von 10200 bis 10500 Schritt
vorgerechnet habe. Da der Beschießuugsbefehl auf der unveränderten Grund¬
lage des Ergebnisses der Konferenz vom 17. Dezember abgefaßt ist, ist es nicht
wahrscheinlich, daß der König vor der Bekanntmachung dieses Befehls über die
neue Erfindung benachrichtigt worden ist. Jedenfalls ist aber eine Benach¬
richtigung des Königs durch Hohenlohe vor dem 26. Dezember ausgeschlossen,
sodaß dieser Tag die früheste Zeitgrenze für eine wirkungsvolle Beeinflussung
des Königs im Sinne des Bombardements bedeuten würde.

Vor diesem Tage nun ist das in Rede stehende Wort Blumenthals ge¬
schrieben, und zwar infolge der Mitteilung, daß Kamele und Hohenlohe berufen
seien, die Leitung des Angriffs zu übernehmen, mit andern Worten, daß Hinderst»,
der entschiedn« Gegner eines „Bombardementskitzels", „kaltgestellt"***) wäre. Mit
einer gewissen Genugtuung verzeichnet Roon diese Tatsache der Nenernennung.
„Jetzt endlich ist der Widerstand gegen das Bombardement gebrochen. . . . Heute
habe ich den König bestimmt, die ganze Angelegenheit in bessere Hände zu
legen", schreibt er unter dem 23. Dezember.

Die entgegengesetzte Wirkung mußte die Ernennung auf Blumenthal aus¬
üben. Mit Resignation gibt er daher in seinem Tagebuche unter demselben
Datum der Überzeugung Ausdruck, „seine Pflicht im vollsten Maße getan", auch
das, was nötig sei, „richtig erkannt zu haben". Und doch muß er sehen, wie
„neue Besen und Mitsprecher" die alten bewährten, mit den Verhältnisse»





v. Müller, Ergänzungsheft S. 19.
"*) bei v. Müller a. a. O-, S. 86 a. Vgl. Prinz Krnfft zu Hohenlohe: Aus meinen, Leben,
Bd. IV, S. 3S8. Berlin, Mittler, IW7.
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[0616] Die Beschießung von j)ar!s trugen. eine Erhöhung der Geschütze zu ermöglichen, durch die die Schußweite um etwa 2000 Meter verlängert wurde. Von Müller berichtet (S. 86) aus eigner Kenntnis, daß durch Umlegen der Richtmaschiuc und Lagerung des Rohrs auf einem Querholze, das vor der NichtWelle über die Lafettenwände gelegt worden war, über 30 Grad Erhöhung erreicht worden sei. Mithin rückte die Frage der Beschießung von Paris selbst in einen andern Gesichtskreis. Gerade der Grund, der die Artilleristen bestimmt hatte, ihre Stimme gegen das Bombardement abzugeben, war hinfällig geworden; ein etwa eine Quadratmeile großer Raum der innern Stadt konnte jetzt von den Geschützen bestrichen werden. Diese veränderte Perspektive machte auch den König wieder schwankend, der dann unter dem 4. Januar befahl, daß die „Be¬ schießung, auch der Stadt Paris", so bald wie möglich beginnen sollte.*) Es läßt sich nicht genau feststellen, wann dem König die Erfindung mitgeteilt worden ist. Unter dem 31. Dezember schreibt Blumenthal: „Hohenlohe behauptet nun mit einemmale, man könne 9200 Schritt schießen, er wolle dies von einem Zeugoffizier gehört haben." Hohenlohe berichtet selber in seinem Tagebuche**), daß der Zeugoffizier Prehn hieß und ihm am 26. Dezember in Villa Coublay die Möglichkeit der Erreichung einer Schußweite von 10200 bis 10500 Schritt vorgerechnet habe. Da der Beschießuugsbefehl auf der unveränderten Grund¬ lage des Ergebnisses der Konferenz vom 17. Dezember abgefaßt ist, ist es nicht wahrscheinlich, daß der König vor der Bekanntmachung dieses Befehls über die neue Erfindung benachrichtigt worden ist. Jedenfalls ist aber eine Benach¬ richtigung des Königs durch Hohenlohe vor dem 26. Dezember ausgeschlossen, sodaß dieser Tag die früheste Zeitgrenze für eine wirkungsvolle Beeinflussung des Königs im Sinne des Bombardements bedeuten würde. Vor diesem Tage nun ist das in Rede stehende Wort Blumenthals ge¬ schrieben, und zwar infolge der Mitteilung, daß Kamele und Hohenlohe berufen seien, die Leitung des Angriffs zu übernehmen, mit andern Worten, daß Hinderst», der entschiedn« Gegner eines „Bombardementskitzels", „kaltgestellt"***) wäre. Mit einer gewissen Genugtuung verzeichnet Roon diese Tatsache der Nenernennung. „Jetzt endlich ist der Widerstand gegen das Bombardement gebrochen. . . . Heute habe ich den König bestimmt, die ganze Angelegenheit in bessere Hände zu legen", schreibt er unter dem 23. Dezember. Die entgegengesetzte Wirkung mußte die Ernennung auf Blumenthal aus¬ üben. Mit Resignation gibt er daher in seinem Tagebuche unter demselben Datum der Überzeugung Ausdruck, „seine Pflicht im vollsten Maße getan", auch das, was nötig sei, „richtig erkannt zu haben". Und doch muß er sehen, wie „neue Besen und Mitsprecher" die alten bewährten, mit den Verhältnisse» v. Müller, Ergänzungsheft S. 19. "*) bei v. Müller a. a. O-, S. 86 a. Vgl. Prinz Krnfft zu Hohenlohe: Aus meinen, Leben, Bd. IV, S. 3S8. Berlin, Mittler, IW7. Stosch, Denkwürdigkeiten unterm <>, Innuar 1871.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/616>, abgerufen am 06.02.2025.