Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Das russische Agrarproblem bleiben wie jetzt, zu relativ billigem Preise möglich: die Kosakenwache kostet den Die Expropriation des Landes, heißt es dann weiter, das die Bauern Das russische Agrarproblem bleiben wie jetzt, zu relativ billigem Preise möglich: die Kosakenwache kostet den Die Expropriation des Landes, heißt es dann weiter, das die Bauern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302391"/> <fw type="header" place="top"> Das russische Agrarproblem</fw><lb/> <p xml:id="ID_1721" prev="#ID_1720"> bleiben wie jetzt, zu relativ billigem Preise möglich: die Kosakenwache kostet den<lb/> Gutsherren Geld, und ihre Lage ist äußerst unbehaglich. Aber der dazu erforder¬<lb/> liche Kredit ist gerade in solcher Zeit für eine ganz große, für eine Milliarden¬<lb/> aktion unerschwinglich, und die Bauern kaufen nicht sdas zweite scheint, wie wir<lb/> noch sehen werden, nicht zuzutreffen^ Wenn aber das Land erst wieder ruhig ist.<lb/> so wird der Kaufpreis bei konstanter Kaufnachfrage des Staates oder der Land¬<lb/> bank noch ganz anders als bei uns in der Provinz Posen emporschnellen; schon<lb/> jetzt ist er. bei sinkendem Produktenpreise!, im Laufe von etwa fünfzehn Jahren<lb/> auf das Fünffache, in einzelnen Fallen auf das Zehnfache gestiegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1722" next="#ID_1723"> Die Expropriation des Landes, heißt es dann weiter, das die Bauern<lb/> schon in Pacht haben, ließe sich mit der Bauernbank wohl durchführen, und<lb/> die Maßregel könnte gut wirken, wenn das zur Verfügung gestellte Land in<lb/> freier Konkurrenz an die tüchtigsten Wirte überginge. Dieser Weg widerspricht<lb/> aber der sozialrevolutionären Ideologie sowohl der Bauern wie ihrer Gönner<lb/> unter den Gebildeten, einer Ideologie, die auch noch dem Agrarprogrmnm der<lb/> Kadetten zugrunde liegt. „Allein vielleicht wird keiner von beiden Wegen<lb/> beschütten, und der russische Bauer hat seinen Kalvariengang in Qual und<lb/> Zorn weiterzugehn, bis teils der moderne Agrarkapitalismus, teils der moderne,<lb/> an die gewerblichen Märkte sich auschmiegende Kleinbauernbetrieb auf erblich<lb/> eigner Scholle auch in Rußland endgiltig gesiegt hat und damit die letzte<lb/> Zufluchtstätte des Kommunismus und des ihm entsteigenden bäuerliche»<lb/> revolutionären Naturrechts in Europa endgiltig verschüttet ist. Die Politik<lb/> der gegenwärtigen Machthaber bewegt sich in dieser Richtung trotz starker<lb/> Konzessionen an die revolutionären Gedankenkreise." Als eine solche sei das<lb/> Aararprojekt des Landwirtschaftsministeriums vom 13. Juni 1906 anzusehen,<lb/> das zur Vergrößerung des bäuerlichen Grundbesitzes Staatslündereien zur<lb/> Verfügung stellt und außerdem Privatgrundstücke, die die Bauernbank und<lb/> der Fiskus im Wege des freien Verkehrs erwerben sollen. Zu den Streit¬<lb/> fragen, die die Bauern unter sich entzweien, gehört auch die, ob und in<lb/> welchem Umfange die halbkommunistische Agmrverfassung aufrecht erhalten<lb/> werden soll. Die Gutsbesitzer aber sind im Januar 1906 wild geworden, als<lb/> sie erfuhren, daß im Ministerium ein Enteignungsprojekt ausgearbeitet werde.<lb/> Das hat man zwar wieder fallen lassen, aber die Grundherren beharren ,n<lb/> ihrer oppositionellen Haltung. Selbstverständlich wollen sie vor allem von<lb/> Maßregeln, die den Bodenpreis drücken könnten, nichts wissen. „Diesen<lb/> Hütern der nationalen Traditionen stand, wie bei uns. die Erzielung einer<lb/> Hauffe der Bodenpreise über allen andern Rücksichten." Ihren Grundbesitz<lb/> möchten viele ganz gern los werden, aber natürlich nur zu einem guten Preise.<lb/> Diese Stimmung hat nun die Temperatur in den Semstwos, in denen vor<lb/> der Revolution Grundherren und Bauern einträchtig zusammengearbeitet hatten,<lb/> sehr ungemütlich gemacht. Die Verschärfung des Klassengegensatzes hat „den<lb/> un Beginn der UnNvälznngsperiode in der Front stehenden Semstwokongressen<lb/> ein Ende bereitet und droht, die politische Physiognomie der Semstwos nach-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
Das russische Agrarproblem
bleiben wie jetzt, zu relativ billigem Preise möglich: die Kosakenwache kostet den
Gutsherren Geld, und ihre Lage ist äußerst unbehaglich. Aber der dazu erforder¬
liche Kredit ist gerade in solcher Zeit für eine ganz große, für eine Milliarden¬
aktion unerschwinglich, und die Bauern kaufen nicht sdas zweite scheint, wie wir
noch sehen werden, nicht zuzutreffen^ Wenn aber das Land erst wieder ruhig ist.
so wird der Kaufpreis bei konstanter Kaufnachfrage des Staates oder der Land¬
bank noch ganz anders als bei uns in der Provinz Posen emporschnellen; schon
jetzt ist er. bei sinkendem Produktenpreise!, im Laufe von etwa fünfzehn Jahren
auf das Fünffache, in einzelnen Fallen auf das Zehnfache gestiegen.
Die Expropriation des Landes, heißt es dann weiter, das die Bauern
schon in Pacht haben, ließe sich mit der Bauernbank wohl durchführen, und
die Maßregel könnte gut wirken, wenn das zur Verfügung gestellte Land in
freier Konkurrenz an die tüchtigsten Wirte überginge. Dieser Weg widerspricht
aber der sozialrevolutionären Ideologie sowohl der Bauern wie ihrer Gönner
unter den Gebildeten, einer Ideologie, die auch noch dem Agrarprogrmnm der
Kadetten zugrunde liegt. „Allein vielleicht wird keiner von beiden Wegen
beschütten, und der russische Bauer hat seinen Kalvariengang in Qual und
Zorn weiterzugehn, bis teils der moderne Agrarkapitalismus, teils der moderne,
an die gewerblichen Märkte sich auschmiegende Kleinbauernbetrieb auf erblich
eigner Scholle auch in Rußland endgiltig gesiegt hat und damit die letzte
Zufluchtstätte des Kommunismus und des ihm entsteigenden bäuerliche»
revolutionären Naturrechts in Europa endgiltig verschüttet ist. Die Politik
der gegenwärtigen Machthaber bewegt sich in dieser Richtung trotz starker
Konzessionen an die revolutionären Gedankenkreise." Als eine solche sei das
Aararprojekt des Landwirtschaftsministeriums vom 13. Juni 1906 anzusehen,
das zur Vergrößerung des bäuerlichen Grundbesitzes Staatslündereien zur
Verfügung stellt und außerdem Privatgrundstücke, die die Bauernbank und
der Fiskus im Wege des freien Verkehrs erwerben sollen. Zu den Streit¬
fragen, die die Bauern unter sich entzweien, gehört auch die, ob und in
welchem Umfange die halbkommunistische Agmrverfassung aufrecht erhalten
werden soll. Die Gutsbesitzer aber sind im Januar 1906 wild geworden, als
sie erfuhren, daß im Ministerium ein Enteignungsprojekt ausgearbeitet werde.
Das hat man zwar wieder fallen lassen, aber die Grundherren beharren ,n
ihrer oppositionellen Haltung. Selbstverständlich wollen sie vor allem von
Maßregeln, die den Bodenpreis drücken könnten, nichts wissen. „Diesen
Hütern der nationalen Traditionen stand, wie bei uns. die Erzielung einer
Hauffe der Bodenpreise über allen andern Rücksichten." Ihren Grundbesitz
möchten viele ganz gern los werden, aber natürlich nur zu einem guten Preise.
Diese Stimmung hat nun die Temperatur in den Semstwos, in denen vor
der Revolution Grundherren und Bauern einträchtig zusammengearbeitet hatten,
sehr ungemütlich gemacht. Die Verschärfung des Klassengegensatzes hat „den
un Beginn der UnNvälznngsperiode in der Front stehenden Semstwokongressen
ein Ende bereitet und droht, die politische Physiognomie der Semstwos nach-
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