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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Line Sommerfahrt in das Erzgebirge

Hütte", das heißt, es wurde hier das silberhaltige Schwarzkupfer gesaigert, oder
mit andern Worten, vermittelst eines Schmelzprozesses durch zugesetztes Blei,
das mit dem Silber verwandter ist als das Kupfer, vom Silber befreit und
sowohl das Kupfer wie das Silber von allen sonstigen Beimengungen gereinigt.
Jetzt geschieht dies mit weit mehr Vorteil auf anderen Wege in den Freiberger
Hütten, und so sehen wir die riesigen Saigeröfeu, die über drittehalbhundert
Jahre Dienst getan, dieser Tätigkeit entzogen. Im Jahre 1710 besuchte Peter
der Große, von Karlsbad kommend, mit großem Gefolge das Gebirge. "In der
Saigerhütte Grünthal -- schreibt Hering in seiner Geschichte des sächsischen Hoch¬
landes -- setzte sich der Kaiser auf einen der größten auf und nieder gehenden
Hammer und hielt die Erschütterung wirklich einige Minuten aus." Während
des siebenjährigen Krieges besetzten preußische Truppen wiederholt die Hütte,
ohne sie zu schädigen, 1778 aber wurde sie durch ein österreichisches Streifkorps
niedergebrannt. Seit 1752 war auf der Hütte eine Münzstätte für Kupfergeld
angelegt, in der man während des siebenjährigen Krieges auch polnische Groschen
und sächsische Silberscheidemünze prägte; später lieferte die Hütte hauptsächlich
gewerblichen Zwecken dienende Gegenstände, zum Beispiel ausgeschmiedete Bleche,
Braupfannenböden, Kesselschalen usw., sodaß sie nach verschiednen Vergrößerungen
zu Anfang der vierziger Jahre im Jahre 1868 10740 Zentner Kupferwaren
aller Gattungen fertigte. Im Jahre 1873 gingen die Werke in den Besitz des
Kammerrates Lange über, der als Neuheit die Fabrikation von Tombak und
Messing, beide in Blechen und Drähten, einführte. Es werden nunmehr hier
Kupferbleche und Kupferblöcke, Kupferdraht und Kupferdrahtseile zu Blitzab¬
leitungen, ferner Druckkupferbleche, Kupferstecherplatten und Kupferdrühte zum
Umspinnen von Klaviersaiten gefertigt.

Vom Kupferhammer nach dem Brunsberg (674,4 Meter) führt anfangs ein
sanft ansteigender Fußweg zwischen Getreidefeldern und Wiesen bis an den Wald¬
rand, dann nimmt uns ein herrlicher hochstämmiger Buchenwald auf, in dem
es ziemlich steil bergan geht. Um aber schließlich zum Gipfel selbst zu gelangen,
müssen wir uns durch Gestrüpp und Gras und über wildes Trümmergestein
ziemlich mühsam emporarbeiten. Rechts und links stehen Himbeeren in großer
Menge. Endlich sind wir oben und sehen unsre Mühe reichlich belohnt, denn
nicht nur bietet sich uns ein herrlicher Blick auf Grünthal und Olbernhau,
sondern auch in die Täter der Fissa, der Natschung und des Schweinitzbaches,
die sich tief unter uus durch die dunkle Waldung hinwinden, sehen wir hinein
ein schönes Gebirgsbild, das da vor uns liegt!

Hochbefriedigt kehren wir zum Fuße des Berges zurück und wenden uns
nach links auf den "Königsweg", eine sanft ansteigende Waldstraße, so genannt
zur Erinnerung an einen Besuch des Königs Johann. Wir wandern weiter, ein
herzerquickender Spaziergang durch einen Wald prächtiger Säulenschäfte, die ihr
grünes Laubgewölbe oben harmonisch verzweigen und verschlingen; zahlreiche
Bäche rieseln von den Hängen zu Tal, und eine lungenstürkende, feuchtdunstige


Line Sommerfahrt in das Erzgebirge

Hütte", das heißt, es wurde hier das silberhaltige Schwarzkupfer gesaigert, oder
mit andern Worten, vermittelst eines Schmelzprozesses durch zugesetztes Blei,
das mit dem Silber verwandter ist als das Kupfer, vom Silber befreit und
sowohl das Kupfer wie das Silber von allen sonstigen Beimengungen gereinigt.
Jetzt geschieht dies mit weit mehr Vorteil auf anderen Wege in den Freiberger
Hütten, und so sehen wir die riesigen Saigeröfeu, die über drittehalbhundert
Jahre Dienst getan, dieser Tätigkeit entzogen. Im Jahre 1710 besuchte Peter
der Große, von Karlsbad kommend, mit großem Gefolge das Gebirge. „In der
Saigerhütte Grünthal — schreibt Hering in seiner Geschichte des sächsischen Hoch¬
landes — setzte sich der Kaiser auf einen der größten auf und nieder gehenden
Hammer und hielt die Erschütterung wirklich einige Minuten aus." Während
des siebenjährigen Krieges besetzten preußische Truppen wiederholt die Hütte,
ohne sie zu schädigen, 1778 aber wurde sie durch ein österreichisches Streifkorps
niedergebrannt. Seit 1752 war auf der Hütte eine Münzstätte für Kupfergeld
angelegt, in der man während des siebenjährigen Krieges auch polnische Groschen
und sächsische Silberscheidemünze prägte; später lieferte die Hütte hauptsächlich
gewerblichen Zwecken dienende Gegenstände, zum Beispiel ausgeschmiedete Bleche,
Braupfannenböden, Kesselschalen usw., sodaß sie nach verschiednen Vergrößerungen
zu Anfang der vierziger Jahre im Jahre 1868 10740 Zentner Kupferwaren
aller Gattungen fertigte. Im Jahre 1873 gingen die Werke in den Besitz des
Kammerrates Lange über, der als Neuheit die Fabrikation von Tombak und
Messing, beide in Blechen und Drähten, einführte. Es werden nunmehr hier
Kupferbleche und Kupferblöcke, Kupferdraht und Kupferdrahtseile zu Blitzab¬
leitungen, ferner Druckkupferbleche, Kupferstecherplatten und Kupferdrühte zum
Umspinnen von Klaviersaiten gefertigt.

Vom Kupferhammer nach dem Brunsberg (674,4 Meter) führt anfangs ein
sanft ansteigender Fußweg zwischen Getreidefeldern und Wiesen bis an den Wald¬
rand, dann nimmt uns ein herrlicher hochstämmiger Buchenwald auf, in dem
es ziemlich steil bergan geht. Um aber schließlich zum Gipfel selbst zu gelangen,
müssen wir uns durch Gestrüpp und Gras und über wildes Trümmergestein
ziemlich mühsam emporarbeiten. Rechts und links stehen Himbeeren in großer
Menge. Endlich sind wir oben und sehen unsre Mühe reichlich belohnt, denn
nicht nur bietet sich uns ein herrlicher Blick auf Grünthal und Olbernhau,
sondern auch in die Täter der Fissa, der Natschung und des Schweinitzbaches,
die sich tief unter uus durch die dunkle Waldung hinwinden, sehen wir hinein
ein schönes Gebirgsbild, das da vor uns liegt!

Hochbefriedigt kehren wir zum Fuße des Berges zurück und wenden uns
nach links auf den „Königsweg", eine sanft ansteigende Waldstraße, so genannt
zur Erinnerung an einen Besuch des Königs Johann. Wir wandern weiter, ein
herzerquickender Spaziergang durch einen Wald prächtiger Säulenschäfte, die ihr
grünes Laubgewölbe oben harmonisch verzweigen und verschlingen; zahlreiche
Bäche rieseln von den Hängen zu Tal, und eine lungenstürkende, feuchtdunstige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/576>, abgerufen am 06.02.2025.