Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Fahrendes Volk im siebzehnten Jahrhundert Pfarr, der von den Muskowitern vertrieben und sind ihm all seine Bücher Fahrendes Volk im siebzehnten Jahrhundert Pfarr, der von den Muskowitern vertrieben und sind ihm all seine Bücher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302246"/> <fw type="header" place="top"> Fahrendes Volk im siebzehnten Jahrhundert</fw><lb/> <p xml:id="ID_1119" prev="#ID_1118" next="#ID_1120"> Pfarr, der von den Muskowitern vertrieben und sind ihm all seine Bücher<lb/> verbrannt", wird 1599 genannt, und man gab ihm eben so willig wie ein<lb/> andres mal „einem verlanffenen Pfarrherrn, der sich aufn Ehm Magister be¬<lb/> rufen, er wäre in Wittenberg sein Stubengesell gewesen". Im Jahre 1610<lb/> kommt neben einem Prädikanten, „der von den Pappisten vertrieben zwischen<lb/> Pohlen und Preußen", ein Feldprediger Johannes Jacobus, „eines Pfarrherrn<lb/> Sohn von Heidelberg, der aus Schweden kommen". Ein ungewöhnliches Ge¬<lb/> schenk (zwölf Groschen) gab man 1632 Seiner Königlichen Majestät zu Schweden<lb/> Feldprediger, wogegen einem Vertriebnen evangelischen Priester aus Ungarn<lb/> „ans schriftliches bitten und Klagen" vier Groschen gesteuert wurden (1678).<lb/> Inzwischen vergeht kein Jahr, wo nicht Geistliche und Magister unter den vor¬<lb/> sprechenden Armen sind, nur daß es je nach der Not der Zeit bald die Pfalz,<lb/> bald Pommern und Mecklenburg (einem Pfarrer mit sieben kleinen Kindern<lb/> aus dem Mecklenburgischen, 1677), bald Ungarn und Böhmen, bald wieder das<lb/> Stift Bremen sind, von wo aus sie in Scharen das Land überschwemmen.<lb/> Übrigens setzten jn nicht allein konfessionelle Gegensätze, sondern ebensogut auch<lb/> Alter, Krankheit oder Unfähigkeit aus andern Gründen die geistlichen Herren<lb/> meist ohne weiteres auf die Straße, ebenso wie die Magister, Schreiber, Orga¬<lb/> nisten usw., freilich auch wieder oft genug mit eignem Verschulden. Ein Jahr<lb/> (1597) nennt rede» „einem Pfarr, dem die red entfallen und er seinen dienst<lb/> nicht mehr verrichten können", einen andern „aus Töplitz, der wegen etlicher<lb/> Tyrannei und Schwachheit seines Hauptes seines ames entsetzt". Bald darauf<lb/> kommt ein bettelnder Pfarrer aus Kurland, der seine Dienste aus Schwachheit<lb/> hat übergeben müssen, und ein Schulmeister, der zwei Jahre krank gelegen nud<lb/> seines Amts entsetzt worden ist. Schon früher gedenken die Stadtrechnnngen<lb/> „Vcirtel Frentzen's von der Newstadt unter dem Ambte Hohnstein gelegen,<lb/> eines armen Schreibers, welcher sich auch in kriegsleufften hat gebrauchen<lb/> lassen, welcher gute knndtschafften in lateinisch und Teutsch hatt gehabt vorzu¬<lb/> legen". Dagegen wird 1670 Heinrich Friederich Sabnuth (Sabunth?) ange¬<lb/> führt, „Canzelers Sohn aus Leipzig, welcher eine lateinische Epistel an den<lb/> hiesigen Rat abgehen lassen". Es kam bei den Angehörigen besserer Stände<lb/> nicht selten vor, daß sie sich schriftlich an den Rat oder die Kirche wandten,<lb/> zuweilen wohl auch mit literarischen Gegenleistungen für die erbetene Spende<lb/> aufwarteten. Man war dafür in Coswig nicht unempfänglich. Der damals<lb/> erkleckliche Betrag von zwölf Groschen floß 1604 in die Tasche des Magisters<lb/> Johan Freibnrgk von Erfurdt, „der dem Naht einen Snmarischen und eigen¬<lb/> thümlichen bericht von der Geburt und Menschwerdung unseres Herrn Jesu<lb/> Christi aus göttlicher Schrift zusammengezogen und reimweise verfaßt dem<lb/> Rathe dotioniert". Dasselbe Rechmmgsbnch berichtet vorher von „einem<lb/> alten betagten Manne, der dem Naht den glauben ausgelegt". Auch 1670<lb/> wird noch eiues literarischen Zeitgenossen Erwähnung getan, der damals<lb/> zu denen gehörte, die „ihr Brot für den Thüren suchten", nämlich Philipp</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
Fahrendes Volk im siebzehnten Jahrhundert
Pfarr, der von den Muskowitern vertrieben und sind ihm all seine Bücher
verbrannt", wird 1599 genannt, und man gab ihm eben so willig wie ein
andres mal „einem verlanffenen Pfarrherrn, der sich aufn Ehm Magister be¬
rufen, er wäre in Wittenberg sein Stubengesell gewesen". Im Jahre 1610
kommt neben einem Prädikanten, „der von den Pappisten vertrieben zwischen
Pohlen und Preußen", ein Feldprediger Johannes Jacobus, „eines Pfarrherrn
Sohn von Heidelberg, der aus Schweden kommen". Ein ungewöhnliches Ge¬
schenk (zwölf Groschen) gab man 1632 Seiner Königlichen Majestät zu Schweden
Feldprediger, wogegen einem Vertriebnen evangelischen Priester aus Ungarn
„ans schriftliches bitten und Klagen" vier Groschen gesteuert wurden (1678).
Inzwischen vergeht kein Jahr, wo nicht Geistliche und Magister unter den vor¬
sprechenden Armen sind, nur daß es je nach der Not der Zeit bald die Pfalz,
bald Pommern und Mecklenburg (einem Pfarrer mit sieben kleinen Kindern
aus dem Mecklenburgischen, 1677), bald Ungarn und Böhmen, bald wieder das
Stift Bremen sind, von wo aus sie in Scharen das Land überschwemmen.
Übrigens setzten jn nicht allein konfessionelle Gegensätze, sondern ebensogut auch
Alter, Krankheit oder Unfähigkeit aus andern Gründen die geistlichen Herren
meist ohne weiteres auf die Straße, ebenso wie die Magister, Schreiber, Orga¬
nisten usw., freilich auch wieder oft genug mit eignem Verschulden. Ein Jahr
(1597) nennt rede» „einem Pfarr, dem die red entfallen und er seinen dienst
nicht mehr verrichten können", einen andern „aus Töplitz, der wegen etlicher
Tyrannei und Schwachheit seines Hauptes seines ames entsetzt". Bald darauf
kommt ein bettelnder Pfarrer aus Kurland, der seine Dienste aus Schwachheit
hat übergeben müssen, und ein Schulmeister, der zwei Jahre krank gelegen nud
seines Amts entsetzt worden ist. Schon früher gedenken die Stadtrechnnngen
„Vcirtel Frentzen's von der Newstadt unter dem Ambte Hohnstein gelegen,
eines armen Schreibers, welcher sich auch in kriegsleufften hat gebrauchen
lassen, welcher gute knndtschafften in lateinisch und Teutsch hatt gehabt vorzu¬
legen". Dagegen wird 1670 Heinrich Friederich Sabnuth (Sabunth?) ange¬
führt, „Canzelers Sohn aus Leipzig, welcher eine lateinische Epistel an den
hiesigen Rat abgehen lassen". Es kam bei den Angehörigen besserer Stände
nicht selten vor, daß sie sich schriftlich an den Rat oder die Kirche wandten,
zuweilen wohl auch mit literarischen Gegenleistungen für die erbetene Spende
aufwarteten. Man war dafür in Coswig nicht unempfänglich. Der damals
erkleckliche Betrag von zwölf Groschen floß 1604 in die Tasche des Magisters
Johan Freibnrgk von Erfurdt, „der dem Naht einen Snmarischen und eigen¬
thümlichen bericht von der Geburt und Menschwerdung unseres Herrn Jesu
Christi aus göttlicher Schrift zusammengezogen und reimweise verfaßt dem
Rathe dotioniert". Dasselbe Rechmmgsbnch berichtet vorher von „einem
alten betagten Manne, der dem Naht den glauben ausgelegt". Auch 1670
wird noch eiues literarischen Zeitgenossen Erwähnung getan, der damals
zu denen gehörte, die „ihr Brot für den Thüren suchten", nämlich Philipp
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