Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Dividondcnsysteme der LebousmnPchrruiigsanfwlte" was nicht, was möglich und was unmöglich ist. Diese allgemeine Urteils¬ So hat bor kurzem an dieser Stelle*) ein offenbar den hohem Ständen Grenzboten No. 11 von 14. Mil>.'z 1V07.
Die Dividondcnsysteme der LebousmnPchrruiigsanfwlte» was nicht, was möglich und was unmöglich ist. Diese allgemeine Urteils¬ So hat bor kurzem an dieser Stelle*) ein offenbar den hohem Ständen Grenzboten No. 11 von 14. Mil>.'z 1V07.
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Die Dividondcnsysteme der LebousmnPchrruiigsanfwlte»
was nicht, was möglich und was unmöglich ist. Diese allgemeine Urteils¬
losigkeit in Fragen des Versicherungswesens ist die Mutter des anch in ge¬
bildeten Kreisen noch so hänfig anzutreffenden Mißtrauens; begreiflicherweise
steht bei einem Vertrag der Vertragstcil dem andern mißtrauisch gegenüber,
der keinerlei Maßstab dafür hat, inwieweit seine Interessen bei dem Vertrage
gewahrt sind, und der im großen und ganzen darauf angewiesen ist, das zu
glauben, was der andre ihm sagt. Gemähre wird dieses — nach Lage der
Verhältnisse gänzlich ungerechtfertigte — Mißtrauen leicht durch die Untugend
mancher Gesellschaften, ihre Prospekte mit einem Schwulst hochtönender Redens¬
arten auszustatten, deuen zu entnehmen ist, daß die Versicherung bei ihrer
Anstalt eine Art Hecktaler und gewissermaßen ein immerwährendes Geschenk
der Aktionäre an die Versicherten sei — und dergleichen Phrasen mehr, die
kein vernünftiger Mensch ernst nehmen kaun. Dankenswerterweise bemühen
sich die altcmgcseheuen, soliden Institute, ihre Vertreter von solcher geschmack¬
losen Reklame abzuhalten. Die Wurzel der Mißverständnisse aber kann erst
mit der beklagenswerten Oberflächlichkeit ausgerottet werden, die sich in der
allgemeinen Beurteilung des Versicherungswesens auch seitens der akademisch ge¬
bildeten Kreise findet.
So hat bor kurzem an dieser Stelle*) ein offenbar den hohem Ständen
angehörender Versicherter eine Kritik der Dividcndenverteilnng bei deu Lebens-
versichcrnngsanstalten veröffentlicht, die er zweifellos nicht geschrieben haben
würde, wenn er sich einen tiefern Einblick in die versicherungstechnischen Grund¬
lagen, in den Aufbau der Tarife und die Entstehung des Überschusses einer
Lebensversicherungsgesellschaft verschafft hätte. Der Autor zeigt an einem
Beispiel seiner eignen Erfahrung, wie ungerecht angeblich die Verteilung der
Dividenden in Prozenten der Jahresprcimie sei; er verlangt, daß der Überschuß
nach Maßgabe der Prämicnreserve verteilt werde, und ruft zu diesem Eude ein
Einschreiten der Aufsichtsbehörde und sogar der Gesetzgebung an. Über den
letzten Punkt mag gleich gesagt werden, daß er völlig haltlos ist; es wird
weder der Aufsichtsbehörde noch den gesetzgebenden Körperschaften in Deutsch¬
land einfallen, eine Frage diktatorisch zu entscheiden, für deren Beantwortung
einzig und allein das Forum der wissenschaftlichen Forschung zuständig ist.
Darüber, wie die Überschüsse eiuer Lebensversichernngsanstalt unter die einzelnen
versicherten Mitglieder verteilt werden müssen, damit den Forderungen der
Gerechtigkeit in jeder Richtung Genüge geleistet wird, ist bis heute noch keines¬
wegs eine Übereinstimmung in den Ansichten der Versichcrungslnathcmatiker
vorhanden, denn bei der Beantwortung dieser Frage liegen Probleme vor, von
deren Vorhandensein der Herr Verfasser — der kurzweg die Dividendenver¬
teilung nach Maßgabe der Prämicnreserve gesetzlich vorschreiben möchte — sich
schwerlich etwas träumen läßt.
Grenzboten No. 11 von 14. Mil>.'z 1V07.
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