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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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das Feldheer ein brauchbares Ausrüstungsstück werden; die bis dahin außer¬
ordentlich umständliche und langwierige Füllung des Ballons wurde statt in
drei Stunden schon in fünfzehn Minuten bewirkt. In Deutschland konstruierte
man sodann den Wagenpark -- gegenüber den schwerfälligen Fahrzeugen
Frankreichs -- den allgemeinen Anforderungen an Armeefahrzeugen ent¬
sprechend, sodciß er nach Beweglichkeit und Festigkeit den Truppen überallhin
zu folgen vermag und seine Verwendung sogar in der Vorhut keinen Bedenken
unterliegt.

Schließlich gelang es Deutschland dnrch Einführung des Drachenballvns
(zylinderförmig), den großen Nachteil des Kugelballons, daß die Beobachtung
ans dem Korbe infolge der großen Schwankungen schon bei den müßigen
Windstärken von sechs bis sieben Metern in der Sekunde unmöglich wurde,
soweit zu beseitigen, daß jetzt mehr als die doppelten Windstärken überwunden
werden können, die Gebrauchsfähigkeit des Ballons hierdurch aber von fünfzig
auf achtzig Prozenttage im Jahre gehoben wurde. Zugleich wurde bei uns das
englische System der Mitnahme des fertigen Gases in Behältern, infolge zu
hohen Gewichts, fallen gelassen, und es traten an seine Stelle zwei Methoden
der Gaserzeugung am Bedarfsort, von denen die aus Ätznatron mit Aluminium
als die vorteilhaftere anzusehen ist. Inzwischen sind die Drachenballons nicht
nur fast bei alleu großen Armeen, sondern auch bei kleinern Heeren, wie in
Belgien, der Schweiz, in den Vereinigten Staaten u. a., eingeführt worden
und bilden mit den zu ihrer Bedienung bestimmten Luftschifferabteilungen oder
Bataillonen und Kompagnien einen festen Bestand jeder Heeresorganisation.

Etwas auffallend erscheint, daß die Fesselballons im Russisch-japanischen
Kriege, wo ihr militärischer Wert, ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit am
ehesten Gelegenheit gehabt hätten, sich praktisch zu betätigen, vollständig ver¬
sagt haben. Aus den wenigen zuverlässigen Nachrichten, die uns hierüber
bis heute zur Verfügung stehn, wissen wir, daß die Russen ursprünglich nur
die mobile Festuugsballouabteilung mit zwei Kompagnien zur Verfügung
hatten, die das Gas ans Eisen und Schwefelsäure an Ort und Stelle her¬
stellte. Sie führte 76 Wagen mit sich und kam auf den schlechten Wegen
so langsam vorwärts, daß man sie nie zur rechten Zeit zur Stelle hatte.
Infolgedessen, und da sich zudem auch Materialmangel einstellte, mußte das
Bataillon schon verhältnismüßig frühzeitig seine Tätigkeit einstellen. Etwas
bessere Resultate erreichte anfangs das erste ostsibirische Lnftschifferbataillon,
das seine Kompagnien auf die drei Heere beim X., V. und VIII. Armeekorps
verteilt hatte. Wenigstens wird aus der Schlacht von Scmdepu berichtet, daß
hier allein die Beobachtung vom Ballon aus einen guten Erfolg ermöglicht
hätte. Die spätern Ergebnisse sind dann auch bei diesem Bataillon weniger
befriedigend ausgefallen.

Die Japaner wandelten in der Ballontcchnik eigne Wege, scheinen aber
mit ihren sonderbar geformten Ungetümen von 440 Kubikmeter Inhalt keinen
rechten Erfolg gehabt zu haben. Wenigstens sind keine Resultate davon bei


das Feldheer ein brauchbares Ausrüstungsstück werden; die bis dahin außer¬
ordentlich umständliche und langwierige Füllung des Ballons wurde statt in
drei Stunden schon in fünfzehn Minuten bewirkt. In Deutschland konstruierte
man sodann den Wagenpark — gegenüber den schwerfälligen Fahrzeugen
Frankreichs — den allgemeinen Anforderungen an Armeefahrzeugen ent¬
sprechend, sodciß er nach Beweglichkeit und Festigkeit den Truppen überallhin
zu folgen vermag und seine Verwendung sogar in der Vorhut keinen Bedenken
unterliegt.

Schließlich gelang es Deutschland dnrch Einführung des Drachenballvns
(zylinderförmig), den großen Nachteil des Kugelballons, daß die Beobachtung
ans dem Korbe infolge der großen Schwankungen schon bei den müßigen
Windstärken von sechs bis sieben Metern in der Sekunde unmöglich wurde,
soweit zu beseitigen, daß jetzt mehr als die doppelten Windstärken überwunden
werden können, die Gebrauchsfähigkeit des Ballons hierdurch aber von fünfzig
auf achtzig Prozenttage im Jahre gehoben wurde. Zugleich wurde bei uns das
englische System der Mitnahme des fertigen Gases in Behältern, infolge zu
hohen Gewichts, fallen gelassen, und es traten an seine Stelle zwei Methoden
der Gaserzeugung am Bedarfsort, von denen die aus Ätznatron mit Aluminium
als die vorteilhaftere anzusehen ist. Inzwischen sind die Drachenballons nicht
nur fast bei alleu großen Armeen, sondern auch bei kleinern Heeren, wie in
Belgien, der Schweiz, in den Vereinigten Staaten u. a., eingeführt worden
und bilden mit den zu ihrer Bedienung bestimmten Luftschifferabteilungen oder
Bataillonen und Kompagnien einen festen Bestand jeder Heeresorganisation.

Etwas auffallend erscheint, daß die Fesselballons im Russisch-japanischen
Kriege, wo ihr militärischer Wert, ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit am
ehesten Gelegenheit gehabt hätten, sich praktisch zu betätigen, vollständig ver¬
sagt haben. Aus den wenigen zuverlässigen Nachrichten, die uns hierüber
bis heute zur Verfügung stehn, wissen wir, daß die Russen ursprünglich nur
die mobile Festuugsballouabteilung mit zwei Kompagnien zur Verfügung
hatten, die das Gas ans Eisen und Schwefelsäure an Ort und Stelle her¬
stellte. Sie führte 76 Wagen mit sich und kam auf den schlechten Wegen
so langsam vorwärts, daß man sie nie zur rechten Zeit zur Stelle hatte.
Infolgedessen, und da sich zudem auch Materialmangel einstellte, mußte das
Bataillon schon verhältnismüßig frühzeitig seine Tätigkeit einstellen. Etwas
bessere Resultate erreichte anfangs das erste ostsibirische Lnftschifferbataillon,
das seine Kompagnien auf die drei Heere beim X., V. und VIII. Armeekorps
verteilt hatte. Wenigstens wird aus der Schlacht von Scmdepu berichtet, daß
hier allein die Beobachtung vom Ballon aus einen guten Erfolg ermöglicht
hätte. Die spätern Ergebnisse sind dann auch bei diesem Bataillon weniger
befriedigend ausgefallen.

Die Japaner wandelten in der Ballontcchnik eigne Wege, scheinen aber
mit ihren sonderbar geformten Ungetümen von 440 Kubikmeter Inhalt keinen
rechten Erfolg gehabt zu haben. Wenigstens sind keine Resultate davon bei


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[0598] das Feldheer ein brauchbares Ausrüstungsstück werden; die bis dahin außer¬ ordentlich umständliche und langwierige Füllung des Ballons wurde statt in drei Stunden schon in fünfzehn Minuten bewirkt. In Deutschland konstruierte man sodann den Wagenpark — gegenüber den schwerfälligen Fahrzeugen Frankreichs — den allgemeinen Anforderungen an Armeefahrzeugen ent¬ sprechend, sodciß er nach Beweglichkeit und Festigkeit den Truppen überallhin zu folgen vermag und seine Verwendung sogar in der Vorhut keinen Bedenken unterliegt. Schließlich gelang es Deutschland dnrch Einführung des Drachenballvns (zylinderförmig), den großen Nachteil des Kugelballons, daß die Beobachtung ans dem Korbe infolge der großen Schwankungen schon bei den müßigen Windstärken von sechs bis sieben Metern in der Sekunde unmöglich wurde, soweit zu beseitigen, daß jetzt mehr als die doppelten Windstärken überwunden werden können, die Gebrauchsfähigkeit des Ballons hierdurch aber von fünfzig auf achtzig Prozenttage im Jahre gehoben wurde. Zugleich wurde bei uns das englische System der Mitnahme des fertigen Gases in Behältern, infolge zu hohen Gewichts, fallen gelassen, und es traten an seine Stelle zwei Methoden der Gaserzeugung am Bedarfsort, von denen die aus Ätznatron mit Aluminium als die vorteilhaftere anzusehen ist. Inzwischen sind die Drachenballons nicht nur fast bei alleu großen Armeen, sondern auch bei kleinern Heeren, wie in Belgien, der Schweiz, in den Vereinigten Staaten u. a., eingeführt worden und bilden mit den zu ihrer Bedienung bestimmten Luftschifferabteilungen oder Bataillonen und Kompagnien einen festen Bestand jeder Heeresorganisation. Etwas auffallend erscheint, daß die Fesselballons im Russisch-japanischen Kriege, wo ihr militärischer Wert, ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit am ehesten Gelegenheit gehabt hätten, sich praktisch zu betätigen, vollständig ver¬ sagt haben. Aus den wenigen zuverlässigen Nachrichten, die uns hierüber bis heute zur Verfügung stehn, wissen wir, daß die Russen ursprünglich nur die mobile Festuugsballouabteilung mit zwei Kompagnien zur Verfügung hatten, die das Gas ans Eisen und Schwefelsäure an Ort und Stelle her¬ stellte. Sie führte 76 Wagen mit sich und kam auf den schlechten Wegen so langsam vorwärts, daß man sie nie zur rechten Zeit zur Stelle hatte. Infolgedessen, und da sich zudem auch Materialmangel einstellte, mußte das Bataillon schon verhältnismüßig frühzeitig seine Tätigkeit einstellen. Etwas bessere Resultate erreichte anfangs das erste ostsibirische Lnftschifferbataillon, das seine Kompagnien auf die drei Heere beim X., V. und VIII. Armeekorps verteilt hatte. Wenigstens wird aus der Schlacht von Scmdepu berichtet, daß hier allein die Beobachtung vom Ballon aus einen guten Erfolg ermöglicht hätte. Die spätern Ergebnisse sind dann auch bei diesem Bataillon weniger befriedigend ausgefallen. Die Japaner wandelten in der Ballontcchnik eigne Wege, scheinen aber mit ihren sonderbar geformten Ungetümen von 440 Kubikmeter Inhalt keinen rechten Erfolg gehabt zu haben. Wenigstens sind keine Resultate davon bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/598>, abgerufen am 06.02.2025.