Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Gin Rompendium der Rechtswissenschaft für Laien Wirkung, die die eheliche Gemeinschaft auf ihre persönliche und vermögens¬ In dem Abschnitt über das Familienrecht wird auch die allmähliche Gin Rompendium der Rechtswissenschaft für Laien Wirkung, die die eheliche Gemeinschaft auf ihre persönliche und vermögens¬ In dem Abschnitt über das Familienrecht wird auch die allmähliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302290"/> <fw type="header" place="top"> Gin Rompendium der Rechtswissenschaft für Laien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1293" prev="#ID_1292"> Wirkung, die die eheliche Gemeinschaft auf ihre persönliche und vermögens¬<lb/> rechtliche Stellung ausübt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1294" next="#ID_1295"> In dem Abschnitt über das Familienrecht wird auch die allmähliche<lb/> Befreiung vom kanonischen Eherecht dargestellt, die für uns durch das Bürger¬<lb/> liche Gesetzbuch vollendet worden ist. Sohm wirft die Frage auf: soll es ein<lb/> christliches Eherecht, soll es überhaupt ein christliches Recht geben? Dem ent-<lb/> schiednen „ja" der katholischen Kirche setzt er ein ebenso entschiednes „nein"<lb/> entgegen. „Das Wesen des Christentums ist die Freiheit von jeglichem in<lb/> Worte gebrachten Gesetz, um die Gesetzeserfüllung des Knechtes durch die freie<lb/> Liebestat des aus göttlichem Geiste wiedergebornen Gotteskindes zu über¬<lb/> bieten ... Das Christentum verabscheut die erzwungne Tat. Kein Rechtsgesetz<lb/> ist darum aus dem Christentum ableitbar, denn alles Recht ist auf zwangs¬<lb/> weise Durchführung angelegt. Die Anforderungen des nationalen Lebens<lb/> sind der Verwirklichung durch den Zwang fähig und bedürftig, damit sich das<lb/> Volk in seinem Dasein gegenüber dem auswärtigen Feind und nach innen<lb/> gegenüber dem Einzelnen behaupte. Alles Recht ist darum nationales Recht,<lb/> d. h. weltliches Recht, aus Gründen des irdischen Lebens, des Volkslebens<lb/> geboren. Das Christentum aber ist keine Rechtsquelle. Seine Forderungen sind<lb/> der zwangsweisen Durchführung nicht fähig. Christliches Recht ist ein Wider¬<lb/> spruch in sich selbst. Das kanonische Recht der katholischen Kirche ist wider<lb/> das Christentum." In dem glänzend geschriebnen, von begeistertem Optimismus<lb/> getragnen Schlußkapitel spricht Sohm: „Das Recht wird immer einzelne Härten,<lb/> ja Ungerechtigkeiten in sich tragen. Niemals aber ist das Recht im ganzen<lb/> ungerecht. Niemals läßt das Recht als Ganzes sich zum Werkzeug für die<lb/> Selbstsucht der Mächtigen erniedrigen. Das ist in der Art des Rechts mit<lb/> eherner Notwendigkeit begründet. Das Recht lebt nicht durch Polizeigewalt<lb/> noch durch die Bajonette der Soldaten. Die Aufrechterhaltung der Rechts¬<lb/> ordnung durch bloßen äußern Zwang ist zu allen Zeiten ein Ding der Un¬<lb/> möglichkeit gewesen: bei den ungeheuer gesteigerten Machtmitteln des heutigen<lb/> Staats ganz geradeso wie in den frühern Jahrhunderten. Wer werden die<lb/> Katholiken und die Positiven unter den Evangelischen anknüpfen, um die<lb/> Notwendigkeit der Religion für den Staat zu beweisen.j Das Recht lebt durch<lb/> die Rechtsüberzeugung aller Rechtsgenossen. Woher diese Rechtsüberzeugung?<lb/> Aus einer angebornen sittlichen Idee, oder aus dem anerzognen Gehorsam gegen<lb/> das göttliche Gesetz, oder aus der Einsicht des Einbrechers, daß er die Ordnungen<lb/> seiner Bande innehalten muß, wenn er mit ihr »arbeiten« will?j Auch denen,<lb/> die theoretisch die Idee vom Zukunftsstaate im Kopfe haben, ist die bestehende<lb/> Staats- und Eigentumsordnung, als Ganzes genommen, geltendes Recht. Sie<lb/> können gar nicht anders empfinden, auch wenn sie anders zu denken beab¬<lb/> sichtigen. Jedem ohne Ausnahme s?^j drängt es sich auf als Pflicht, nicht bloß<lb/> als äußerlich erzwungne Notwendigkeit, das empfangne Darlehn zurückzuzahlen<lb/> sua, na!), für die geinietete Wohnung den Mietzins zu entrichten, das erworbne</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Gin Rompendium der Rechtswissenschaft für Laien
Wirkung, die die eheliche Gemeinschaft auf ihre persönliche und vermögens¬
rechtliche Stellung ausübt."
In dem Abschnitt über das Familienrecht wird auch die allmähliche
Befreiung vom kanonischen Eherecht dargestellt, die für uns durch das Bürger¬
liche Gesetzbuch vollendet worden ist. Sohm wirft die Frage auf: soll es ein
christliches Eherecht, soll es überhaupt ein christliches Recht geben? Dem ent-
schiednen „ja" der katholischen Kirche setzt er ein ebenso entschiednes „nein"
entgegen. „Das Wesen des Christentums ist die Freiheit von jeglichem in
Worte gebrachten Gesetz, um die Gesetzeserfüllung des Knechtes durch die freie
Liebestat des aus göttlichem Geiste wiedergebornen Gotteskindes zu über¬
bieten ... Das Christentum verabscheut die erzwungne Tat. Kein Rechtsgesetz
ist darum aus dem Christentum ableitbar, denn alles Recht ist auf zwangs¬
weise Durchführung angelegt. Die Anforderungen des nationalen Lebens
sind der Verwirklichung durch den Zwang fähig und bedürftig, damit sich das
Volk in seinem Dasein gegenüber dem auswärtigen Feind und nach innen
gegenüber dem Einzelnen behaupte. Alles Recht ist darum nationales Recht,
d. h. weltliches Recht, aus Gründen des irdischen Lebens, des Volkslebens
geboren. Das Christentum aber ist keine Rechtsquelle. Seine Forderungen sind
der zwangsweisen Durchführung nicht fähig. Christliches Recht ist ein Wider¬
spruch in sich selbst. Das kanonische Recht der katholischen Kirche ist wider
das Christentum." In dem glänzend geschriebnen, von begeistertem Optimismus
getragnen Schlußkapitel spricht Sohm: „Das Recht wird immer einzelne Härten,
ja Ungerechtigkeiten in sich tragen. Niemals aber ist das Recht im ganzen
ungerecht. Niemals läßt das Recht als Ganzes sich zum Werkzeug für die
Selbstsucht der Mächtigen erniedrigen. Das ist in der Art des Rechts mit
eherner Notwendigkeit begründet. Das Recht lebt nicht durch Polizeigewalt
noch durch die Bajonette der Soldaten. Die Aufrechterhaltung der Rechts¬
ordnung durch bloßen äußern Zwang ist zu allen Zeiten ein Ding der Un¬
möglichkeit gewesen: bei den ungeheuer gesteigerten Machtmitteln des heutigen
Staats ganz geradeso wie in den frühern Jahrhunderten. Wer werden die
Katholiken und die Positiven unter den Evangelischen anknüpfen, um die
Notwendigkeit der Religion für den Staat zu beweisen.j Das Recht lebt durch
die Rechtsüberzeugung aller Rechtsgenossen. Woher diese Rechtsüberzeugung?
Aus einer angebornen sittlichen Idee, oder aus dem anerzognen Gehorsam gegen
das göttliche Gesetz, oder aus der Einsicht des Einbrechers, daß er die Ordnungen
seiner Bande innehalten muß, wenn er mit ihr »arbeiten« will?j Auch denen,
die theoretisch die Idee vom Zukunftsstaate im Kopfe haben, ist die bestehende
Staats- und Eigentumsordnung, als Ganzes genommen, geltendes Recht. Sie
können gar nicht anders empfinden, auch wenn sie anders zu denken beab¬
sichtigen. Jedem ohne Ausnahme s?^j drängt es sich auf als Pflicht, nicht bloß
als äußerlich erzwungne Notwendigkeit, das empfangne Darlehn zurückzuzahlen
sua, na!), für die geinietete Wohnung den Mietzins zu entrichten, das erworbne
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