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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Militärluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung

Werden und uns dadurch ein neues wertvolles militärisches Hilfsmittel für
das Nachrichtenwesen usw. zu schaffen. Versuche hierzu, die natürlich vor¬
läufig uoch streng geheim gehalten werden, finden fortdauernd von einer Halle
des Militärluftschifferterrains in Tegel statt.

Es ist in der Presse vielfach bedauert und der Vorwurf erhoben worden,
daß, namentlich den Fortschritten der Franzosen gegenüber, auf dem Gebiete
der lenkbarem Luftschiffe und bei dem tätigen Interesse, das insbesondre die
französische Heeresverwaltung an diesen Ergebnissen nimmt, unsre leitenden
Militärkreise sich allzu zögernd gegen die Militärluftschiffahrt verhalten, und
daß nicht schon längst staatliche Mittel in hinreichender Höhe in den Dienst
dieser auch für die Landesverteidigung hochwichtigen Frage gestellt wurden.
Die damit dem preußischen Kriegsministerium gemachten Vorwürfe treffen jedoch
nicht zu, denn es ist erwiesen, daß gerade diese Behörde jedes Stadium, jede
Neuerung auf dem Gebiete des Luftschifferwesens mit der größten Aufmerksam¬
keit und Gewissenhaftigkeit verfolgt hat. Daß vom Reich für diese Zwecke
nicht schon längst größere Summen verfügbar gemacht worden sind, liegt zum
Teil daran, daß wir nicht so reich sind wie die Franzosen, um viele Millionen
für vielleicht vergebliche Versuchszwecke auswerfen zu können, zum andern Teil
daran, daß bei uns mehr als bei unsern westlichen Nachbarn Zweifel darüber
bestanden haben und noch vorhanden sind, welches der in Frage stehenden drei
Systeme von Motorluftschiffen die meiste Aussicht und den höchsten Wert für
militärische Verwendbarkeit habe und dementsprechend am nachdrücklichsten zu
unterstützen sei.

Inzwischen hat nun aber, wie vielleicht in der Öffentlichkeit noch wenig
bekannt ist, auch das preußische Kriegsministerium ein lenkbares Luftschiff eigner
Konstruktion in Arbeit genommen. Ihm ist der Typ der "Patrie" vom fran¬
zösischen Lebaudysystem. von dem weiter unten ausführlich die Rede sem wird,
zugrunde gelegt. Dieses System hält Major Groß gegenwärtig für den einzigen
TYP. der bis zu einem gewissen Grade als kriegsbrauchbar gelten könne Die
Mängel, die diesem Luftschiff anhaften, um das gleich hier vorauszuschicken,
bestehn hauptsächlich darin, daß es zwar transportabel ist. aber zu seiner Auf¬
richtung immer mehrere Tage benötigt. Das schließt momentan seine Brauch¬
barkeit für den eigentlichen Feldkrieg so gut wie ganz aus und beschränkt es
w wesentlichen auf den Dienst in den Festungen zu Rekognoszierungszwecken.
An dem deutschen Modell des Kriegsministerinms sollen nun die Fehler der
französischen Konkurrenz vermieden werden und Verbesserungen angebracht sem.
die seine Verwendbarkeit für jeden Kriegszweck gewährleisten. Em Kommando
von 3 Offizieren. 10 Unteroffizieren und 75 Manu ist an dem Modell schon
ausgebildet worden, und es sollen auch die ersten methodischen Versuche zur
Zufriedenheit ausgefallen sein. ^ ^ - -> -

-Das lenkbare Luftschiff der Gebrüder Lebaudy und des Ingenieurs
Tuillon ist der Repräsentant des dritten der bis jetzt vorhandnen Systeme des
Halbstarren. Es ist bereits in mehreren, vielfach verbesserten Exemplaren


Grenzboten II 1907
Die Militärluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung

Werden und uns dadurch ein neues wertvolles militärisches Hilfsmittel für
das Nachrichtenwesen usw. zu schaffen. Versuche hierzu, die natürlich vor¬
läufig uoch streng geheim gehalten werden, finden fortdauernd von einer Halle
des Militärluftschifferterrains in Tegel statt.

Es ist in der Presse vielfach bedauert und der Vorwurf erhoben worden,
daß, namentlich den Fortschritten der Franzosen gegenüber, auf dem Gebiete
der lenkbarem Luftschiffe und bei dem tätigen Interesse, das insbesondre die
französische Heeresverwaltung an diesen Ergebnissen nimmt, unsre leitenden
Militärkreise sich allzu zögernd gegen die Militärluftschiffahrt verhalten, und
daß nicht schon längst staatliche Mittel in hinreichender Höhe in den Dienst
dieser auch für die Landesverteidigung hochwichtigen Frage gestellt wurden.
Die damit dem preußischen Kriegsministerium gemachten Vorwürfe treffen jedoch
nicht zu, denn es ist erwiesen, daß gerade diese Behörde jedes Stadium, jede
Neuerung auf dem Gebiete des Luftschifferwesens mit der größten Aufmerksam¬
keit und Gewissenhaftigkeit verfolgt hat. Daß vom Reich für diese Zwecke
nicht schon längst größere Summen verfügbar gemacht worden sind, liegt zum
Teil daran, daß wir nicht so reich sind wie die Franzosen, um viele Millionen
für vielleicht vergebliche Versuchszwecke auswerfen zu können, zum andern Teil
daran, daß bei uns mehr als bei unsern westlichen Nachbarn Zweifel darüber
bestanden haben und noch vorhanden sind, welches der in Frage stehenden drei
Systeme von Motorluftschiffen die meiste Aussicht und den höchsten Wert für
militärische Verwendbarkeit habe und dementsprechend am nachdrücklichsten zu
unterstützen sei.

Inzwischen hat nun aber, wie vielleicht in der Öffentlichkeit noch wenig
bekannt ist, auch das preußische Kriegsministerium ein lenkbares Luftschiff eigner
Konstruktion in Arbeit genommen. Ihm ist der Typ der „Patrie" vom fran¬
zösischen Lebaudysystem. von dem weiter unten ausführlich die Rede sem wird,
zugrunde gelegt. Dieses System hält Major Groß gegenwärtig für den einzigen
TYP. der bis zu einem gewissen Grade als kriegsbrauchbar gelten könne Die
Mängel, die diesem Luftschiff anhaften, um das gleich hier vorauszuschicken,
bestehn hauptsächlich darin, daß es zwar transportabel ist. aber zu seiner Auf¬
richtung immer mehrere Tage benötigt. Das schließt momentan seine Brauch¬
barkeit für den eigentlichen Feldkrieg so gut wie ganz aus und beschränkt es
w wesentlichen auf den Dienst in den Festungen zu Rekognoszierungszwecken.
An dem deutschen Modell des Kriegsministerinms sollen nun die Fehler der
französischen Konkurrenz vermieden werden und Verbesserungen angebracht sem.
die seine Verwendbarkeit für jeden Kriegszweck gewährleisten. Em Kommando
von 3 Offizieren. 10 Unteroffizieren und 75 Manu ist an dem Modell schon
ausgebildet worden, und es sollen auch die ersten methodischen Versuche zur
Zufriedenheit ausgefallen sein. ^ ^ - -> -

-Das lenkbare Luftschiff der Gebrüder Lebaudy und des Ingenieurs
Tuillon ist der Repräsentant des dritten der bis jetzt vorhandnen Systeme des
Halbstarren. Es ist bereits in mehreren, vielfach verbesserten Exemplaren


Grenzboten II 1907
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[0601] Die Militärluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung Werden und uns dadurch ein neues wertvolles militärisches Hilfsmittel für das Nachrichtenwesen usw. zu schaffen. Versuche hierzu, die natürlich vor¬ läufig uoch streng geheim gehalten werden, finden fortdauernd von einer Halle des Militärluftschifferterrains in Tegel statt. Es ist in der Presse vielfach bedauert und der Vorwurf erhoben worden, daß, namentlich den Fortschritten der Franzosen gegenüber, auf dem Gebiete der lenkbarem Luftschiffe und bei dem tätigen Interesse, das insbesondre die französische Heeresverwaltung an diesen Ergebnissen nimmt, unsre leitenden Militärkreise sich allzu zögernd gegen die Militärluftschiffahrt verhalten, und daß nicht schon längst staatliche Mittel in hinreichender Höhe in den Dienst dieser auch für die Landesverteidigung hochwichtigen Frage gestellt wurden. Die damit dem preußischen Kriegsministerium gemachten Vorwürfe treffen jedoch nicht zu, denn es ist erwiesen, daß gerade diese Behörde jedes Stadium, jede Neuerung auf dem Gebiete des Luftschifferwesens mit der größten Aufmerksam¬ keit und Gewissenhaftigkeit verfolgt hat. Daß vom Reich für diese Zwecke nicht schon längst größere Summen verfügbar gemacht worden sind, liegt zum Teil daran, daß wir nicht so reich sind wie die Franzosen, um viele Millionen für vielleicht vergebliche Versuchszwecke auswerfen zu können, zum andern Teil daran, daß bei uns mehr als bei unsern westlichen Nachbarn Zweifel darüber bestanden haben und noch vorhanden sind, welches der in Frage stehenden drei Systeme von Motorluftschiffen die meiste Aussicht und den höchsten Wert für militärische Verwendbarkeit habe und dementsprechend am nachdrücklichsten zu unterstützen sei. Inzwischen hat nun aber, wie vielleicht in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt ist, auch das preußische Kriegsministerium ein lenkbares Luftschiff eigner Konstruktion in Arbeit genommen. Ihm ist der Typ der „Patrie" vom fran¬ zösischen Lebaudysystem. von dem weiter unten ausführlich die Rede sem wird, zugrunde gelegt. Dieses System hält Major Groß gegenwärtig für den einzigen TYP. der bis zu einem gewissen Grade als kriegsbrauchbar gelten könne Die Mängel, die diesem Luftschiff anhaften, um das gleich hier vorauszuschicken, bestehn hauptsächlich darin, daß es zwar transportabel ist. aber zu seiner Auf¬ richtung immer mehrere Tage benötigt. Das schließt momentan seine Brauch¬ barkeit für den eigentlichen Feldkrieg so gut wie ganz aus und beschränkt es w wesentlichen auf den Dienst in den Festungen zu Rekognoszierungszwecken. An dem deutschen Modell des Kriegsministerinms sollen nun die Fehler der französischen Konkurrenz vermieden werden und Verbesserungen angebracht sem. die seine Verwendbarkeit für jeden Kriegszweck gewährleisten. Em Kommando von 3 Offizieren. 10 Unteroffizieren und 75 Manu ist an dem Modell schon ausgebildet worden, und es sollen auch die ersten methodischen Versuche zur Zufriedenheit ausgefallen sein. ^ ^ - -> - -Das lenkbare Luftschiff der Gebrüder Lebaudy und des Ingenieurs Tuillon ist der Repräsentant des dritten der bis jetzt vorhandnen Systeme des Halbstarren. Es ist bereits in mehreren, vielfach verbesserten Exemplaren Grenzboten II 1907

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/601>, abgerufen am 06.02.2025.