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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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was das fahrende Volk erzählte

Man nehme sich nur Frankreich als Beispiel. Dort hat die Militärbehörde
schon angeordnet, auf den Personalberichten über die Offiziere neben der
Kenntnis fremder Sprachen auch anzugeben, ob der Offizier die Weltsprache
kennt, und zwar geschieht das, indem mau schreibt: lit vt xarle l'Lgxoranto.
Durch ein geordnetes Zusammenwirken ließe sich also ohne große Mühe ein
Werk von unschätzbarem Wert schaffen, und man wurde, wie Dr. Zamenhof
i" dem obenerwähnten Briefe auch schreibt, sich rühmen können, daß man eine
große Menge von Trübsal vom Schlachtfelde weggeschafft und die Mitglieder
des Noten Kreuzes in ihrem menschenfreundlichen Wirten wesentlich unter-
stützt habe.

Soweit die öölg'ihne miliwire. Sicher wäre eine Sprache, in der sich
wenigstens alle Kulturvölker verständigen könnten, vou unermeßlichen Werte.
Es fragt sich nur, ob es nicht mehr zu empfehlen und leichter durchzuführen
ist. eine der bestehenden europäischen Sprachen, etwa die schon so weit auf
der Erde verbreitete englische Sprache zur Weltsprache und deshalb obligatorisch
in allen Ländern zu machen, als eine ganz neue Sprache wie Esperanto oder
Volapük zu konstruieren. Die Einführung einer bestehenden Sprache scheint mir
l 6- v. h. eichter durchzuführen.




Was das fahrende Volk erzählte
A Zvilhelm Berdrow ns den Loswiger Bettelregistern von

n einem frühern Grenzbotenartikel (1907, Ur. 18) habe ich zu
schildern versucht, welche Menge von Leuten aus den verschiedensten
Ständen, Berufen und Gegenden die gewerbsmäßige Wander-
bettelei auf den Landstraßen im siebzehnten Jahrhundert in Be-
-wegung erhielt, und welch ein Strom von ihnen sich jahr-
jahrein durch eine kleine Landstadt ergoß. In großen Städten mögen
ne schon damals keine Rolle gespielt haben, in der Menge verschwunden sein,
^le heute der viel stärkere Strom der "armen reisenden Handwerker". Aber
u> einem Städtchen wie Coswig hatten sie Muße, ihr Verslein von ihren
beiden und Erlebnissen herzusagen, und hatte der Stadtschreiber Muße, es
"'ehe nur anzuhören, sondern auch ab und zu ein wenig davon mit in die
iechnungsbücher einfließen zu lassen, wo er die kleinen Ausgabeposten an die
""neu und brandbeschädigten Leute eintrug. Diese, oft in Abordnungen ihrer
^'"geäscherten Heimatsorte kommend, bilden eine besonders starke Abteilung der
^unosensammler. Brände waren eben früher, als die Wohnhäuser fast aus-
"ahmelos von Holz und Lehm erbaut wurden, viel häufiger und verheerender
^" wenigen Stadt- und Kirchenrechnungen zwischen 1595 und
KW werden große Brände berichtet aus Erfurt (200 Häuser), Wartenburg


Grenzboten U I9V7 07
was das fahrende Volk erzählte

Man nehme sich nur Frankreich als Beispiel. Dort hat die Militärbehörde
schon angeordnet, auf den Personalberichten über die Offiziere neben der
Kenntnis fremder Sprachen auch anzugeben, ob der Offizier die Weltsprache
kennt, und zwar geschieht das, indem mau schreibt: lit vt xarle l'Lgxoranto.
Durch ein geordnetes Zusammenwirken ließe sich also ohne große Mühe ein
Werk von unschätzbarem Wert schaffen, und man wurde, wie Dr. Zamenhof
i" dem obenerwähnten Briefe auch schreibt, sich rühmen können, daß man eine
große Menge von Trübsal vom Schlachtfelde weggeschafft und die Mitglieder
des Noten Kreuzes in ihrem menschenfreundlichen Wirten wesentlich unter-
stützt habe.

Soweit die öölg'ihne miliwire. Sicher wäre eine Sprache, in der sich
wenigstens alle Kulturvölker verständigen könnten, vou unermeßlichen Werte.
Es fragt sich nur, ob es nicht mehr zu empfehlen und leichter durchzuführen
ist. eine der bestehenden europäischen Sprachen, etwa die schon so weit auf
der Erde verbreitete englische Sprache zur Weltsprache und deshalb obligatorisch
in allen Ländern zu machen, als eine ganz neue Sprache wie Esperanto oder
Volapük zu konstruieren. Die Einführung einer bestehenden Sprache scheint mir
l 6- v. h. eichter durchzuführen.




Was das fahrende Volk erzählte
A Zvilhelm Berdrow ns den Loswiger Bettelregistern von

n einem frühern Grenzbotenartikel (1907, Ur. 18) habe ich zu
schildern versucht, welche Menge von Leuten aus den verschiedensten
Ständen, Berufen und Gegenden die gewerbsmäßige Wander-
bettelei auf den Landstraßen im siebzehnten Jahrhundert in Be-
-wegung erhielt, und welch ein Strom von ihnen sich jahr-
jahrein durch eine kleine Landstadt ergoß. In großen Städten mögen
ne schon damals keine Rolle gespielt haben, in der Menge verschwunden sein,
^le heute der viel stärkere Strom der „armen reisenden Handwerker". Aber
u> einem Städtchen wie Coswig hatten sie Muße, ihr Verslein von ihren
beiden und Erlebnissen herzusagen, und hatte der Stadtschreiber Muße, es
"'ehe nur anzuhören, sondern auch ab und zu ein wenig davon mit in die
iechnungsbücher einfließen zu lassen, wo er die kleinen Ausgabeposten an die
""neu und brandbeschädigten Leute eintrug. Diese, oft in Abordnungen ihrer
^'"geäscherten Heimatsorte kommend, bilden eine besonders starke Abteilung der
^unosensammler. Brände waren eben früher, als die Wohnhäuser fast aus-
"ahmelos von Holz und Lehm erbaut wurden, viel häufiger und verheerender
^" wenigen Stadt- und Kirchenrechnungen zwischen 1595 und
KW werden große Brände berichtet aus Erfurt (200 Häuser), Wartenburg


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[0525] was das fahrende Volk erzählte Man nehme sich nur Frankreich als Beispiel. Dort hat die Militärbehörde schon angeordnet, auf den Personalberichten über die Offiziere neben der Kenntnis fremder Sprachen auch anzugeben, ob der Offizier die Weltsprache kennt, und zwar geschieht das, indem mau schreibt: lit vt xarle l'Lgxoranto. Durch ein geordnetes Zusammenwirken ließe sich also ohne große Mühe ein Werk von unschätzbarem Wert schaffen, und man wurde, wie Dr. Zamenhof i" dem obenerwähnten Briefe auch schreibt, sich rühmen können, daß man eine große Menge von Trübsal vom Schlachtfelde weggeschafft und die Mitglieder des Noten Kreuzes in ihrem menschenfreundlichen Wirten wesentlich unter- stützt habe. Soweit die öölg'ihne miliwire. Sicher wäre eine Sprache, in der sich wenigstens alle Kulturvölker verständigen könnten, vou unermeßlichen Werte. Es fragt sich nur, ob es nicht mehr zu empfehlen und leichter durchzuführen ist. eine der bestehenden europäischen Sprachen, etwa die schon so weit auf der Erde verbreitete englische Sprache zur Weltsprache und deshalb obligatorisch in allen Ländern zu machen, als eine ganz neue Sprache wie Esperanto oder Volapük zu konstruieren. Die Einführung einer bestehenden Sprache scheint mir l 6- v. h. eichter durchzuführen. Was das fahrende Volk erzählte A Zvilhelm Berdrow ns den Loswiger Bettelregistern von n einem frühern Grenzbotenartikel (1907, Ur. 18) habe ich zu schildern versucht, welche Menge von Leuten aus den verschiedensten Ständen, Berufen und Gegenden die gewerbsmäßige Wander- bettelei auf den Landstraßen im siebzehnten Jahrhundert in Be- -wegung erhielt, und welch ein Strom von ihnen sich jahr- jahrein durch eine kleine Landstadt ergoß. In großen Städten mögen ne schon damals keine Rolle gespielt haben, in der Menge verschwunden sein, ^le heute der viel stärkere Strom der „armen reisenden Handwerker". Aber u> einem Städtchen wie Coswig hatten sie Muße, ihr Verslein von ihren beiden und Erlebnissen herzusagen, und hatte der Stadtschreiber Muße, es "'ehe nur anzuhören, sondern auch ab und zu ein wenig davon mit in die iechnungsbücher einfließen zu lassen, wo er die kleinen Ausgabeposten an die ""neu und brandbeschädigten Leute eintrug. Diese, oft in Abordnungen ihrer ^'"geäscherten Heimatsorte kommend, bilden eine besonders starke Abteilung der ^unosensammler. Brände waren eben früher, als die Wohnhäuser fast aus- "ahmelos von Holz und Lehm erbaut wurden, viel häufiger und verheerender ^" wenigen Stadt- und Kirchenrechnungen zwischen 1595 und KW werden große Brände berichtet aus Erfurt (200 Häuser), Wartenburg Grenzboten U I9V7 07

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/525>, abgerufen am 06.02.2025.