Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Umnaßgebliches es der Schöpfer anfängt, Wesen zu schaffen, die durch Vermittlung andrer Wesen Darin also daß das. was Ziegler Nationalismus nennt en, aussichtslosUnternehmen ist. stimme ich ihm bei. aber nicht in dem was er si^ d s wert¬ Maßgebliches und Umnaßgebliches es der Schöpfer anfängt, Wesen zu schaffen, die durch Vermittlung andrer Wesen Darin also daß das. was Ziegler Nationalismus nennt en, aussichtslosUnternehmen ist. stimme ich ihm bei. aber nicht in dem was er si^ d s wert¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302531"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Umnaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2367" prev="#ID_2366"> es der Schöpfer anfängt, Wesen zu schaffen, die durch Vermittlung andrer Wesen<lb/> Wahrnehmungen empfangen und diese denkend verarbeiten: ein bewußtes Geistes¬<lb/> leben entfalten. Selbstverständlich ist das unmöglich. Aber wir dürfen die nicht<lb/> schelten, die das Unmögliche, das Höchste unternehmen, sondern müssen sie ver¬<lb/> ehren, denn was möglich und unmöglich ist, das steht nicht von vornherein fest,<lb/> sondern der Mensch lernt erst durch lange Erfahrung und gründliches Nachdenken<lb/> die Grenzen seines Vermögens kennen. Außerdem entdecken die Großgeister auf<lb/> dem Wege zum unerreichbaren Ziel viel schöne und nützliche Wahrheiten. Was<lb/> einzig dauernd bleibt, schreibt Ziegler von Hegels Phänomenologie, das „ist eine<lb/> unendlich vergeistigte Geschichtsphilosophie, die unabhängig ist vom Anfang und<lb/> vom Schluß des Werkes". Man kann dasselbe sagen von dem meisten Guten, das<lb/> man bei großen Philosophen findet: es ist mehr wert als ihr „Prinzip" oder ihr<lb/> »System". Also wie unser Herrgott das anfängt, uns erkennen zu lassen, werden<lb/> wir niemals herauskriegen, aber was beim Erkennen vorgeht, das hat man aller¬<lb/> dings im Laufe der Zeit immer genauer erkannt und besonders zweierlei fest¬<lb/> gestellt. Einmal, daß die sekundären Qualitäten der körperlichen Dinge nicht eigentlich<lb/> deren Eigenschaften, sondern unsre Wahrnehmungen sind. Wenn Uphues meint, es<lb/> sei nur konsequent gewesen, daß Berkeley den von Locke aufgestellten Unterschred<lb/> zwischen primären und sekundären Qualitäten fallen ließ, so stimme ich ihm darin<lb/> nicht bei. Die primäre Qualität der Räumlichkeit ist wirklich eine Eigenschaft jedes<lb/> Körpers, denn ein unräumlicher Körper ist eine vonti!»aictio in aciMo und ganz<lb/> undenkbar (auf Kants Ansicht vom Raume lassen wir uns hier nicht ein). Andrer¬<lb/> seits ist ein an sich süßer Körper undenkbar, denn Süßigkeit hat ohne ein schmeckendes<lb/> Wesen gar keinen Sinn, der Zucker aber schmeckt sich nicht selbst. In der Zucker¬<lb/> molekel ist nichts vorhanden als eine bestimmte Anzahl von Sauerstoff-, Kohlenstoff-<lb/> und Wasserstoffatomen, die uns in dieser Gruppierung die Empfindung süß, in<lb/> andrer andre Empfindungen erregen. Die Unterscheidung ist für die Begründung<lb/> einer rationellen Physik nicht weniger wichtig gewesen wie für die einer rationellen<lb/> Psychologie. Die andre bedeutende Feststellung, das „Apriori", besagt: die logischen<lb/> Operationen, oder wie man sie heute zu nennen beliebt Kategorialfunktionen, sind<lb/> - »icht Wirkungen biologischer oder physiologischer Prozesse, mit denen sie sich ändern<lb/> könnten, sodaß wir einmal beim Znsmnmcnzählen von 2 und 2 eiwa 5 heraus¬<lb/> bekämen, wie sich je nach unserm Körperzustande unser Temperaturgefuhl ändert<lb/> Sondern Gott oder die Natur oder das Unbewußte hat unsre Seele e.n für allemal<lb/> s° eingerichtet, daß wir gewisse aufeinanderfolgende Erscheinungen als Ursache und<lb/> Wirkung ansehen, zu den Erscheinungen einen substantiellen Träger h^"us sestverbündnen Erscheinungsgruppen (rot. Blätter. Duft) einen Begr.ff (Rose)<lb/> abstrahieren, den wir »wenden so oft uns derselbe Komplex von Wahrnehnmnge..<lb/> begegnet. Indem alle nicht geisteskranken Menschen diese Funktionen überein¬<lb/> stimmend vollziehen, wie sie auch der Hauptsache »ach v°» denselben Dingen die¬<lb/> selben Wahrnehmungen empfangen, bauen sie sich ihren inwendigen vernuMg n<lb/> Kosmos auf. finden sie sich in dem auswendigen Kosmos zurecht und vermögen<lb/> ste miteinander zu verkehren. . ^..-f^-l^s</p><lb/> <p xml:id="ID_2368" next="#ID_2369"> Darin also daß das. was Ziegler Nationalismus nennt en, aussichtslosUnternehmen ist. stimme ich ihm bei. aber nicht in dem was er si^ d s wert¬<lb/> vollste bleibende Ergebnis der Erkenntniskritik hält, ""auch . die Erkenntnis daß<lb/> die Kategorien eine Funktionen des Ichs, sondern des überichlichen. '^h ewuß en<lb/> hervorbringende» Geistes sein könnten". Meiner Ansicht nach u d auch Uphues<lb/> denkt so. ist das Ich das el»zel»e menschliche Ich. das logisch tätige; daß es so<lb/> t°'ig sein kann und wirklich ist, das, es überhaupt vorhanden ist. ist allerdings das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Maßgebliches und Umnaßgebliches
es der Schöpfer anfängt, Wesen zu schaffen, die durch Vermittlung andrer Wesen
Wahrnehmungen empfangen und diese denkend verarbeiten: ein bewußtes Geistes¬
leben entfalten. Selbstverständlich ist das unmöglich. Aber wir dürfen die nicht
schelten, die das Unmögliche, das Höchste unternehmen, sondern müssen sie ver¬
ehren, denn was möglich und unmöglich ist, das steht nicht von vornherein fest,
sondern der Mensch lernt erst durch lange Erfahrung und gründliches Nachdenken
die Grenzen seines Vermögens kennen. Außerdem entdecken die Großgeister auf
dem Wege zum unerreichbaren Ziel viel schöne und nützliche Wahrheiten. Was
einzig dauernd bleibt, schreibt Ziegler von Hegels Phänomenologie, das „ist eine
unendlich vergeistigte Geschichtsphilosophie, die unabhängig ist vom Anfang und
vom Schluß des Werkes". Man kann dasselbe sagen von dem meisten Guten, das
man bei großen Philosophen findet: es ist mehr wert als ihr „Prinzip" oder ihr
»System". Also wie unser Herrgott das anfängt, uns erkennen zu lassen, werden
wir niemals herauskriegen, aber was beim Erkennen vorgeht, das hat man aller¬
dings im Laufe der Zeit immer genauer erkannt und besonders zweierlei fest¬
gestellt. Einmal, daß die sekundären Qualitäten der körperlichen Dinge nicht eigentlich
deren Eigenschaften, sondern unsre Wahrnehmungen sind. Wenn Uphues meint, es
sei nur konsequent gewesen, daß Berkeley den von Locke aufgestellten Unterschred
zwischen primären und sekundären Qualitäten fallen ließ, so stimme ich ihm darin
nicht bei. Die primäre Qualität der Räumlichkeit ist wirklich eine Eigenschaft jedes
Körpers, denn ein unräumlicher Körper ist eine vonti!»aictio in aciMo und ganz
undenkbar (auf Kants Ansicht vom Raume lassen wir uns hier nicht ein). Andrer¬
seits ist ein an sich süßer Körper undenkbar, denn Süßigkeit hat ohne ein schmeckendes
Wesen gar keinen Sinn, der Zucker aber schmeckt sich nicht selbst. In der Zucker¬
molekel ist nichts vorhanden als eine bestimmte Anzahl von Sauerstoff-, Kohlenstoff-
und Wasserstoffatomen, die uns in dieser Gruppierung die Empfindung süß, in
andrer andre Empfindungen erregen. Die Unterscheidung ist für die Begründung
einer rationellen Physik nicht weniger wichtig gewesen wie für die einer rationellen
Psychologie. Die andre bedeutende Feststellung, das „Apriori", besagt: die logischen
Operationen, oder wie man sie heute zu nennen beliebt Kategorialfunktionen, sind
- »icht Wirkungen biologischer oder physiologischer Prozesse, mit denen sie sich ändern
könnten, sodaß wir einmal beim Znsmnmcnzählen von 2 und 2 eiwa 5 heraus¬
bekämen, wie sich je nach unserm Körperzustande unser Temperaturgefuhl ändert
Sondern Gott oder die Natur oder das Unbewußte hat unsre Seele e.n für allemal
s° eingerichtet, daß wir gewisse aufeinanderfolgende Erscheinungen als Ursache und
Wirkung ansehen, zu den Erscheinungen einen substantiellen Träger h^"us sestverbündnen Erscheinungsgruppen (rot. Blätter. Duft) einen Begr.ff (Rose)
abstrahieren, den wir »wenden so oft uns derselbe Komplex von Wahrnehnmnge..
begegnet. Indem alle nicht geisteskranken Menschen diese Funktionen überein¬
stimmend vollziehen, wie sie auch der Hauptsache »ach v°» denselben Dingen die¬
selben Wahrnehmungen empfangen, bauen sie sich ihren inwendigen vernuMg n
Kosmos auf. finden sie sich in dem auswendigen Kosmos zurecht und vermögen
ste miteinander zu verkehren. . ^..-f^-l^s
Darin also daß das. was Ziegler Nationalismus nennt en, aussichtslosUnternehmen ist. stimme ich ihm bei. aber nicht in dem was er si^ d s wert¬
vollste bleibende Ergebnis der Erkenntniskritik hält, ""auch . die Erkenntnis daß
die Kategorien eine Funktionen des Ichs, sondern des überichlichen. '^h ewuß en
hervorbringende» Geistes sein könnten". Meiner Ansicht nach u d auch Uphues
denkt so. ist das Ich das el»zel»e menschliche Ich. das logisch tätige; daß es so
t°'ig sein kann und wirklich ist, das, es überhaupt vorhanden ist. ist allerdings das
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