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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Russische Briefe

Die Durchsicht des Budgets findet eben in der Kommission statt. Die
Optimisten folgern daraus, daß es die erste Lesung im Plenum überstanden
habe, ohne abgelehnt zu sein, es würde nun auch eingenommen werden, und
die Gesellschaft würde sich der "bewährten Führung der Finanzen durch die
Regierung" auch weiterhin anvertrauen. Wenn wir uns auf den Standpunkt
der Verfassung stellen, können weder die Dnma noch der Reichsrat an dein
Budgetentwurf des Finanzministers etwas andern. Die Auffassung der Re¬
gierung über das Recht der Volksvertretung am Budget geht aus dem nicht
veröffentlichten Memorandum des Hofmeisters Bulygin hervor, dem folgendes
entnommen sei:

". . . abgesehen von den bedingten Krediten, schreibt Herr Bulygin, sind
alle übrigen Ausgabepostcn unsers Reichsbndgets im Gründe genommen schon
vorher festgelegt, die einen sowohl nach ihrem Gegenstande wie auch nach
dem Umfang der Ausgabe, die andern (wirtschaftliche Operationsansgaben)
bezüglich des Gegenstandes ihrer Bestimmung. Diese Grundprinzipien unsrer
Etatsordnung müssen unter allen Umständen auch in Zukunft ohne Abweichung
festgehalten werden, und ihre Unantastbarkeit muß streng gewahrt bleiben,
wenn die Grundlage unsers finanziellen Gleichgewichts nicht erschüttert werden
soll. Deshalb müßte im Gesetz klar ausgesprochen werden, der Duma sei das
Recht der sogenannten Bndgetinitiative nicht eingeräumt worden. Es handelt
sich hier um das Recht, während der Durchsicht des Budgets neue, auf gesetz¬
geberischen Wege noch nicht bewilligte Einnahmen oder Ausgaben in das
Budget einzubringen oder auch Ausgaben und Einnahmen, die durch die be¬
stehenden Gesetzesbestimmungen oder Etats veranlaßt worden sind, zu kürzen,
da der Duma das Recht durchaus nicht genommen werden soll, auf dem ge¬
wöhnlichen Wege gesetzgeberischer Initiative Fragen auszuwerfen über diese oder
jene Abänderung oder Ergänzung, was den Gegenstand oder den Umfang
unsrer Staatsausgaben oder auch was die Feststellung neuer Steuern sowie
die Erhöhung oder die Herabsetzung von bestehenden anlangt. Die genaue
Befolgung der Grundprinzipien der bestehenden Etatsvrdnung wird zugleich
auch die notwendige Schnelligkeit der Prüfung des Budgets sicherstellen, denn
die Mehrzahl der Ausgabeposten wird sich scheinbar als konsolidiert erweisen,
und somit wird die Notwendigkeit einer umstündlichen Nachprüfung nicht ein¬
treten. . . . Die ausgeführten Erwägungen geben einen Anhalt zu der Voraus¬
setzung, daß die Prüfung des Budgets in der Neichsduma und den: Reichsrat
hauptsächlich den Charakter von Klarstellungen einzelner strittiger Fragen und
Zweifel über einige wenige Budgetvoranschläge annehmen wird, darum brauchen
sich die Budgetdebatten nicht zu sehr hinzuziehn, und es wird sich als möglich
erweisen, die Durchsicht nach zwei Monaten zu beschließen..."

Die Duma denkt aber nicht daran, sich der "bewährten" Führung der
Regierung ohne weiteres zu überlassen. Vorläufig kommt es den Kadetten
nur darauf an, das Budget in die Kommission zu retten, um sich überhaupt


Russische Briefe

Die Durchsicht des Budgets findet eben in der Kommission statt. Die
Optimisten folgern daraus, daß es die erste Lesung im Plenum überstanden
habe, ohne abgelehnt zu sein, es würde nun auch eingenommen werden, und
die Gesellschaft würde sich der „bewährten Führung der Finanzen durch die
Regierung" auch weiterhin anvertrauen. Wenn wir uns auf den Standpunkt
der Verfassung stellen, können weder die Dnma noch der Reichsrat an dein
Budgetentwurf des Finanzministers etwas andern. Die Auffassung der Re¬
gierung über das Recht der Volksvertretung am Budget geht aus dem nicht
veröffentlichten Memorandum des Hofmeisters Bulygin hervor, dem folgendes
entnommen sei:

„. . . abgesehen von den bedingten Krediten, schreibt Herr Bulygin, sind
alle übrigen Ausgabepostcn unsers Reichsbndgets im Gründe genommen schon
vorher festgelegt, die einen sowohl nach ihrem Gegenstande wie auch nach
dem Umfang der Ausgabe, die andern (wirtschaftliche Operationsansgaben)
bezüglich des Gegenstandes ihrer Bestimmung. Diese Grundprinzipien unsrer
Etatsordnung müssen unter allen Umständen auch in Zukunft ohne Abweichung
festgehalten werden, und ihre Unantastbarkeit muß streng gewahrt bleiben,
wenn die Grundlage unsers finanziellen Gleichgewichts nicht erschüttert werden
soll. Deshalb müßte im Gesetz klar ausgesprochen werden, der Duma sei das
Recht der sogenannten Bndgetinitiative nicht eingeräumt worden. Es handelt
sich hier um das Recht, während der Durchsicht des Budgets neue, auf gesetz¬
geberischen Wege noch nicht bewilligte Einnahmen oder Ausgaben in das
Budget einzubringen oder auch Ausgaben und Einnahmen, die durch die be¬
stehenden Gesetzesbestimmungen oder Etats veranlaßt worden sind, zu kürzen,
da der Duma das Recht durchaus nicht genommen werden soll, auf dem ge¬
wöhnlichen Wege gesetzgeberischer Initiative Fragen auszuwerfen über diese oder
jene Abänderung oder Ergänzung, was den Gegenstand oder den Umfang
unsrer Staatsausgaben oder auch was die Feststellung neuer Steuern sowie
die Erhöhung oder die Herabsetzung von bestehenden anlangt. Die genaue
Befolgung der Grundprinzipien der bestehenden Etatsvrdnung wird zugleich
auch die notwendige Schnelligkeit der Prüfung des Budgets sicherstellen, denn
die Mehrzahl der Ausgabeposten wird sich scheinbar als konsolidiert erweisen,
und somit wird die Notwendigkeit einer umstündlichen Nachprüfung nicht ein¬
treten. . . . Die ausgeführten Erwägungen geben einen Anhalt zu der Voraus¬
setzung, daß die Prüfung des Budgets in der Neichsduma und den: Reichsrat
hauptsächlich den Charakter von Klarstellungen einzelner strittiger Fragen und
Zweifel über einige wenige Budgetvoranschläge annehmen wird, darum brauchen
sich die Budgetdebatten nicht zu sehr hinzuziehn, und es wird sich als möglich
erweisen, die Durchsicht nach zwei Monaten zu beschließen..."

Die Duma denkt aber nicht daran, sich der „bewährten" Führung der
Regierung ohne weiteres zu überlassen. Vorläufig kommt es den Kadetten
nur darauf an, das Budget in die Kommission zu retten, um sich überhaupt


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[0282] Russische Briefe Die Durchsicht des Budgets findet eben in der Kommission statt. Die Optimisten folgern daraus, daß es die erste Lesung im Plenum überstanden habe, ohne abgelehnt zu sein, es würde nun auch eingenommen werden, und die Gesellschaft würde sich der „bewährten Führung der Finanzen durch die Regierung" auch weiterhin anvertrauen. Wenn wir uns auf den Standpunkt der Verfassung stellen, können weder die Dnma noch der Reichsrat an dein Budgetentwurf des Finanzministers etwas andern. Die Auffassung der Re¬ gierung über das Recht der Volksvertretung am Budget geht aus dem nicht veröffentlichten Memorandum des Hofmeisters Bulygin hervor, dem folgendes entnommen sei: „. . . abgesehen von den bedingten Krediten, schreibt Herr Bulygin, sind alle übrigen Ausgabepostcn unsers Reichsbndgets im Gründe genommen schon vorher festgelegt, die einen sowohl nach ihrem Gegenstande wie auch nach dem Umfang der Ausgabe, die andern (wirtschaftliche Operationsansgaben) bezüglich des Gegenstandes ihrer Bestimmung. Diese Grundprinzipien unsrer Etatsordnung müssen unter allen Umständen auch in Zukunft ohne Abweichung festgehalten werden, und ihre Unantastbarkeit muß streng gewahrt bleiben, wenn die Grundlage unsers finanziellen Gleichgewichts nicht erschüttert werden soll. Deshalb müßte im Gesetz klar ausgesprochen werden, der Duma sei das Recht der sogenannten Bndgetinitiative nicht eingeräumt worden. Es handelt sich hier um das Recht, während der Durchsicht des Budgets neue, auf gesetz¬ geberischen Wege noch nicht bewilligte Einnahmen oder Ausgaben in das Budget einzubringen oder auch Ausgaben und Einnahmen, die durch die be¬ stehenden Gesetzesbestimmungen oder Etats veranlaßt worden sind, zu kürzen, da der Duma das Recht durchaus nicht genommen werden soll, auf dem ge¬ wöhnlichen Wege gesetzgeberischer Initiative Fragen auszuwerfen über diese oder jene Abänderung oder Ergänzung, was den Gegenstand oder den Umfang unsrer Staatsausgaben oder auch was die Feststellung neuer Steuern sowie die Erhöhung oder die Herabsetzung von bestehenden anlangt. Die genaue Befolgung der Grundprinzipien der bestehenden Etatsvrdnung wird zugleich auch die notwendige Schnelligkeit der Prüfung des Budgets sicherstellen, denn die Mehrzahl der Ausgabeposten wird sich scheinbar als konsolidiert erweisen, und somit wird die Notwendigkeit einer umstündlichen Nachprüfung nicht ein¬ treten. . . . Die ausgeführten Erwägungen geben einen Anhalt zu der Voraus¬ setzung, daß die Prüfung des Budgets in der Neichsduma und den: Reichsrat hauptsächlich den Charakter von Klarstellungen einzelner strittiger Fragen und Zweifel über einige wenige Budgetvoranschläge annehmen wird, darum brauchen sich die Budgetdebatten nicht zu sehr hinzuziehn, und es wird sich als möglich erweisen, die Durchsicht nach zwei Monaten zu beschließen..." Die Duma denkt aber nicht daran, sich der „bewährten" Führung der Regierung ohne weiteres zu überlassen. Vorläufig kommt es den Kadetten nur darauf an, das Budget in die Kommission zu retten, um sich überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/282>, abgerufen am 05.02.2025.